Gesammelte Werke. Henrik Ibsen
leise. Tot! – – – Verspielt – meine Seele verspielt! Das Unwetter wütet heftiger; sie ruft wild: Sie kommen! Ich habe sie heraufbeschworen! – Doch nein, nein – ich folg' Euch nicht – will nicht nach Walhall ohne Sigurd! Keine Rettung – sie sehen mich, sie lachen und winken, sie spornen ihre Rosse! Eilt zur Felsenklippe im Hintergrund. Schon sind sie über mir – und keine Zuflucht, kein Versteck! Ja! Vielleicht in der Tiefe des Meeres!
Sie stürzt sich ins Meer.
Oernulf, Dagny, Gunnar mit Egil und Sigurds Mannen treten nach und nach rechts auf.
Oernulf zum Grabhügel gewandt. Nun könnt Ihr ruhig schlafen: denn Rache ist Euch worden.
Dagny kommt. Vater, Vater – der Schreck tötet mich! All das Blutvergießen und dies Unwetter – horch, horch!
Gunnar mit Egil auf dem Arm. Gebt Frieden und Obdach meinem Kinde!
Oernulf. Gunnar!
Gunnar. Ja, Oernulf! Mein Hof ist niedergebrannt und meine Mannen sind gefallen; ich bin in Deiner Gewalt – tu mit mir nach Deinem Willen!
Oernulf. In Sigurds Hand liegt Dein Los. – Doch komm ins Haus! Hier draußen ist es unsicher.
Dagny. Ja, hinein, hinein! Sie geht auf das Boothaus zu, wird den Leichnam gewahr und stößt einen Schrei aus. Sigurd, mein Eheherr – sie haben ihn ermordet! Sie wirft sich über ihn.
Oernulf eilt hinzu. Sigurd!
Gunnar, indem er Egil niedersetzt. Sigurd ermordet!
Dagny blickt verzweiflungsvoll die Männer an, die den Toten umringen. Nein, nein, – es ist nicht so! Er kann nicht tot sein! Bemerkt den Bogen. Ha! Was ist das? Erhebt sich.
Oernulf. Meine Tochter, es ist, wie Du sagtest – Sigurd ward ermordet.
Gunnar, wie von einer plötzlichen Ahnung ergriffen. Und Hjördis? – Ist Hjördis hier gewesen?
Dagny leise und mit Fassung. Ich weiß es nicht; aber das weiß ich: ihr Bogen ist hier gewesen.
Gunnar. Ha, ich dacht' es!
Dagny. Still, still! Für sich. So bitter also hat sie ihn gehaßt!
Gunnar leise. Sigurd getötet – in der Nacht vor dem Zweikampf; – so hat sie mich dennoch geliebt.
Alle schrecken zusammen; die wilde Jagd saust durch die Luft.
Egil erschrocken. Vater! Sieh, sieh!
Gunnar. Was ist?
Egil. Dort oben – all die schwarzen Rosse!
Gunnar. Das sind Wolken, die –
Oernulf. Nein, das ist der Toten Heimfahrt.
Egil mit einem Aufschrei. Die Mutter ist unter ihnen!
Dagny. Alle guten Mächte!
Gunnar. Kind, was sagst Du da?
Egil. Dort – voran – auf dem schwarzen Roß! Vater! Vater!
Egil klammert sich entsetzt an seinen Vater. Kurze Pause. Das Unwetter zieht vorüber, die Wolken zerteilen sich; der Mond scheint friedlich über der Landschaft.
Gunnar leise und schmerzvoll. Wahrlich – jetzt ist Hjördis tot.
Oernulf. So ist es, Gunnar. An ihr hätt' ich mehr zu rächen gehabt denn an Dir. Teuer kam die Begegnung uns beiden zu stehen. Hier meine Hand – Friede und Versöhnung!
Gunnar. Hab' Dank, Oernulf! Oernulf, hab' Dank! Und nun zu Schiffe! Ich ziehe mit Euch nach Island!
Oernulf. Ja, nach Island! – Unsre Heerfahrt wird so bald nicht vergessen werden:
Kunde von den kühnen Kämpen,
Die gestritten hier am Strande, –
Töne bis in fernste Tage
Laut im Lied durch nordische Lande!
Komödie der Liebe
Personen
Frau Halm, eine Beamtenwitwe
Schwanhild,
Anna, ihre Töchter
Falk, ein junger Schriftsteller,
Lind, Student der Theologie, ihre Zimmerherren
Goldstadt, Großkaufmann
Stüber, Aktuar
Fräulein Elster, seine Braut
Strohmann, Landpastor
Frau Strohmann
Studenten, Gäste, Familien und Brautpaare
Die acht kleinen Mädchen des Pastors
Vier Tanten, eine Hausmamsell, ein Bursche
Dienstmädchen
Das Stück spielt in Frau Halms Landhaus am Drammensvej.
ERSTER AKT
(Ein hübscher Garten mit unregelmäßigen, doch geschmackvollen Anlagen; im Hintergrunde wird der Fjord mit seinen Inseln sichtbar. Links vom Zuschauer aus das Wohnhaus mit einer Veranda; über ihr ein offenstehendes Giebelfenster. Rechts im Vordergrund eine offene Laube mit Tisch und Bänken. Die Landschaft liegt in kräftiger Abendbeleuchtung. Es ist Frühsommer; die Obstbäume blühen.)
(Beim Aufgehen des Vorhangs sitzen Frau Halm, Anna und Fräulein Elster auf der Veranda, die beiden ersten mit Handarbeiten, die letztere mit einem Buch. In der Laube sieht man Falk, Lind, Goldstadt und Stüber; auf dem Tisch stehen eine Punschbowle und Gläser. Schwanhild sitzt allein im Hintergrund am Wasser.)
Falk (steht auf und singt mit erhobenem Glas.)
Welch ein Tag im trauten Garten,
Reich an Sonne, reich an Glück;
Tröst dich, bleibt dem Lenzerwarten
Oft genug der Herbst zurück.
Laßt uns heute dieser Blüten
Rosigen Gewölbs uns freun, –
Morgen mag ein Wetter wüten
Und in alle Welt sie streun!
Chor der Herren.
Morgen mag ein Wetter wüten
Und in alle Welt sie streun!
Falk.
Warum schon nach Früchten fragen,
Da noch rings die Bäume blühn?
Warum unter Klag- und Plagen
Uns um Ungewisses mühn?
Schrille Vogelscheuchen schrecken
Tag und Nacht die muntre Brut –
Finkenschlag in Laub und Hecken,