Gesammelte Werke. Henrik Ibsen
ihn ohne Zagen.
Doch muß das Ziel des Sprungs auch würdig sein –:
Ein Kalifornien hinterm Wüstensande; –
Sonst bleibt man besser, wo man ist, im Lande.
Falk (spöttisch.)
Ja, ja, die Zeit, sie trägt an allem Schuld.
Schwanhild (warm.)
Ja, nur die Zeit! Wenn keines Lüftchens Huld
Den Fjord bewegt, wozu dann Segel setzen?
Falk (ironisch.)
Ja, ja, wozu mit Sporn und Peitsche hetzen,
Wenn niemand goldne Berge dem verheißt,
Der trotzig sich von seiner Scholle reißt,
Ein Abenteurer ohne Furcht und Tadel?
Die Tat der Tat zulieb geziemt dem Adel, Doch mit dem Adel steht die Neuzeit schlecht, Verachtet ihn wohl gar –
Schwanhild. Sie haben recht.
Doch sehen Sie den Birnbaum dort am Beet, –
Wie dürr und kahl er diesen Frühling steht!
Vergangnes Jahr, da bog sich Ast um Ast
Von seiner Früchte überschwerer Last.
Falk (etwas ungewiß.)
Das mag wohl sein; doch nun davon die Lehre?
Schwanhild (fein.)
Daß ein moderner Zacharias fast
Für seinen Wunsch zurechtzuweisen wäre,
Wenn er verlangte, daß dies Erntejahr
So überreich sei, wie das letzte war.
Falk.
Ich wußte wohl, Sie würden sich in Züchten
Zur seligmachenden Historie flüchten.
Schwanhild.
Ja, – unsre Tugend ist von anderm Schlag. Wer rüstet noch für Wahrheit heutzutag? Wer zeigt noch, was Persönlichkeit vermag? Wo gibt's noch Helden?
Falk (sieht sie scharf an.) Und wo noch Walküren?
Schwanhild (schüttelt den Kopf.)
Walküren tuen diesem Land nicht not!
Wie, trieb es Sie vielleicht den Fuß zu rühren, Als jüngst der Heide Syrien bedroht? Sie gaben einen "Aufruf" in Verbreitung Und einen Taler an die "Kirchenzeitung".
(Pause. Falk scheint antworten zu wollen, hält aber inne und geht weiter in den Garten.)
Schwanhild (betrachtet ihn einen Augenblick, nähert sich ihm und fragt sanft.)
Falk, sind Sie bös?
Falk. Nein, Fräulein; mich durchfuhren
Nur so Gedanken.
Schwanhild (mit nachdenklicher Teilnahme.)
Es sind zwei Naturen,
Die sich in Ihnen streiten – –
Falk. Will's gestehn.
Schwanhild (heftig.)
Jedoch warum?
Falk (leidenschaftlich.)
Warum? Weil ich es hasse,
Mit ausgeschnittner Seel' herumzugehn
Wie das gefühlsprofane Volk der Gasse, –
So feilzustell'n mein tiefstes Mein und Eigen,
Wie Weiber ihre nackten Arme zeigen!
Sie war'n die einzige, – Sie, Schwanhild, Sie – So dacht' ich fromm, – o bittre Ironie! (Wendet sich ihr zu, während sie nach der Laube hinübergeht und hinaussieht.) Was gibt's –?
Schwanhild. Ich hör' ein andres Stimmchen reden.
Still! Hören Sie das Vögelchen? Um jeden
Sonnuntergang besucht es unser Haus, –
Da schlüpft es eben aus dem Laub heraus. Ich glaub', daß, hat ein Mädchen auf der Welt Nicht eigner Stimme, eigner Kunst zu warten, Ihr Gott ein Vögelchen zum Freund gesellt – Für sie allein und nur für ihren Garten.
Falk (hebt einen Stein vom Boden auf.)
Da muß nun Mensch und Tier zusammenkommen,
Soll der Gesang nicht fremden Ohren frommen.
Schwanhild.
Wohl wahr! Doch mir ist solch ein Glück erblüht.
Mir ward nicht Macht des Wortes noch Gesanges;
Doch tönt der grüne Busch voll süßen Klanges,
So senkt sich's mir wie Lieder ins Gemüt – –
Nun ja – sie eilen wieder – weilen nie –
(Falk wirft mit Heftigkeit den Stein; Schwanhild stößt einen Schrei aus.)
O Gott, Sie trafen ihn! Was taten Sie!
(Eilt nach rechts hinaus und kommt gleich wieder zurück.)
O, das war sündhaft, sündhaft!
Falk (in leidenschaftlicher Erregung.)
Nein – das ist
Nur Aug' um Auge, Schwanhild, – Zahn um Zahn!
Nun tragen Sie's, wenn Sie Ihr Gott vergißt,
Und keine Grüße mehr vom Himmel nahn.
So räch' ich mich für das, was Sie getan!
Schwanhild.
Was ich getan?
Falk. Ja, Sie! Wie sang bis heute
Mein Herz gleich ihm in holdem, tollem Wahn.
Nun – schalle beiden Sängern Grabgeläute.
Das war Ihr Werk!
Schwanhild. Das meine?
Falk. Ja, ein Mord
An meinem jungen, siegesfrohen Glauben –
(Verächtlich.)
Warum verlobten Sie sich!
Schwanhild. Nur ein Wort –!
Falk.
Nein, nein, Sie durften sich's mit Recht erlauben:
Er macht Examen, sucht sich einen Sprengel,
Er will ja, weiß man, nach Amerika –
Schwanhild (im selben Ton.)
Und was er erbt, behebt die letzten Mängel; –
Denn meinen Sie nicht Lind?
Falk. Sie müssen's ja Am besten wissen –
Schwanhild (mit verhaltenem Lächeln.)
Sicherlich, als Schwester
Der Braut –
Falk. Herrgott! Nicht Sie sind – –!
Schwanhild. Nein, mein Bester,
Ich darf mich leider nicht so glücklich schätzen!
Falk (in fast kindlicher Freude.)
Nicht Sie, nicht Sie! Gott ließ es nicht geschehn!
Wie konnt' ich jemals Zweifel in ihn setzen?
Ich brauch' Sie nicht an fremdem Arm zu sehn, –
Er neigte nur des Schmerzes Fackel nieder – –
(Will ihre Hand ergreifen.)
O Schwanhild – hör'n Sie mich –
Schwanhild (zeigt rasch nach dem Hintergrunde.)
Da kommt man wieder.
(Sie geht