Gesammelte Werke. Henrik Ibsen
Nach Gunnars Hof.
Sigurd. Als Feinde?
Kåre. Das sollt' ich meinen! Jüngst hast Du mich daran gehindert; doch diesmal, denk' ich, wird es Dir recht sein!
Sigurd. Leicht möglich!
Kåre. Ich vernahm von Deinem Handel mit Gunnar; doch geht es, wie ich will, so wird Gunnar mit elenden Waffen zum Zweikampf kommen.
Sigurd. Du sinnst auf ein verwegen Werk. Hüte Dich, Bauer!
Kåre mit trotzigem Lachen. Laß mich gewähren! Willst Du Dein Schiff in dieser Nacht takeln, so werden wir Dir leuchten! – Kommt alle meine Mannen, – hier geht der Weg!
Sie gehen alle rechts im Hintergrund ab.
Dagny. Sigurd, Sigurd! Dies Unheil mußt Du verhüten!
Sigurd geht rasch zur Tür des Boothauses und ruft hinein: Auf vom Mahl, Oernulf. Nimm Rache an Kåre!
Oernulf kommt mit den andern. Der Bauer Kåre – wo ist er?
Sigurd. Er stürmt nach Gunnars Hof, zu Mord und Brand!
Oernulf. Haha! – Laß ihn gewähren! So werd' auch ich an Gunnar und Hjördis gerächt. Später dann will ich Kåre fahnden.
Sigurd. Ein zweckloser Anschlag! Kåre mußt Du diese Nacht noch fahnden, willst Du ihn fassen. Denn ist die Untat verübt, so zieht er in die Berge. Gunnar hab' ich zum Zweikampf entboten; er ist Dir sicher, wofern nicht ich selbst – doch gleichviel! Diese Nacht muß man ihn vor seinen Widersachern schützen. Schlimm war' es, wenn ein Bube wie Kåre mich um meine Rache brächte.
Oernulf. Du hast recht. Heut nacht will ich Thorolfs Mörder schirmen – doch morgen muß er fallen.
Sigurd. Er oder ich – darauf kannst Du bauen!
Oernulf zu den Knechten. So kommt denn, Oernulfs Stamm zu rächen! Er geht mit den Männern rechts im Hintergrund ab.
Sigurd. Folg' ihnen, Dagny! Ich muß bleiben; denn die Kunde vom Zweikampf wandert schon durchs Volk, und ich darf Gunnar nicht begegnen, eh' die Zeit gekommen ist. Aber Du – berate und leite Deinen Vater! Würdig soll er zu Werke gehen. Es sind viele Weiber auf Gunnars Hof; weder Hjördis noch den ändern darf Unbill widerfahren.
Dagny. Ich eile dem Vater nach. Nun denkst Du doch an Hjördis! Hab' Dank für die Gesinnung!
Sigurd. Geh jetzt!
Dagny. Ich gehe. Doch um Hjördis willen können wir unbesorgt sein; sie hat einen goldenen Panzer in ihrer Kammer und verteidigt sich wohl selbst.
Sigurd. Das denk' auch ich. Aber geh Du gleichwohl, – lenke Deines Vaters Tun, wache über alle und – über Gunnars Eheweib!
Dagny. Verlaß Dich auf mich! Auf frohes Wiedersehen! Sie folgt den andern.
Sigurd. Es ist das erste Mal, Waffenbruder, daß ich ungerüstet bleibe, während Du in Gefahr schwebst. Lauscht. Geschrei und Schwerthiebe! Sie sind schon auf dem Hofe – Will rechts hinüber, bleibt aber stehen und weicht dann überrascht zurück. Hjördis – hier?
Hjördis. Sie trägt ein rotes Scharlachgewand mit goldenem Waffenschmuck, Helm, Panzer, Arm- und Beinschienen. Ihr Haar flattert frei. Auf dem Rücken trägt sie einen Köcher und am Gürtel einen kleinen Schild. In der Hand hat sie den Bogen mit der härenen Sehne.
Hjördis eilig, indem sie zurücksieht, als ob sie sich vor einem Verfolger ängstige; sie tritt dicht an Sigurd heran, faßt ihn am Arm und sagt flüsternd: Sigurd, Sigurd, siehst Du ihn?
Sigurd. Wen? Wo?
Hjördis. Den Wolf dort, gleich dort! Er rührt sich nicht, er starrt mich an mit roten, glühenden Augen! – Das ist mein Todesbote, Sigurd! Dreimal ist er mir erschienen: das bedeutet, daß ich sicher in dieser Nacht noch sterben werde.
Sigurd. Hjördis, Hjördis!
Hjördis. Eben dort versank er in die Erde. Ja, ja, – nun hat er mich gewarnt!
Sigurd. Du bist krank, Hjördis. Komm ins Haus.
Hjördis. Nein, – hier will ich warten! Meine Zeit ist kurz.
Sigurd. Was ist Dir widerfahren?
Hjördis. Was mir widerfahren ist? Ich weiß es nicht! Aber als Du heute sagtest, Gunnar und Dagny stünden zwischen uns, da hast Du wahr gesprochen. Fort von ihnen und aus dem Leben müssen wir – dann können wir zusammenbleiben!
Sigurd. Wir? Ha, Du meinst –
Hjördis hoheitsvoll. Ich ward heimatlos in der Welt von dem Tag an, da Du eine andere zum Weibe nahmst. Ein Unrecht hast Du damals begangen! Alle guten Gaben kann der Mann seinem treuerprobten Freunde geben – alles, nur nicht das Weib, das er liebt! Denn tut er das, so zerreißt er das heimliche Gespinst der Norne, und zwei Leben sind verspielt. Eine untrügliche Stimme in mir sagt, daß ich geschaffen ward, damit mein starker Sinn Dich erhebe und trage in schweren Zeiten, und daß Du geboren wardst, damit ich in einem Manne alles fände, was ich für groß und herrlich halte. Denn das weiß ich, Sigurd, hätten wir zwei zusammengehalten – Du wärest der Berühmteste und ich wäre die Glücklichste unter den Menschen geworden.
Sigurd. Die Klage kommt zu spät. Glaubst Du, das Leben, das meiner wartet, sei heiter? Tag für Tag um Dagny zu sein und eine Liebe zu heucheln, die mir das Herz beklemmt? Und doch muß es sein; es läßt sich nicht ändern.
Hjördis mit wachsender Leidenschaft. O doch! Laß uns beide aus dem Leben gehen! Siehst Du diese Bogensehne? Mit ihr treff' ich sicher: denn herrliche Zaubersprüche hab' ich darüber gesungen. Sie nimmt einen Pfeil aus dem Köcher.Horch, horch, wie es hoch in den Lüften saust! Das ist die Heimfahrt der Toten. Ich habe sie herbeschworen – in ihrem Zuge wollen wir folgen!
Sigurd weicht zurück. Hjördis, Hjördis, – Du machst mir Grauen!
Hjördis ohne auf ihn zu achten. Keine Macht mehr wendet unser Geschick. Und besser so, als hättest Du mich hienieden gefreit, und ich hätte auf Deinem Hof gesessen und Lein und Wolle für Dich gesponnen und Dir Kinder geboren – pfui, pfui!
Sigurd. Halt ein! Deine Zauberkünste sind übermächtig geworden – sie haben Dir die Seele krank gemacht. Entsetzt. Ha, sieh, sieh! Gunnars Hof – er brennt!
Hjördis. Laß brennen, laß brennen! Der Wolkensaal dort oben ist besser als Gunnars Balkenstube!
Sigurd. Doch Egil, Dein Sohn – sie töten ihn!
Hjördis. Mögen sie ihn töten – so wird meine Schande mit ihm begraben!
Sigurd. Und Gunnar! Sie bringen Deinen Gatten ums Leben!
Hjördis. Was gilt mir das ? Einem besseren Gatten folg' ich heim diese Nacht. Ja, Sigurd, so muß es sein! Hier im Lande blüht mir kein Glück. Der weiße Gott dringt nach dem Norden – ich will ihm nicht begegnen! Die alten Götter sind nicht mehr stark, wie früher; beinah zu Schatten sind sie worden – mit ihnen wollen wir streiten! Hinweg aus diesem Leben, Sigurd! Auf des Himmels Königsstuhl will ich Dich setzen und mich selbst Dir zur Seite! Das Unwetter bricht los. Horch, horch, da kommt unser Gefolge! Siehst Du die schwarzen jagenden Rosse? Eines für mich und eines für Dich! Sie legt den Bogen an und schießt. So fahre denn die letzte Fahrt!
Sigurd. Gut getroffen, Hjördis! Er fällt zu Boden.
Hjördis jubelnd, indem sie auf ihn zueilt. Sigurd, mein Bruder! Nun gehören wir einander an!
Sigurd. Nun weniger denn je: hier trennen sich unsre Wege – ich bin ein Christ!
Hjördis. Du! – Ha, nein, nein!
Sigurd. Der weiße Gott ist mein Gott. König Aedhelstan lehrte mich ihn kennen. Zu ihm geh' ich jetzt hinan!
Hjördis in Verzweiflung. Und ich! – Sie läßt den Bogen sinken. Weh', weh'!
Sigurd. Schwer war mein Leben von der Stunde an, da ich Dich aus meinem Herzen riß und Dich Gunnar zu eigen gab. Ich danke