Bettina Fahrenbach Staffel 5 – Liebesroman. Michaela Dornberg
erwiderte Bettina, und dann erzählte sie ihm, um wie vieles es besser geworden war zwischen Veronika und der Kleinen. »Frau Krenz, die Leiterin des Hauses, wird auf jeden Fall ein Auge auf sie haben, dann gibt es noch eine Betreuerin speziell für solche Fälle.«
»Hört sich gut an, und weswegen muss dann meine Leni so wie 4711 dabei sein?«
»Ach, wie gesagt, um länger mit der Kleinen beisammen sein zu können, um Veronika noch Verschiedenes zu erzählen, aber in erster Linie wohl, um das Hermann-Fahrenbach-Haus kennenzulernen. Und, ehrlich gesagt, Arno, ich bin froh, dass sie mitkommt, dann bin ich auf der Heimfahrt nicht so allein.«
Er nickte.
»Dieses Argument lasse ich gelten … Mädchen, Mädchen, du bürdest dir einfach zu viel auf. Du kannst nicht immer nur für andere da sein, denk doch auch mal an dich. Du hast dich so auf das freie Wochenende gefreut.«
»Ich hab’ doch noch den Sonntag …«
»Aber der Klaus …«
»Ich weiß, Arno«, unterbrach sie ihn. »Aber ein Tag hat vierundzwanzig Stunden.«
»Von denen du auch einige schlafen solltest. Aber du machst ja ohnehin, was du willst. Also komm, lass uns reingehen. Ich weiß zwar nicht, warum Leni mir jetzt groß und breit erklären will, was ich essen soll. Ich würde auch ohne ihre Anweisungen nicht verhungern. Aber sie ist wie sie ist …, und sie meint es ja nur gut.«
Das stimmte, aber Bettina musste sich dazu nicht äußern, denn sie hatten das Haus erreicht, und schon in der Diele hörte sie Lenis Stimme: »Und denk daran, Veronika, keine Fertiggerichte, so was kennt unser kleiner Schatz nicht, und das würde sie auch nicht essen. Ich habe dir aufgeschrieben, wie du das Gemüse zubereiten musst, und denk daran, stets nur Bioqualitäten zu kaufen. Du weißt nicht, womit der andere Kram gespritzt ist, und …«
»Wir sind da«, rief Bettina schnell von der Tür her. Die arme Veronika, der musste ja schon der Kopf qualmen, und Leni würde das junge Ding doch vollkommen überfordern.
»Also gut«, sagte Leni, »pack alles in den Ordner, den ich für dich bereitgestellt habe, alle Blätter sind gelocht, du musst sie nur noch abheften.«
Veronika hatte ein hochrotes Gesicht, sie warf Bettina einen dankbaren Blick zu, etwa so nach dem Motto – danke, dass du mich erlöst hast.
Leni war wirklich herzensgut, und man konnte alles von ihr haben, doch manchmal schoss sie übers Ziel hinaus, besonders dann, wenn es um irgendwelche Rezepte ging. Sie machte das ganz locker, und es ging ihr alles leicht von der Hand, aber das konnte sie nicht von allen anderen erwarten. Es war nicht jeder ein solches Naturtalent wie sie.
Veronika heftete gehorsam die Blätter ab, Leni ging mit ihrem Mann zum Kühlschrank, und Bettina nahm die kleine Bettina auf den Arm, die angefangen hatte zu quengeln, weil sie auf einmal keine Aufmerksamkeit mehr bekam.
*
Es war schon kurz vor Mitternacht, als Bettina und Leni nach erfüllter Mission wieder auf den Hof kamen. Sie waren beide beruhigt, weil es der kleinen Bettina gut gehen würde. Nicht nur Veronika würde es schaffen, die Kleine hatte schon jetzt, nach nur wenigen Stunden, eine richtige Fangemeinde.
Ganz besonders begeistert war Leni natürlich von dem imposanten Gebäude inmitten des wunderschönen Parks gewesen, das ein Teil der Hermann-Fahrenbach-Stiftung war.
Wenn sie den Chef, wie sie Bettinas Vater immer respektvoll genannt hatte, schon zu dessen Lebzeiten verehrt hatte, so stand er jetzt für sie ganz oben auf einem Sockel, fast schon einem Heiligen gleich. Sie hatte sich überhaupt nicht mehr einkriegen können.
»Danke, dass du mich mitgenommen hast, Bettina«, sagte Leni, ehe sie aus dem Auto stieg. »Es war wirklich beeindruckend, das alles zu sehen. Aber natürlich bin ich froh, dass ich mich davon überzeugen konnte, dass es unserer Kleinen in Wartenberg, in diesem wunderschönen Gebäude, gutgehen wird. Die Menschen da sind alle so freundlich, so herzlich, kaum vorstellbar, dass sie im Grunde genommen vorher alle gescheiterten Existenzen waren, die nun, dank der Großherzigkeit deines Vaters, vollwertige Mitglieder der Gesellschaft werden … Meine Güte, wird der Arno staunen, wenn ich ihm das erzählen werde. Hoffentlich ist er noch wach, bis morgen früh halte ich es doch überhaupt nicht aus, so übervoll bin ich.«
»Weck ihn bloß nicht«, warnte Bettina sie. »Arno hat seinen Schlaf verdient, vermutlich hat er bis spät abends in der Remise geackert.«
»Ja, ja, ist schon gut«, gab Leni nach, dann griff sie nach ihrer Tasche und verließ das Auto, Bettina tat es ihr gleich, und nebeneinander verließen sie den Parkplatz und kamen auf den Hof. Im Haus der Dunkels brannte kein Licht mehr, auch bei Inge war es dunkel. War sie mit dem Mann zusammen, mit dem man sie bereits gesehen hatte? Babette und Toni schliefen noch nicht, und auch im Gesindehaus brannte hinter einigen Fenstern Licht.
»An diesem Wochenende sind wir fast ausgebucht«, sagte Leni stolz. »Es wird immer besser.«
»Ja, Babette leistet da wirklich gute Arbeit, ohne sie würde es mit der Vermietung immer noch dahindümpeln. Ich habe das ganz schön vernachlässigt.«
»Man kann nur tun, was man tun kann, Bettina. Du arbeitest oben in der Likörfabrik, weiß Gott, für zwei.«
»Liebe Leni, du übertreibst, aber Arbeit gibt es schon genug.«
Sie hatten Bettinas Haustür erreicht. Bettina, die mehr als einen Kopf größer war, beugte sich zu Leni hinunter, umarmte sie liebevoll und drückte ihr einen Kuss auf de Stirn.
»Danke, Leni, fürs Mitkommen, durch dich ist die Fahrt wie im Fluge vergangen … Ach, ich bin ja so froh, dass es dich gibt.« Sie kramte ihren Schlüssel aus der Tasche. »Und nun schlaf gut, wir sehen uns morgen.«
Sie verabschiedeten sich, dann ging Bettina hinein in ihr Haus.
Gewohnheitsgemäß hörte sie ihren Anrufbeantworter ab. Es waren zehn Nachrichten da, aber niemand hatte auf den AB gesprochen, sondern einfach nur aufgelegt. Unverschämt!
Warum meldeten sich die Leute nicht. Aber ungewöhnlich war es schon, dass es so viele Anrufe gewesen waren.
Nun, darüber würde sie sich jetzt aber keine Gedanken machen. Die Fahrt war doch ziemlich anstrengend gewesen, und jetzt hatte sie eigentlich nur noch Lust, trotz der späten Stunde, ein Lavendelbad zu nehmen, sich wohlig darin zu räkeln, und dann würde sie ins Bett gehen, noch ein wenig an Jan denken, den sie so sehr vermisste, und dann würde sie hoffentlich einschlafen und schöne Träume haben.
Bettina ging die Treppe hinauf, schüttete etwas von dem köstlich duftendem Lavendelöl in das in die Wanne laufende Wasser, dann begann sie sich auszuziehen.
Als sie zufällig in den Spiegel sah, trat sie näher heran. Sie sah ganz schön abgespannt aus, und die kleinen Krähenfüßchen um die Augen herum waren ihr bislang überhaupt noch nicht aufgefallen.
Deswegen grämte sie sich aber nicht. Vermutlich würden die morgen, wenn sie ausgeschlafen war, wieder weg sein. Sie neigte dazu, beim Fahren in der Dunkelheit ihre Augen zusammenzukneifen, weil das Licht der entgegenkommenden Fahrzeuge sie blendete.
Und wenn nicht, wenn sie diese Fältchen auch morgen noch entdecken würde, dann würde sie sich damit abfinden. Irgendwann bekam jeder Falten. Sie würde auf keinen Fall damit anfangen, sie mit Botox unterspritzen zu lassen oder gar zu einem Schönheitschirurgen gehen. Niemals in ihrem Leben würde sie das tun, nicht einmal geschenkt. Dazu hatte sie zu abschreckende Beispiele in der Familie. Mona, die ›Beinahe-Exfrau‹ ihres Bruders Frieder war das reinste Ersatzteillager, und auch ihre Schwester Grit hatte reichlich an sich herumhantieren lassen, sie sah sich kaum noch ähnlich. Für Bettinas Begriffe war sie dadurch aber auf keinen Fall schöner geworden, sondern eines dieser Kunstgebilde geworden, die sich irgendwie alle glichen mit ihren kleinen Näschen, den aufgerissenen Augen und aufgeblasenen Lippen, durch die Bettina auf fatale Weise immer wieder an nach Luft schnappende Karpfen erinnert wurde.
Ach, Grit, was war nur aus ihr geworden …
Sie hatte schon einige