Gesammelte Werke. Henrik Ibsen
Worte!
Oernulf zu Gunnar. Sein Anschlag kam mir zu Ohren. Die Untat durfte nicht geschehen. Ich wollte nicht Genugtuung geben für Jökul und hätte Dich selbst im Zweikampf getötet, wenn es hätte sein müssen – aber Dein Geschlecht wollt' ich schirmen. So zog ich mit meinen Söhnen Kåre nach.
Sigurd leise. Eine unselige Tat ward hier begangen!
Oernulf. Wie ich zur Stelle kam, lagen Egils Begleiter gebunden, Dein Sohn war schon in der Feinde Gewalt, und nicht lange mehr würden sie ihn geschont haben. Da gab es einen heißen Kampf! Nicht oft hab' ich schärfere Schwerthiebe getauscht. Kåre und zwei Männer flohen landeinwärts. Die andern schlafen fest, – schwer werden sie zu wecken sein.
Gunnar in großer Spannung. Doch Du – Du, Oernulf?
Oernulf finster. Sechs Söhne folgten mir in den Kampf –
Gunnar atemlos. Und heimwärts?
Oernulf. Keiner.
Gunnar entsetzt. Keiner! Leise. Und Thorolf, Thorolf!
Tiefe Bewegung in der Menge. Hjördis scheint einen schweren innern Kampf zu kämpfen. Dagny weint leise auf dem Hochsitz zur rechten. Sigurd steht schmerzlich bewegt hinter ihr.
Oernulf nach einer kleinen Pause. Gleich einer üppigen Tanne dazustehen und durch ein einziges Unwetter dann aller Zweige beraubt zu werden – das ist hart. Doch neue Menschen kommen wieder – reicht mir ein Horn – ich will meiner Söhne Gedächtnis trinken! Einer von Sigurds Leuten bringt ein Horn. Heil Euch, die Ihr nun einreitet in Walhall, meine tapfern Söhne! Die ehernen Tore werden nicht hinter Euren Fersen zuschlagen, denn Ihr kommt mit großem Gefolge! – Trinkt und gibt das Horn weiter. Und nun heimwärts nach Island! Oernulfs Heerfahrt ist zu Ende! Der alte Baum hat nur noch einen grünen Zweig, und der muß behütet werden. Wo ist Thorolf?
Egil zu seinem Vater. Ja, bring mich zu Thorolf! Oernulf sagte, Thorolf wird mir ein Schiff schnitzen mit vielen, vielen Helden an Bord.
Oernulf. Preisen muß ich alle guten Mächte, daß Thorolf nicht mitgezogen in den Kampf. Wär' auch er – so stark ich bin, das hätt' ich nicht überstanden! Doch wo bleibt er? Immer war er der erste, seinen Vater zu begrüßen! Glaubten wir beide doch keinen Tag ohne einander leben zu können.
Gunnar. Oernulf, Oernulf!
Oernulf mit steigender Unruhe. So stumm steht Ihr alle da! Erst jetzt seh' ich es. Was ist geschehen? Wo ist Thorolf?
Dagny. Sigurd, Sigurd – das übersteht er nicht!
Gunnar mit sich kämpfend. Greis! – Nein! – Und doch, es läßt sich nicht verheimlichen –!
Oernulf heftig. Mein Sohn! Wo ist er?
Gunnar. Thorolf ist erschlage
Oernulf. Erschlagen! Thorolf? Thorolf? – Das lügst Du!
Gunnar. Mein Herzblut gäb' ich hin, wüßt' ich ihn am Leben!
Hjördis. Thorolf selbst ist Schuld an dem, was geschah. In dunkler Rede gab er zu verstehen, daß Du Egil überfallen und getötet habest. Halb im Unfrieden sind wir geschieden. Du hast schon einmal Männer meines Stammes erschlagen – und außerdem – ein frechmäuliger Bursch, saß Thorolf am Tisch, und er stieß viel böse Worte aus. Da erst kam über Gunnar der Zorn; da erst erhob er die Waffe gegen Deinen Sohn. Er hatte triftigen Grund zur Tat, sollt' ich meinen.
Oernulf ruhig. Man merkt, daß Du ein Weib: denn Du brauchst viel Worte. Wozu das? – Ist Thorolf tot, so ist sein Lied zu Ende.
Egil. Wenn Thorolf tot ist, so bekomm' ich keine Helden.
Oernulf. Ja, Egil, wir beide haben unsere Helden verloren. Zu Hjördis. Dein Vater sang:
»Jökuls Sproß wird Jökuls Mörder
Weh bereiten allerwegen.« –
Gut hast Du dafür gesorgt, daß sein Wort Wahrheit werde. Er schweigt einen Augenblick und wendet sich dann zu einem der Männer. Wo empfing er den Todesstreich? DER MANN. Quer über der Stirn.
Oernulf befriedigt. Hm, eine rühmliche Stelle! So hat er nicht den Rücken gewandt. Doch – fiel er seitwärts nieder oder vor Gunnars Füße?
Der Mann. Halb auf die Seite, halb vor Gunnars Füße.
Oernulf. Das kündet nur halbe Rache. Ja, ja – wir werden sehen!
Gunnar nähert sich. Oernulf! Ich weiß, daß all mein Hab und Gut den Verlust nicht aufwiegen kann. Doch fordere von mir, was Du willst –
Oernulf streng abbrechend. Gib mir Thorolfs Leichnam und laß mich ziehen! Wo liegt er? Gunnar deutet stumm nach dem Hintergrund.
Oernulf geht ein paar Schritte, dann aber wendet er sich um und spricht mit Donnerstimme zu Sigurd, Dagny und mehreren, die ihm teilnehmend folgen wollen: Bleibt! – Glaubt Ihr, Oernulf brauche ein Trauergeleit wie ein wehklagend Weib? – Bleibt, sag' ich! Den Thorolf trag' ich ganz allein. Ruhig-kraftvoll. Ohne Söhne geh' ich von dannen, doch keiner soll sagen, daß er gebeugt mich sah!
Er geht langsam hinaus.
Hjördis mit gezwungenem Lachen. Laßt ihn gehen, wenn er will! Zahlreich brauchen wir nicht zu sein, sollt' er im Unfrieden wiederkehren. Nun, Dagny, denk' ich, ist es wohl das letzte Mal, daß zu solchem Handel Dein Vater von Island zog.
Sigurd aufgebracht. Schändlich!
Dagny ebenso. Du kannst ihn noch verhöhnen – verhöhnen nach dem, was geschah!?
Hjördis. Ist die Tat getan, so soll sie auch gerühmt werden! Haß und Rache schwur ich Oernulf diesen Morgen. Jökuls Ermordung könnt' ich vergessen, alles – nur das nicht, daß Oernulf mein Geschick schmähte. Eine Buhle nannt' er mich. Bin ich's, so hab' ich mich dessen nicht zu schämen: denn Gunnar ist jetzt mächtiger als Dein Vater. Er ist herrlicher und berühmter als Sigurd, Dein eigner Gatte!
Dagny in heftiger Erregung. Da irrst Du, Hjördis – und gleich jetzt sollen alle es wissen, daß Du unter dem Dach eines Feiglings wohnst!
Sigurd heftig. Dagny, was tust Du!
Gunnar. Feigling?
Hjördis mit Hohnlachen. Du sprichst im Wahnwitz!
Dagny fährt fort. Nicht länger soll es verschwiegen werden. Ich blieb still, als Du meinen Vater und meine gefallenen Brüder verhöhntest; blieb still, solange Oernulf zugegen war – denn er sollte nicht hören, daß Thorolf von eines Buben Hand gefallen. Nun aber – nun rühme Du Gunnar nimmermehr um jene Tat auf Island, denn Gunnar ist feige! Das Schwert, das blank und bloß zwischen Dir und dem Entführer lag, das hängt an meines Gatten Seite – und der Ring, den Du vom Arm Dir zogst, – gegeben hast Du ihn Sigurd! Sie zieht den Ring ab und hält ihn hoch empor. Da ist er!
Hjördis wild. Sigurd!
Die Menge. Sigurd! Sigurd vollbrachte die Tat!
Hjördis bebend vor innerer Erregung. Er, Er!– Gunnar, ist es wahr?
Gunnar mit edler Ruhe. Alles ist wahr! Nur das nicht, daß ich feige bin; – ich bin weder ein Feigling, noch ein Bube!
Sigurd bewegt zu Gunnar. Das bist Du nicht, und bist es nie gewesen! Zu den übrigen. Auf, meine Mannen, fort von hier!
Dagny im Abgehen zu Hjördis. Wer ist der erste Mann hier in der Halle – mein Eheherr oder Deiner?
Ab mit Sigurd und seinem Gefolge.
Hjördis für sich. Jetzt hab' ich eine Tat noch zu vollbringen, nur auf eine Tat noch zu sinnen: Sigurd muß sterben – oder ich!
Dritter Akt
Hjördis sitzt auf einer Bank, dem kleineren Hochsitze gegenüber, und flicht eine Bogensehne; auf