Gesammelte Werke. Henrik Ibsen
scharf und wuchtig – Läßt die Hände in den Schoß sinken. Doch wo findet sich die Hand, die – Heftig. Verhöhnt, verhöhnt von ihm – von Sigurd! Ihn muß ich mehr hassen als alle andern, das fühl' ich wohl. Aber nur wenig Tage noch, dann hab' ich – Grübelnd. Doch der Arm, der Arm, der die Tat vollbringt –? Gunnar kommt schweigsam und nachdenklich.
Hjördis nach kurzer Pause. Wie geht Dir's, mein Gemahl?
Gunnar. Schlecht, Hjördis! Was gestern geschah, will nicht weichen, – schwer lastet es mir auf dem Herzen.
Hjördis, Tu wie ich: mache Dir etwas zu schaffen!
Gunnar. Ich muß wohl. Pause. Gunnar macht einige Schritte, wird aufmerksam und nähert sich Hjördis.
Gunnar. Was machst Du da?
Hjördis ohne aufzublicken. Ich flechte eine Bogensehne, wie Du siehst.
Gunnar. Eine Bogensehne – aus Deinem eignen Haar!
Hjördis lächelnd. In jeder Stunde wird jetzt eine große Tat geboren! Du erschlugst meinen Pflegebruder – und ich flechte an diesem Strang seit Tagesgrauen.
Gunnar. Hjördis! Hjördis!
Hjördis blickt auf. Was soll ich?
Gunnar. Wo warst Du diese Nacht?
Hjördis. Diese Nacht?
Gunnar. Du warst nicht im Schlafgemach.
Hjördis. Das weißt Du?
Gunnar. Ich konnte nicht schlafen. Unruhige Träume schuf mir das – was mit Thorolf geschehen; es war mir, als ob er erschiene – genug, ich wachte. Da ertönte ein wunderbar lieblicher Gesang durchs Haus; ich stand auf, schlich durch die Tür herein: Du saßest hier am Reisigfeuer – es brannte blau und rot – schäftetest Pfeile und sangst Zaubersprüche darüber.
Hjördis. Es war nötig. Denn hart ist die Brust, die heute getroffen werden soll.
Gunnar. Ich verstehe Dich – Du willst Sigurds Fall.
Hjördis. Hm, vielleicht!
Gunnar. Das soll Dir nie gelingen! Mit Sigurd halt' ich Frieden, so sehr Du mich auch aufreizest.
Hjördis lächelnd. Meinst Du?
Gunnar. Das steht fest bei mir.
Hjördis reicht ihm die Sehne. Sag', Gunnar, kannst Du diesen Knoten lösen?
Gunnar versucht es. Nein, er ist zu fest und zu künstlich geschlungen.
Hjördis erhebt sich. Der Norne Gespinst ist noch künstlicher geschlungen; das kannst Du noch weniger lösen.
Gunnar. Die Wege der Gewaltigen sind wirr – und unbekannt Dir wie mir.
Hjördis. Eins aber weiß ich bestimmt: uns beiden wird Sigurd noch ein unselig Los bereiten.
Pause. Gunnar steht in sich versunken.
Hjördis, die ihn im stillen beobachtet hat. Woran denkst Du?
Gunnar. An einen Traum, den ich jüngst hatte. Mir war's, als hätt' ich die Tat vollbracht, die Du begehrst: Sigurd lag erschlagen auf dem Felde – Du standest daneben totenbleich. Da sagte ich: »Freust Du Dich nun, daß Dein Wunsch erfüllt ist?« – Du aber lachtest und antwortetest: »Mehr noch würd' ich mich freuen, lägest Du, Gunnar, an Sigurds Stelle.«
Hjördis mit erzwungnem Lachen. Schlecht kennst Du mich, wenn ein so törichter Traum Dich zu beirren vermag.
Gunnar. Sag' an, Hjördis, wie gefällt Dir diese Halle?
Hjördis. Die Wahrheit, Gunnar: mitunter dünkt sie mich zu eng.
Gunnar. Ja, ja, ich dacht' es mir: wir sind um Einen zuviel.
Hjördis. Vielleicht auch um zwei.
Gunnar, der ihre Äußerung nicht gehört hat. Doch dem soll abgeholfen werden!
Hjördis sieht ihn fragend an. Abgeholfen werden? – So hast Du vor –?
Gunnar. Meine Schiffe zu rüsten und das Land zu verlassen. Ich will die Ehre zurückgewinnen, die ich verloren, weil ich Dich über alles liebte.
Hjördis gedankenvoll. Du willst das Land verlassen? – Ja, das wird wohl das Beste sein für uns beide.
Gunnar. Schon als wir von Island aufbrachen, sah ich voraus, daß es nicht gut mit uns enden würde. Dein Sinn ist stolz und stark; es gibt Zeiten, da ich fast Furcht vor Dir habe, doch – seltsam – gerade darum hab' ich Dich so lieb, ein zaubrisches Grauen umgibt Dich, – mir ist, als könntest Du mich zu Freveltaten verlocken, und für wohlgetan würd' ich halten, was immer Du begehrtest. Mit leisem Kopfschütteln. Unergründlich ist der Norne Walten. Sigurd hätte Dein Gatte werden sollen.
Hjördis schreit auf. Sigurd?
Gunnar. Ja, Sigurd. Haß und Rachsucht verblenden Dich, sonst würdest Du ihn höher schätzen. Wie Sigurd hätt' ich sein müssen: dann hätt' ich Dein Leben Dir fröhlich gestaltet.
Hjördis in starker, doch unterdrückter Erregung. Und das – das, meinst Du, hätte Sigurd gekonnt?
Gunnar. Er ist starkherzig und dabei stolz wie Du.
Hjördis heftig. Wenn dem so ist – Faßt sich. Gleichviel, gleichviel! Mit hervorbrechender Leidenschaft. Gunnar, gib Sigurd den Tod!
Gunnar. Nimmermehr!
Hjördis. Durch List und Lüge ward ich Dein Eheweib – es soll vergessen sein! Fünf freudlose Jahre hab' ich hier verbracht – das alles soll vergessen sein, von dem Tag an, da Sigurd nicht mehr lebt!
Gunnar. Von meiner Hand soll ihm kein Leid geschehen! Weicht unwillkürlich zurück. Hjördis, Hjördis! Versuche mich nicht.
Hjördis. So muß ich einen ändern Rächer ausfindig machen. Nicht länger soll Sigurd Worte des Hohns sprechen über Dich und mich. Ballt die Hände in krampfhafter Erbitterung. Bei ihr, dem einfältigen Weibe – bei ihr sitzt er jetzt vielleicht, kosend, und lacht über uns; er spricht von all der Schmach, die ich erduldet, da er mich raubte an Deiner Statt, erzählt ihr, wie er listig lachte, als er in der dunklen Kammer stand und ich ihn nicht erkannte!
Gunnar. Das tut er nicht, – gewiß nicht!
Hjördis. Sigurd und Dagny müssen sterben! Ich kann nicht atmen, solang' die beiden nicht tot sind. Sie tritt mit funkelnden Augen dicht vor Gunnar hin und sagt leidenschaftlich, aber flüsternd:
Könntest Du mir dazu verhelfen, Gunnar – dann könnt' ich in Liebe mit Dir leben, dann könnt' ich Dich in meine Arme schließen so heiß und so heftig, wie Du nie es geträumt hast!
Gunnar schwankend. Hjördis, Du wolltest –
Hjördis. Ans Werk, Gunnar – dann sollen die schweren Tage vorbei sein! Nicht mehr werd' ich aus der Stube gehen, wenn Du kommst, nicht unfreundliche Reden mehr führen oder Dein Lächeln lahmen, wenn Du froh bist. Pelz und kostbare Seidenkleider will ich tragen; ziehst Du in den Krieg – ich folge Dir; reitest Du zu friedlichem Tun – ich reite Dir zur Seite! Beim Festgelag werd' ich neben Dir sitzen, Dein Horn füllen, Dir zutrinken und süße Weisen singen, die Dein Herz erfreuen.
Gunnar halb und halb überwunden. Ist es wahr? – Du wolltest –?
Hjördis. Mehr als das, zehnfach mehr! Glaube mir. Nur Rache! Rache an Sigurd und Dagny, und ich will – Hält inne, da die Tür sich öffnet. Dagny! Du hier?
Dagny aus dem Hintergrunde.
Dagny. Schnell, schnell, Gunnar – Deine Mannen sollen rüsten!
Gunnar. Rüsten? Gegen wen?
Dagny. Der Bauer Kåre zieht heran mit vielen Geächteten – Böses führt er im Schilde. Eben zwar tritt ihm Sigurd in den Weg – aber man kann nicht wissen –
Gunnar gerührt. Das hat Sigurd für mich getan!
Dagny. Sigurd ist Dir