Gesammelte Werke. Henrik Ibsen

Gesammelte Werke - Henrik Ibsen


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wenn Du sie heischest.

      Dagny verwundert. Was meinst Du?

      Gunnar. Nichts, nichts! Dank für die Botschaft, Dagny! – Nun geh' ich, – meine Mannen zu sammeln. Wendet sich zur Tür, hält aber inne und kommt wieder näher. Was macht Oernulf?

      Dagny senkt das Haupt. Das frage nicht. Gestern trug er Thorolfs Leichnam auf das Schiff; nun wirft er ein Grab auf am Strande – darin sollen seine Söhne liegen.

      Gunnar schweigt und geht ab durch die Mitte.

      Dagny. Vor Abend ist keine Gefahr. Nähert sich. Hjördis! Noch ein Geschäft hab' ich hier auf dem Hofe. Zu Dir komm' ich.

      Hjördis. Zu mir? Nach dem, was gestern geschehen?

      Dagny. Eben deshalb. – – Hjördis! Pflegeschwester! Hege keinen Groll wider mich! Vergiß die Worte, die Kummer und böse Mächte mir in den Mund legten; vergib all den Schimpf, den ich Dir angetan; denn, glaube mir, ich bin zehnfach unglücklicher als Du!

      Hjördis. Unglücklich – Du? Sigurds Gattin?

      Dagny. Ist doch alles, was geschah, mein Werk: Daß sich Streit entspann, daß Thorolf fiel, daß jene Schmähreden über Dich und Gunnar ergingen. Weh' mir! So heiter war mein Los! – Doch von Stund' an werd' ich niemals wieder froh.

      Hjördis wie von einer plötzlichen Eingebung ergriffen. Vorher aber, in den fünf langen Jahren – in all der Zeit war das Glück mit Dir?

      Dagny. Kannst Du daran zweifeln?

      Hjördis. Hm! Gestern hab' ich nicht daran gezweifelt, aber –

      Dagny. Was meinst Du?

      Hjördis. Ach, nichts Bedeutendes. Laß uns von andern Dingen reden!

      Dagny. Nein, nein! Hjördis, sag' mir –

      Hjördis. Es wird Dir kaum erfreulich sein. Doch weil Du es begehrst – Mit boshaftem Ausdruck. Entsinnst Du Dich noch – damals auf Island – wir waren auf dem Thing zusammen mit Oernulf, Deinem Vater, und saßen bei unsern Spielgenossinnen in der Thingstube, nach Frauensitte. Da traten zwei Fremdlinge in die Stube.

      Dagny. Sigurd und Gunnar.

      Hjördis. Sie grüßten uns nach Ritterart, setzten sich zu uns auf die Bank, und allerlei scherzhafte Reden führten wir mitsammen. Etliche verlangten zu wissen, warum die beiden Helden gelandet, – ob sie wohl Ehefrauen sich auf der Insel suchen wollten. Da sagte Sigurd: »Schwer wird es mir fallen, ein Weib so ganz nach meinem Sinne zu finden.« – Oernulf lachte und meinte, in Island sei kein Mangel an erlauchten Frauen. Doch Sigurd antwortete: »Hochgemute Hausfrau heischt der Held. Die will ich wählen, die in ein niederes Los sich nicht finden kann; keine Ehre darf ihr zu hoch hängen, daß sie nicht danach haschte; in den Kampf muß sie mir willig folgen; eine Rüstung muß sie tragen; zum Streit muß sie mich anfeuern, und nicht mit den Wimpern darf sie zucken, wenn die Schwerter blitzen; denn ist sie zaghaften Gemütes, so ernt' ich wenig Ehre.« Nicht wahr, so sprach Sigurd?

      Dagny unsicher. Gewiß – aber –

      Hjördis. Also dacht' er sich das Weib, das sein Leben ihm hold machen könnte, und – dann – mit verächtlichem Lächeln – dann wählt' er Dich.

      Dagny in schmerzlicher Bestürzung. Du meinst –

      Hjördis. Sieh, darum hast Du wohl Stolz und Edelsinn an den Tag gelegt, hast Ehre von allen beansprucht, auf daß Sigurd durch Dich geehrt würde – nicht wahr?

      Dagny. Nein, Hjördis, doch –

      Hjördis. Doch Du feuertest ihn an zu großen Taten, folgtest ihm in den Kampf und verlangtest dort zu sein, wo der Streit am heißesten entbrannte? Ist's nicht so?

      Dagny tief bewegt. Nein, nein!

      Hjördis. Du warst also zaghaft von Gemüte, so daß Sigurd Unehre davon erntete?

      Dagny überwältigt. Hjördis, Hjördis!

      Hjördis höhnisch lächelnd. Aber schön war Dein Los immerdar – Meinst Du, auch Sigurd kann das sagen?

      Dagny. Halt ein! Weh' mir! Du lehrtest mich erst, mich selbst erkennen!

      Hjördis. Ein scherzhaft Wort, und sogleich weinst Du! Denke nicht mehr daran! Sieh, was ich heut gemacht habe! Nimmt einige Pfeile vom Tische. Wie spitz und scharf! Nicht wahr, ich verstehe mich drauf, Pfeile zu schleifen?

      Dagny. Und sie zu brauchen. Du triffst sicher. Über all das, was Du eben gesagt, habe ich bis heut nie nachgedacht. Heftiger. Aber daß Sigurd – daß ich ihm all die Zeit das Leben schwer und unrühmlich gemacht haben soll, – nein, nein, das kann nicht wahr sein!

      Hjördis. Nun, nun – tröste Dich, Dagny! Es ist ja auch nicht wahr. Ja, hätte Sigurd noch den Ehrgeiz seiner früheren Tage! Da stand all sein Sinnen und Sehnen danach, der erste Mann im Land zu heißen – nun begnügt er sich mit einem geringeren Glücke.

      Dagny. Nein, Hjördis! Sigurd ist von hoher Gesinnung nach wie vor. Ich fühl's, ich bin nicht das rechte Weib für ihn. Er hat es mir nicht eingestanden – aber so darf es nicht bleiben!

      Hjördis, Was willst Du tun?

      Dagny. Ich will nicht wie eine Last seine Schritte hemmen, nicht länger ihm hindernd im Wege sein!

      Hjördis. So willst Du –

      Dagny. Stille, es kommt wer!

      Ein Knecht vom Hintergrund.

      Der Knecht. Wiking Sigurd betritt den Hof.

      Hjördis. Sigurd? So laß Gunnar rufen!

      Der Knecht. Gunnar ist ausgeritten, um seine Nachbarn zu sammeln, denn Kåre will –

      Hjördis. Gut, gut, – das weiß ich. Geh! Der Knecht geht; zu Dagny, die ebenfalls gehen will. Wo willst Du hin?

      Dagny. Fort, um Sigurd nicht zu treffen. Wohl müssen wir uns trennen, das fühl' ich nur zu gut. Aber ihm jetzt begegnen – nein, nein, das kann ich nicht! Geht links ab.

      Hjördis blickt ihr nach, eine Weile stumm. Und sie wollt' ich – Setzt den Gedanken fort, indem sie auf die Bogensehne schaut. Geringe Rache wäre das gewesen – der Hieb traf besser! Hm – es ist schwer, zu sterben; aber bisweilen ist es noch schwerer, zu leben.

      Sigurd durch die Mitte.

      Hjördis. Du suchst wohl Gunnar. Setz' Dich! Gleich wird er kommen.

      Sie will gehen.

      Sigurd. Nein, bleib! Dich such' ich mehr als ihn.

      Hjördis. Mich?

      Sigurd. Und wohl mir, daß ich Dich allein treffe.

      Hjördis. Kommst Du mich zu kränken, so verschlägt es Dir ja wenig, ob die Stube voll ist von Männern und Weibern.

      Sigurd. Ach ja, ich weiß nur zu gut, wie Du über mich denkst.

      Hjördis bitter. Tu' ich Dir vielleicht unrecht? Nein, nein! Vergiftet hast Du mir mein ganzes Leben! Vergiß nicht, daß Du es warst, der jene schändliche List brauchte – daß Du es warst, der bei mir in der Kammer saß, – der mir Liebe heuchelte, während Du im Innern listig dazu lachtest, mich wegschleudertest an Gunnar – denn für ihn war ich ja noch gut genug – und aus dem Lande gingst mit dem Weibe Deiner Wahl.

      Sigurd. So manches Werk kann Menschenwille vollbringen, aber die großen Taten werden vom Schicksal gelenkt – und so ist es uns beiden ergangen.

      Hjördis. Wohl wahr – böse Nornen walten über der Welt: doch gering ist ihre Macht, dafern sie keine Helfer finden in unsrer eignen Brust. Das Glück gehört dem, der stark genug ist, die Nornen zum Kampf herauszufordern – das will ich tun!

      Sigurd. Du willst –?

      Hjördis. Eine Kraftprobe wagen mit – mit denen, die über mir sind. – Doch nichts mehr davon! Ich hab' heute noch viel


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