Gesammelte Werke. Henrik Ibsen

Gesammelte Werke - Henrik Ibsen


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er zuweilen unmännlich. Laut. Nur wenig Leute hatt' ich auf dem Hof, und keiner von uns konnte des Lebens sicher sein, als es hieß, Oernulf sei mit einem Heerschiff gelandet.

      Hjördis. Ich kenn' etwas, das noch höher steht als das Leben.

      Thorolf. Und das wäre?

      Hjördis. Unsere Ehre und unser Ruf vor der Welt.

      Gunnar. Hjördis!

      Sigurd. Nimmer soll es von Gunnar heißen, er habe durch solche Tat seine Ehre verwirkt.

      Gunnar streng. Vergebliches Bemühn, mich wider Oernulfs Sippe aufzureizen!

      Hjördis lächelnd. Hm, sag' mir, Sigurd, – kann Dein Schiff mit allen Winden segeln?

      Sigurd. Ja, wenn es klug gesteuert wird.

      Hjördis. Gut; auch ich will mein Schiff mit Klugheit steuern und hoffe, ans Ziel zu kommen. Geht nach dem Hintergrund.

      Dagny leise und unruhig. Sigurd, laß uns fort – noch heut abend!

      Sigurd. Jetzt ist's zu spät; Du selbst hast –

      Dagny. Da hatt' ich Hjördis noch lieb; aber jetzt – ich hab' Worte von ihr vernommen – daß mich schaudert, denk' ich daran.

      Sigurds Mannen mit andern Gästen. Männer und Weiber, Knechte und Mägde im Hintergrund.

      Gunnar nach einer kleinen Pause, die mit gegenseitigen Begrüßungen usw. ausgefüllt wird. Nun zu Tisch! Mein vornehmster Gast, Oernulf von den Fjorden, kommt später. Thorolf hat es mir zugesagt.

      Hjördis zum Hausgesinde. Reicht Bier und Met herum! Dann löst sich die Zunge und der Sinn wird fröhlich.

      Gunnar führt Sigurd zu dem Hochsitz rechts. Dagny setzt sich Sigurd zur Rechten, Hjördis sitzt ihm gerade gegenüber auf der andern Seite desselben Tisches. Thorolf erhält Platz am andern Tische und sitzt also Gunnar gegenüber, der sich auf dem hohen Hochsitze niederläßt. Die übrigen nehmen gegen den Hintergrund zu Platz.

      Hjördis nach einer kurzen Pause, während der man einander zugetrunken und leise über den Tisch geplaudert hat. Selten findet man so viel kühne Männer beisammen, wie heut abend hier in der Halle. Schicklich also wär's, den alten Brauch zu üben, daß jeder seine Taten nenne! Dann können alle entscheiden, wer der kühnste ist.

      Gunnar. Der Brauch ist gefährlich beim Trinkgelage. Unfrieden führt er zumeist herauf.

      Hjördis. Ich dachte nicht, daß Gunnar furchtsam sei.

      Sigurd. Das denkt gewiß niemand. Aber spät würden wir fertig, wollte jeder von uns seine Taten nennen; so zahlreich sind wir. Erzähl' uns lieber von Deiner Fahrt nach Bjarmeland, Gunnar! So weit nordwärts gefahren zu sein, das ist eine vollwertige Tat, und gern hören wir Dir zu.

      Hjördis. Die Fahrt nach Bjarmeland ist Fährmannswerk und verdient nicht, vor Helden genannt zu werden. Nein, Sigurd – beginne Du! Wenn ich nicht glauben soll, daß Du meinen Eheherrn nur ungern preisen hörst, so beginne! Nenne von Deinen Taten die, so Du am höchsten schätzest!

      Sigurd. Da Du mich zwingst, so sei es! Dies meine Tat: Als ich auf einer Wikingsfahrt unter Orknö lag, da kamen uns Feinde entgegen; wir aber enterten die Schiffe, und ich stritt allein gegen acht Mann.

      Hjördis. Die Tat war gut. Aber warst Du in ganzer Rüstung?

      Sigurd. In ganzer Rüstung – mit Axt, Speer und Schild.

      Hjördis. Die Tat war gleichwohl gut. Und nun, mein Eheherr, künde Du die rühmlichste Deiner Taten!

      Gunnar unwillig. Ich erschlug zwei Berserker, die ein Handelsschiff geraubt hatten, sandte die gefangnen Fährleute in ihre Heimat zurück und gab das Schiff frei ohne Lösegeld. Englands König nannte diese Tat wacker, sagte, ich hätte rühmlich gehandelt, und sandte mir Dank und gute Gaben.

      Hjördis. Wahrlich, Gunnar, eine bessere Tat hättest Du namhaft machen können!

      Gunnar heftig. Keiner andern weiß ich mich zu rühmen! Seit ich von Island fuhr, hab' ich in Frieden gelebt und mich an Seefahrten erfreut. – Nichts mehr davon!

      Hjördis. Wenn Du selbst Deinen Ruhm verdunkelst, so muß Dein Eheweib sprechen.

      Gunnar. Hjördis, schweig – ich befahl' es!

      Hjördis fährt fort. Sigurd stritt gegen acht Mann und war in voller Rüstung. Gunnar ging bei finstrer Nacht in mein Gemach, erschlug den Bären, der die Stärke von zwanzig Männern hatte, und trug doch nur in der Hand ein kurzes Schwert!

      Gunnar in heftiger Erregung. Weib, kein Wort mehr!

      Dagny leise. Sigurd, wirst Du dulden –

      Sigurd ebenso. Schweig!

      Hjördis zu den übrigen. Und nun, Ihr wackeren Männer, wer ist der kühnere: Sigurd oder Gunnar?

      Gunnar. Schweig!

      Hjördis mit erhobener Stimme. Sagt an! Mit Fug heischt man es von Euch!

      Ein alter Mann unter den Gästen. Soll die Wahrheit gesagt werden: Gunnars Tat ist herrlicher denn alles, was je ein Mann vollbracht hat. Gunnar ist der kühnste Held, und nächst ihm Sigurd!

      Gunnar, indem er über den Tisch hinblickt. Sigurd, Sigurd! Wenn Du wüßtest –

      Dagny leise. Das ist zu viel – selbst für einen Freund!

      Sigurd ebenso. Schweig, Dagny! Laut zu den übrigen. Sicherlich ist Gunnar der edelste der Helden; und dafür würde ich ihn halten bis an meinen letzten Tag, auch wenn er jene Tat nicht vollführt hätte; denn ich achte sie minder hoch als Ihr.

      Hjördis. Das sprichst der Neid aus Dir, Wiking Sigurd!

      Sigurd lächelnd. Wie Du Dich irrest! Freundlich zu Gunnar, indem er ihm über den Tisch zutrinkt. Heil Dir, edler Gunnar! Fest soll unsere Freundschaft bestehen, versucht man gleich sie zu erschüttern.

      Hjördis. Das versucht niemand, soviel ich weiß.

      Sigurd. Sag' das nicht! Fast möcht' ich glauben, Du ludest uns zum Trinkgelage, um Unfrieden zu stiften.

      Hjördis. Das gleicht Dir, Sigurd! Du bist böse, weil Du unter den Zechgenossen hier nicht als der Erste giltst.

      Sigurd. Allzeit hab' ich Gunnar höher geschätzt als mich selbst.

      Hjördis. Nun, – der Platz hinter Gunnar ist ja auch gut, und – mit einem Seitenblick auf Thorolf – wär' Oernulf hier, so war' ihm die dritte Stelle geworden!

      Thorolf. Dann hätte Jökul, Dein Vater, ganz unten an der Tafel sitzen müssen; denn er mußte Oernulf weichen.

      Der folgende Wortwechsel wird von beiden Seiten mit wachsender, doch verhaltener Leidenschaftlichkeit geführt.

      Hjördis. Das solltest Du nicht sagen. Oernulf ist ja Skalde; und es geht das Gerede, daß er sich größerer Taten gerühmt hat, als er vollbrachte.

      Thorolf. Dann wehe dem, der dieses Gerede so laut wiederholt, daß es mir zu Ohren dringt.

      Hjördis mit herausforderndem Lächeln. Wolltest Du es rächen?

      Thorolf. Ja, und auf eine Art, daß es weithin ruchbar würde!

      Hjördis. So will ich mein Horn darauf leeren, daß Dir zuvor ein Bart ums Kinn sprosse!

      Thorolf. Selbst ein bartloser Gesell ist zu gut dazu, mit Weibern zu zanken.

      Hjördis. Doch zu weichlich, um mit Männern zu kämpfen. Deshalb ließ Dein Vater Dich zu Haus auf Island so lang hinter dem Ofen, während Deine Brüder ins Feld zogen.

      Thorolf. Schlimm war's, daß sein Auge nicht ebenso gut über Dich wachte; nie hättest Du dann als entführtes Weib Island verlassen können!

      Sigurd und Gunnar. Thorolf!

      Dagny zu gleicher Zeit. Bruder!

      Hjördis leise und zitternd vor Aufregung. Ha, warte


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