Gesammelte Werke. Henrik Ibsen
Ob sich's als Poesie verfechten lasse; Denn wie man auch die Worte wend' und fasse Die Grundmoral ist schlecht, so sage ich. Wie glauben Sie, daß man die Wirtschaft nennt, Die Spatz und Fink die Beeren nicht verleidet. Bevor die Sonne sie zu Früchten brennt, Wo Kalb und Kuh die Sträucher niederrennt Und vor der Zeit die Sommerwiesen weidet? Das säh', Frau Halm, hier nächstes Frühjahr aus!
Falk (erhebt sich.)
Ah, nächstes, nächstes! Packt's Euch nicht wie Graus
Vor dieser ärgsten aller Worte-Vetteln,
Die uns verhext, im reichsten Glück zu – betteln!
Nur einmal Sultan sein im Reich der Zungen, –
Ich schickt' ihr augenblicks die seidne Schnur;
Da hätt' sie bald auf ewig ausgerungen,
Wie das schon mancher Hexe widerfuhr.
Stüber.
Was hast Du gegen dieses Hoffnungswort?
Falk.
Daß Gottes schöne Welt vor ihm verdorrt.
"Die nächste Liebe" und "der nächste Leib",
"Die nächste Mahlzeit" und "das nächste Weib", –
Sieh, diese Vorsicht, die in all dem zittert, Die ist es, die Dir jedes Glück verbittert. Soweit Du siehst, verhäßlicht sie die Welt, Verkümmert Dir den Frohgenuß des Heute; Du ruhst nicht, eh' nicht, neuen Windes Beute, Dein Boot zum "nächsten" Strand die Segel stellt; Doch langt es an – so darfst Du da wohl weilen? O nein, Du mußt zum aber-"nächsten" eilen. So geht es – immerfort – durchs ganze Leben – – Gott weiß, ob hinterm Grab uns Ruh' gegeben.
Frau Halm.
Nein pfui, Herr Falk, was sind das für Ideen!
Anna (nachdenklich.)
O, was er meint, das kann ich wohl verstehn;
Es muß doch etwas Wahres in sich tragen.
Frl. Elster (bekümmert.)
Das könnte Stübern leicht den Kopf verdrehn, –
Exzentrisch wie er ist. – Ach, laß Dir sagen, –
Auf einen Augenblick!
Stüber, (damit beschäftigt, seinen Pfeifenkopf zu reinigen.)
Ich komme gleich.
Goldstadt (zu Falk.)
Doch das liegt außer Diskussionsbereich:
Sie sollten sich der Vorsicht nicht entschlagen, Gerade Sie nicht! Setzen Sie den Fall, Sie schrieben heut ein Werk und legten all Das Poesiegold restlos in ihm an, Womit Sie Ihre Bank bedienen kann, – Und müßten, wollten Sie den nächsten Morgen Von neuem dichten, alles weitre borgen! Da würde die Kritik ihr Mütchen kühlen.
Falk.
Die würde den Bankrott wohl schwerlich fühlen;
Da schlenderten wir höchst einträchtiglich
Desselben Wegs, Madam Kritik und ich.
(Abbrechend und mit Übergang.)
Doch sag' mir, Lindchen, – was beschäftigt Dich? –
Warum so stumm? Wir schwelgen in Affekten, Du, scheint mir, bildest Dich zum Architekten!
Lind (nimmt sich zusammen.)
Ich, Falk? Wie kommst du darauf?
Falk. Ganz bestimmt!
Weil der Altan Dich so in Anspruch nimmt.
Es sind vielleicht der Fenster hohe Bogen,
Die Deinen Blick so mächtig angezogen?
Vielleicht der Tür stilistische Partien,
Vielleicht die Scheiben oder Jalousien?
Denn etwas muß Dein Auge auf sich ziehen.
Lind (mit strahlendem Ausdruck.)
Nein, Falk, Du irrst. Ich sitze hier und lebe. Das Jetzt ist's, dem ich mich berauscht ergebe. Ich hab' Dir ein Gefühl, als läg' mir heut Der Erde ganzer Reichtum hingestreut! Dank für Dein Lied Frühlingswonnen; Mir ist, ich hätt' es trunken selbst ersonnen! (Hebt sein Glas und wechselt, nicht bemerkt von den übrigen, einen Blick mit Anna.) Der Blüt' ein Heil, die süßen Duft uns schenkt Und nicht im Lenz schon ihres Herbstes denkt! (Trinkt aus.)
Falk (blickt ihn überrascht und ergriffen an, zwingt sich aber zu einem leichten Ton.)
Sehn meine Damen, welch ein Glück mir blüht?
Hier ward im Handumdrehn ein Proselyt.
Noch trägt er sein Gebetbuch unterm Rocke
Und kämmt sich üppig schon die Dichterlocke.
Zwar heißt's, man ist ein Dichter oder keiner, Doch wird wohl auch mal von der Prosa einer Wie eine Gans gemästet, rigorös, Mit Reimgewäsch und metrischem Getös, Daß all sein Innres, Leber, Seel', Gekrös, Liegt's ausgenommen auf dem Küchenbrett, Voll Lyrikschmalz ist und Rhetorikfett. (Zu Lind.) Willkommen übrigens in unsern Reihen! Nun schlagen wir die Harfe stolz selbzweien.
Frl. Elster.
Ja, Sie, Herr Falk. Sie dichten jetzt wohl viel?
Dies Ländliche, – dies Wandeln unter Bäumen,
Wo Sie so ganz allein mit Ihren Träumen –
Frau Halm (lächelnd.)
Nein, er ist träg', – es ist ein Trauerspiel.
Frl. Elster.
Ich dachte, wenn Sie bei Frau Halm logieren,
Sie müßten Tag und Nacht poetisieren.
(Zeigt nach rechts hinaus.)
Die Laube dort, von Blättern überdacht,
Ist doch für einen Dichter wie gemacht; –
Daß da nicht einmal Ihre Lust erwacht?
Falk (geht nach der Veranda hinüber und lehnt sich mit den Armen aufs Geländer.)
Bedecken Sie mein Aug' mit Blindheitsschimmel,
So dicht' ich Ihnen von dem lichtsten Himmel;
Verschaffen Sie mir auf vier Wochen bloß
Ein wühlend Weh, ein tragisch Heldenlos,
So sing' ich Ihnen Hymnen zum Entgelt! Am besten fänd' ich meine Sach' bestellt, Würd' mir ein Weib Licht, All, Gott, Sonne, Welt! Ich hing mich schon dem Herrgott an die Kleider, Doch blieb er taub bis heute – leider, leider.
Frl. Elster.
Pfui, wie frivol!
Frau Halm. Da hört doch alles auf!
Falk.
Ah, glauben Sie, ich sänn' mit ihr darauf,
Die öffentlichen Gaffer aufzunähren?
Nein, aus des Glückes wildstem Jubellauf
Da müßt' sie wieder heim zum Himmel kehren.
Gymnastik braucht mein Geist, nicht zu erschwachen,
Und solch ein Fall würd' ihm zu schaffen machen.
Schwanhild (hat sich inzwischen genähert; sie steht nun dicht bei Falk und sagt mit bestimmtem, doch launigem Ausdruck:)
Ich will für Sie um solch ein Schicksal flehen;
Doch kommt es, – tragen Sie es wie ein Mann!
Falk (hat sich überrascht umgewandt.)
O, Fräulein Schwanhild! – Gut, ich will ihm stehen!
Doch ob man auf Ihr Flehn auch bauen kann?
Wird Ihr Gesuch der Himmel auch erledigen?
Er läßt sich ungern Forderungen