Gesammelte Werke. Henrik Ibsen

Gesammelte Werke - Henrik Ibsen


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mit leichtem Lächeln. Nicht für Gunnar, doch wider Dich!

      Sigurd. Das kommt wohl auf eins heraus.

      Hjördis. Mag sein; denn bin ich der Norne gewachsen, so sollst Du und Gunnar früher oder später – Hält inne, lehnt sich mit dem Rücken gegen den Tisch, sieht lächelnd Sigurd an und sagt mit verändertem Ton: Hm – weißt Du, wie mir zuweilen ist? – Oft macht es mir Freude, in meinen Gedanken mir lustige Bilder auszumalen. Dann sitz' ich da und schließe die Augen und denke: Nun kommt Sigurd der Starke ins Land! Mord und Brand will er üben – an mir und meinem Gatten. Alle Mannen Gunnars sind gefallen, nur er und ich sind übrig. Schon legen von draußen sie Feuer ans Dach – »Ein Bogenschuß«, ruft Gunnar, »ein einziger, kann uns erretten« – – da reißt der Strang. »Hjördis, schneide von Deinem Haar eine Flechte und mach' eine Bogensehne draus – es gilt das Leben!« Aber ich lache – »Laß brennen, laß brennen! Das Leben ist mir keine Handvoll Haare wert.«

      Sigurd. Eine seltsame Macht liegt in Deiner Rede!

      Hjördis sieht ihn kalt an. Du setzest Dich zu mir?

      Sigurd. Du meinst, ich sei Dir im Herzen gram – Hjördis, wir sprechen uns zum letzten Mal! Ein Etwas nagt an mir wie eine Krankheit und läßt mich nicht von hinnen ziehen. Du mußt mich besser kennen lernen!

      Hjördis. Was willst Du?

      Sigurd. Dir eine Saga erzählen.

      Hjördis. Ist sie traurig?

      Sigurd. Traurig, wie das Leben selbst.

      Hjördis bitter. Als ob Du wüßtest, daß das Leben traurig sein kann!

      Sigurd. Urteile, wenn meine Saga zu Ende ist!

      Hjördis. So erzähle; ich arbeite indessen. Er setzt sich auf ein Bänkchen zu ihrer rechten Seite.

      Sigurd. Es waren einmal zwei junge Krieger, die von Norwegen zogen, um Schätze und Ruhm zu gewinnen; sie hatten einander Freundschaft geschworen und hielten ehrlich zusammen auf allen ihren weiten Fahrten.

      Hjördis. Und die zwei jungen Krieger hießen Sigurd und Gunnar?

      Sigurd. Ja, wir können sie so nennen. Zuguterletzt kamen sie nach Island: dort hauste ein alter Landsasse, der von Norwegen gefahren zu König Haralds Zeiten. Er hatte zwei holde Jungfrauen im Haus; die eine aber, seine Pflegetochter, die war doch die herrlichste; denn sie war klug und war stark von Gemüte, und die Krieger sprachen unter vier Augen von ihr, und keiner hatte je ein holderes Frauenbild gesehen – so schien es beiden.

      Hjördis gespannt. Beide? – Willst Du meiner spotten?

      Sigurd. Gunnar dachte an sie Tag und Nacht. Nicht anders Sigurd. Doch beide schwiegen; und sie ließ es nie erraten, ob ihr Gunnar gefiele; daß sie aber dem Sigurd nicht gut sei, das war leicht zu erkennen.

      Hjördis atemlos. Weiter – ich bitte Dich!

      Sigurd. Um so mehr mußte Sigurd an sie denken; doch keiner wußte darum. Da, eines Abends beim Trinkgelage geschah es, daß jene stolze Jungfrau schwur, nur der Mann sollte sie zu eigen haben, der die Heldentat vollbringe, die sie namhaft mache. Hoch schlug da Sigurd das Herz vor Wonne, denn er fühlte die Kraft in sich, die Tat zu vollbringen; doch Gunnar nahm ihn beiseite und gestand ihm seine Liebe – Sigurd verschwieg die seine, und so –

      Hjördis aufschreiend. Sigurd, Sigurd! Faßt sich. Und die Saga – ist sie wahr?

      Sigurd. Sie ist es. Einer von uns mußte ja weichen; Gunnar war mein Freund – ich konnte nicht anders handeln. So wardst Du Gunnars Gattin, und ich freite ein ander Weib.

      Hjördis. Und gewannst sie lieb?

      Sigurd. Ich lernte sie schätzen; aber es gibt nur ein Weib, das Sigurd geliebt hat, und das ist jenes Weib, das ihm gram war vom ersten Tag, da sie sich begegneten. Erhebt sich. Hier endet meine Saga. Leb' wohl, Gunnars Gattin, wir sehen uns niemals wieder!

      Hjördis springt auf. Nein, bleib! Weh uns beiden! Sigurd, was hast Du getan!

      Sigurd stutzt. Ich? – Was ist Dir?

      Hjördis. Und all das sagst Du mir jetzt! Doch nein, – es kann nicht die Wahrheit sein!

      Sigurd. Es ist das letzte Mal, daß wir uns sprechen. Jedes Wort ist Wahrheit! Du solltest lernen milder über mich zu urteilen – darum mußt' ich reden.

      Hjördis faltet unwillkürlich die Hände und sieht in stiller Bestürzung zu ihm empor. Geliebt – ich geliebt – von Dir! Heftig, indem sie dicht an ihn herantritt. Ich glaub' Dir nicht! Blickt ihn starr an; ausbrechend in wildem Schmerz: Ja, es ist wahr und – verderblich für uns beide! Sie bedeckt das Gesicht mit den Händen und wendet sich ab.

      Sigurd entsetzt. Hjördis!

      Hjördis leise, zwischen Lachen und Weinen kämpfend. Kehr' Dich nicht dran – Ich meinte nur – Sie legt die Hand auf seinen Arm. Sigurd, Deine Saga ist noch nicht zu Ende. – Jenes stolze Weib, von dem Du sprachst – sie hat Dich wieder geliebt!

      Sigurd fährt zurück. Du!

      Hjördis mit Fassung. Ja, Sigurd, ich habe Dich geliebt, das erkenn' ich jetzt. Du sagst, ich war wortkarg und unmild gegen Dich – was soll ein Weib Bessres tun? – Hätt' ich meine Liebe zur Schau getragen, ich wäre Deiner unwert gewesen! Du warst mir stets der herrlichste unter allen Männern, und Dich als den Gatten einer andern zu wissen, das schuf mir jenes bittre Weh, das ich selbst nicht begriff.

      Sigurd erschüttert. Ein unselig Gespinst hat die Norne um uns beide gesponnen.

      Hjördis. Du selbst bist schuld daran; stark und kühn soll der Mann handeln. Als ich jene schwere Bedingung stellte dem, der mich erringen wollte, dacht' ich nur an Dich – und dennoch konntest Du –

      Sigurd. Ich kannte Gunnars Seelenschmerz; ich allein könnt' ihn heilen; – welche Wahl blieb mir? Doch hätt' ich gewußt, was ich jetzt weiß – ich hätte nicht für mich einstehen können; denn eine gar gewaltige Macht ist die Liebe.

      Hjördis rasch. Nun wohl, Sigurd, ein unselig Spiel hat uns lange Jahre getrennt; jetzt ist der Knoten gelöst. Die kommenden Zeiten sollen uns Ersatz geben!

      Sigurd kopfschüttelnd. Unmöglich! Wir müssen uns wieder trennen.

      Hjördis. Das müssen wir nicht. Ich liebe Dich! Jetzt darf ich's gestehen, ohne zu erröten; denn meine Liebe ist nicht buhlerisch wie die weichlicher Weiber. Wär' ich ein Mann – bei allen Mächten! ich könnte Dich just so lieben, wie ich es jetzt tue. Auf denn, Sigurd! Das Glück ist einer großen Tat wert. Wir beide sind frei, wofern wir es sein wollen, und dann ist das Spiel gewonnen!

      Sigurd. Frei? Wie meinst Du das?

      Hjördis. Was ist Dagny Dir? Was kann sie Dir sein? Nicht mehr, als Gunnar mir in meinen geheimen Gedanken. Was liegt daran, ob zwei elende Leben verspielt sind!

      Sigurd. Hjördis, Hjördis!

      Hjördis. Laß Gunnar hier bleiben, laß Dagny mit ihrem Vater nach Island ziehen – ich folge Dir in Stahl und Panzer auf allen Deinen Fahrten! Sigurd ist bewegt. Nicht als Deine Gattin will ich Dir folgen; denn ich hab' einem andern angehört, und das Weib lebt, das ehedem an Deiner Seite weilte. Nein, Sigurd, nicht als Gattin – wie eines jener starken Weiber, wie eine von Hildes Schwestern will ich Dir folgen, Dich zu Kampf und Mannestaten anfeuern, daß Dein Name weit über alle Lande klinge; im Schwerterspiel will ich nicht von Deiner Seite weichen, im Unwetter und auf der Wikingsfahrt will ich ausharren unter Deinen Mannen; und wenn Dir einst das Totenlied gesungen wird, dann soll es künden von Sigurd und von Hjördis.

      Sigurd. Das war einst mein schönster Traum – jetzt ist es zu spät. Gunnar und Dagny stehen zwischen uns, und beide haben ein Recht auf diesen Platz. Um Gunnars willen gab ich meine junge Liebe hin – soll ich Seelenpein erdulden, so will ich wenigstens dies Opfer nicht umsonst gebracht haben. Und Dagny – treuherzig und vertrauensvoll, verließ sie Heimat und Sippe; nie darf sie ahnen, daß es Hjördis war, nach der ich mich sehnte in ihren Armen.

      Hjördis.


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