Gesammelte Werke. Henrik Ibsen
im Volksmund lauten; und Du selbst, Gunnar, trautest gestern dem Frieden noch so wenig, daß Du Egil, unsern Sohn, südwärts schicktest, sobald es hieß, Oernulf liege mit Heerschiffen in der Bucht.
Sigurd zu Gunnar. Du hast Deinen Sohn südwärts geschickt?
Hjördis. Jawohl – daß er geborgen wäre, wenn Oernulf uns überfallen sollte.
Oernulf. Darüber solltest Du nicht spotten, Hjördis! Was Gunnar getan, war klugen Mannes Tat, – falls Du die Aussöhnung hindern solltest.
Hjördis. Das Glück schaltet über das Leben – laß geschehen, was da will! Doch lieber untergehen, als das Leben fristen durch feigen Vergleich!
Dagny. Sigurd zahlt Buße und wird darum nicht angesehen als ein geringerer Mann.
Hjördis. Sigurd muß selbst am besten wissen, was sich mit seiner Ehre verträgt.
Sigurd. Daran braucht keiner mich zu mahnen.
Hjördis. Sigurd ist ein vielgepriesener Held; und doch vollbrachte Gunnar eine kühnere Tat, als er den Eisbären vor meiner Kammer tötete.
Gunnar mit einem verlegenen Blick auf Sigurd. Laß das, Hjördis!
Oernulf. Fürwahr! Es ist die kühnste Tat, die je ein Mann auf Island vollführte, und darum –
Sigurd. Und darum auch kann Gunnar sich leichter fügen, ohne feig genannt zu werden.
Hjördis. Wird Sühne gegeben, so wird auch Sühne gefordert – Gunnar, gedenke dessen, was Du mir einst gelobt!
Gunnar. Unbedacht war das Gelöbnis. Verlangst Du, daß ich es halte?
Hjördis. Gehalten muß es werden, wofern wir beide fortan noch unter einem Dache leben sollen. Wisse denn, Oernulf: willst Du Sühne für Deiner Pflegetochter Raub, so sollst auch Du büßen, weil Du Jökul, meinen Vater, getötet und all sein Hab und Gut genommen hast.
Oernulf. Jökul fiel in ehrlichem Zweikampf. Und böseren Schimpf tat Deine Sippe mir an, als sie Dich ungekannt mir nach Island schickte, damit ich Dich an Kindesstatt annähme.
Hjördis. Ehre und nicht Schimpf hattest Du davon, daß Du Jökuls Tochter erzogst.
Oernulf. Eitel Unfrieden hatt' ich davon.
Hjördis. Noch schlimmerer Unfriede kann Dir werden, wofern –
Oernulf. Ich kam nicht her, um mit Weibern zu zanken. Gunnar, vernimm mein letztes Wort! Bist Du willens, für den Weiberraub Buße zu zahlen?
Hjördis zu Gunnar. Denk an Dein Gelöbnis!
Gunnar zu Oernulf. Du hörst ja, ich tat ein Gelübde, und darum muß ich –
Oernulf erbittert. Schon gut! Niemand soll von mir sagen, ich hätte Blutgeld gezahlt für einen ehrlichen Kampf.
Hjördis mit mächtiger Stimme. So trotzen wir Dir und den Deinen!
Oernulf in steigendem Zorn. Und wer hat hier das Recht, Sühne zu fordern für Jökul? Wo sind seine Gesippen? – Keiner von ihnen ist am Leben. Wo ist sein rechtmäßiger Stellvertreter?
Hjördis. Das ist Gunnar an meiner Statt.
Oernulf. Gunnar! Ja, wärest Du ihm verbunden mit Deines Pflegevaters Einwilligung, oder hätte Gunnar für den Raub Buße gezahlt, so wäre er rechtmäßiger Stellvertreter; so aber –
Dagny bang und flehentlich. Vater! Vater!
Sigurd rasch. Sprich nicht zu Ende!
Oernulf mit erhobener Stimme. Ja, laut soll es gesagt werden! – Ein entführtes Weib hat gesetzlich keinen Gatten.
Gunnar heftig. Oernulf!
Hjördis in wilder Erregung. Verhöhnt! Beschimpft! Mit zitternder Stimme. Das – das sollst Du bereuen!
Oernulf fährt fort. Ein entführtes Weib ist vor dem Gesetz nicht mehr als eine Buhle! Willst Du Deinen ehrlichen Namen wiedergewinnen, so mußt Du –
Hjördis bezwingt sich. Nein, Oernulf! Was sich ziemt, das weiß ich besser. Bin ich Euch nur Gunnars Buhle – wohlan! so wasche er seine Ehre rein durch eine Tat, durch eine so große Tat, daß keine Schande mehr an meinem Lose haftet. Und nun hüte Dich, Oernulf! Hier trennen sich unsere Wege. Aber die Waffen laß ich führen gegen Dich und die Deinen – immer und überall. Gefährdet sollst Du sein an Leib und Leben und auch jedweder, der – – Mit einem durchdringenden Blick auf Kåre. Kåre! Nun wohl! Oernulf nahm sich Deiner Sache an, und es ist Friede zwischen uns; doch möcht' ich Dir nicht raten, fürs erste heimzukehren; manchen Rächer hat der Erschlagene, und es könnte leicht geschehen, daß – nun, ich habe Dich gewarnt; Du magst die Folgen tragen! – Komm, Gunnar! Wir müssen uns rüsten. Auf Island vollführtest Du eine kühne Tat; doch größere Tat mußt Du nun vollbringen, wofern nicht Deine – Deine Buhle sich Deiner schämen soll und ihrer selbst!
Gunnar. Sei besonnen, Hjördis! Unziemlich ist es, sich so zu gebärden!
Dagny bittend. Bleib, Hjördis! Ich will den Vater besänftigen.
Hjördis ohne auf sie zu hören. Fort, fort! – Nicht wurde mir an der Wiege geweissagt, daß ich als elende Buhle mein Leben fristen würde. Doch soll ich dieses Leben und diese Schmach ertragen, nur einen einzigen Tag länger ertragen, so muß mein Eheherr eine Tat vollbringen, eine Tat, die ihn berühmter macht als alle Männer!
Geht rechts ab.
Gunnar mit leiser Stimme. Sigurd, gelobe mir eines: wir sprechen uns, bevor Du aus dem Lande gehst!
Geht mit seinen Leuten rechts ab.
Während dieses Vorganges hat sich das Unwetter verzogen. Die Mittagssonne erscheint gleich einer roten Scheibe unten tief am Meeresrand.
Oernulf drohend. Dein Gebaren soll Dir teuer zu stehen kommen, Pflegetochter!
Dagny. Vater, Vater! Du führst doch nichts Böses im Schilde?
Oernulf. Laß mich! – Jetzt, Sigurd, jetzt handelt es sich um mehr als Buße zwischen mir und Gunnar.
Sigurd. Was gedenkst Du zu tun?
Oernulf. Noch weiß ich es nicht. Doch weithin soll man davon sprechen, daß Oernulf von den Fjorden Gunnar heimgesucht hat.
Sigurd fest und ruhig. Nun gut. Das aber sag' ich Dir, Oernulf: das Schwert gegen ihn schwingen sollst Du nicht, solang' ich atme.
Oernulf. Nicht? – Und wenn ich nun will?
Sigurd. Es wird nicht geschehen – und wenn Du auch wolltest.
Oernulf heftig. Gut! Halt Du nur zusammen mit meinen Feinden! Ich erkühne mich, wider Euch alle zu stehen.
Sigurd. Höre mich, Oernulf! Den Tag sollst Du nicht erleben, da wir zwei die Schwerter kreuzen. In Ehren haben wir uns ausgesöhnt; Dagny ist mir werter denn Waffen und Gold, und nie werd' ich vergessen, daß Du ihr nächster Blutsverwandter bist.
Oernulf. Das hab' ich von Dir erwartet, Held Sigurd!
Sigurd. Doch Gunnar ist mein Waffenbruder; Fried' und Freundschaft haben wir uns zugeschworen. Im Streit wie im Frieden haben wir zusammen das Glück gesucht, und er ist mir der teuerste von allen Männern. Nicht nach Kriegsfahrten steht ihm der Sinn, so kühn Gunnar auch ist. Nun, und mich kennt Ihr ja alle. Ihr wißt, daß mich die Gefahr nicht schreckt. Doch hier steh' ich, Oernulf, und bitte um friedlichen Austrag für Gunnar. Sei mir zu Willen in dieser Sache!
Oernulf. Das kann ich nicht. Ich würde zum Spott aller Helden, kehrt' ich mit leeren Händen heim nach Island!
Sigurd. Nicht mit leeren Händen sollst Du von hinnen ziehen. Hier im Hafen liegen meine beiden Heerschiffe mit allem Gut, das ich auf meinen Wikingsfahrten gewonnen. Da findest Du viel köstliche Königsgaben, Kisten mit guten Waffen und von fahrender Habe manch anderes feines Stück. Nimm eines von den Schiffen, nimm das reichste – es soll Dein sein mit allem, was sich an Bord findet; sieh es an als Buße für Hjördis und laß Gunnar in Frieden fahren!