Gesammelte Werke. Henrik Ibsen

Gesammelte Werke - Henrik Ibsen


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Vorwärts – alle! Die Beute wollen wir ihm streitig machen!

      Thorolf. Was hast Du vor?

      Oernulf. Laß mich! Die Rache gehört mir, nicht Kåre!

      Thorolf. Ich begleite Dich.

      Oernulf. Nein, Du folgst Sigurd und Deiner Schwester nach Gunnars Hof!

      Thorolf. Sigurd? Ist er im Lande?

      Oernulf. Dort siehst Du seine Heerschiffe; wir sind ausgesöhnt – Du folgst ihm!

      Thorolf. Zu Deinen Feinden?

      Oernulf. Geh Du nur zum Gelage! Nun soll Hjördis den alten Oernulf kennen lernen! – Aber höre, Thorolf, – zu keinem sprichst Du von meinem Vorhaben, – hörst Du, zu keinem!

      Thorolf. Das gelob' ich!

      Oernulf faßt Thorolfs Hand und blickt ihn zärtlich an. So lebe wohl, mein wackrer Junge! Befleißige Dich guter Sitten im Festhaus – dann machst Du mir Ehre. Nicht sollst Du unnütze Reden führen, aber was Du sprichst, das muß scharf sein wie Schwertesschneide. Sei leutselig, solang' Dir Gutes erwiesen wird; doch reizt man Dich, sollst Du nicht dazu schweigen! Trinke nicht mehr, als Du vertragen kannst; aber weise das Horn nicht zurück, wenn es Dir mit Maßen geboten wird, damit man Dich nicht für einen Schwächling halte!

      Thorolf. Sei unbesorgt!

      Oernulf. So geh nun zum Fest nach Gunnars Hof! Ich komme auch zum Gelage, und zwar so, wie man's von mir gewiß nicht erwartet. Munter zu den andern. Vorwärts, Du Wolfsbrut! Wetze die Zähne – Blut sollst Du zu trinken bekommen! Er geht mit den älteren Söhnen rechts im Hintergrund ab. Sigurd und Dagny kommen in prächtigen Festgewändern vom Strand herauf, gefolgt von zwei Männern, die eine Kiste tragen; die Männer gehen gleich wieder zurück.

      Thorolf blickt dem Vater nach. Nun ziehen sie alle hinaus in den Kampf, und ich darf nicht mit. Hart ist es, in seiner Sippe der Jüngste zu sein. – Dagny! Gruß und Heil, liebe Schwester!

      Dagny. Thorolf! Alle guten Geister! Wie bist Du groß geworden!

      Thorolf. Ei, in fünf Jahren, sollt' ich meinen –

      Dagny. Ja, ja! Da hast Du recht.

      Sigurd reicht Thorolf die Hand. In Dir wächst dem Oernulf ein mutiger Gesell heran, wenn ich mich nicht täusche.

      Thorolf. Wollt' er mich nur auf die Probe stellen, –

      Dagny lächelnd. Doch schont er Dich mehr, als es nach Deinem Sinn? Ich weiß wohl, er hat Dich fast allzulieb.

      Sigurd. Wo ist er hin?

      Thorolf. Hinunter zum Schiffe. Gehen wir! Er kommt später.

      Sigurd. Ich harre meiner Leute, die noch Waren heraufbringen und die Schiffe verankern.

      Thorolf. Da muß ich helfen! Geht hinab zur See.

      Sigurd nach einer kurzen Pause. Dagny, mein Weib, endlich sind wir allein! Ich habe Dir Dinge zu sagen, die sich nicht länger verschweigen lassen.

      Dagny erstaunt. Was meinst Du?

      Sigurd. Gefährlich kann sie werden, diese Fahrt nach Gunnars Hof.

      Dagny. Gefährlich? Glaubst Du, daß Gunnar –?

      Sigurd. Gunnar ist gut und treu. Nein, nein! Doch besser wär's gewesen, ich wäre von dannen gezogen, ohne ihn heimzusuchen.

      Dagny. Du machst mir Angst! Sigurd, was ist es?

      Sigurd. Antworte mir vor allem auf eine Frage: wo ist der Goldring, den ich Dir einstens gab?

      Dagny zeigt ihn. Hier an meinem Arm. Du gebotest mir, ihn zu tragen.

      Sigurd. Wirf ihn hinunter auf des Meeres Grund, so tief, daß keiner je ihn findet: denn manchen Mannes Untergang könnt' er werden!

      Dagny. Der Ring?

      Sigurd. An jenem Abend, da der Weiberraub in Deines Vaters Hause geschah – erinnere Dich –

      Dagny. Ob ich mich erinnere!

      Sigurd. Davon will ich jetzt reden.

      Dagny. Was ist es? Sag'!

      Sigurd. Du weißt, es war ein Festgelag gewesen. Zeitig gingst Du auf Deine Kammer, indes Hjördis mitten unter den zechenden Mannen sitzen blieb. Fleißig machte das Horn die Runde, und großer Dinge vermaß sich mancher. Ich schwur, eine holde Maid aus Island zu entführen, wenn ich aufbräche; Gunnar schwur dasselbe und reichte Hjördis den Trunk. Da trank sie aus dem Horn, stand auf und gelobte, daß sie als Eheweib nur dem Kämpen eignen wolle, der nach ihrer Kammer ginge, den Eisbären tötete, der an der Tür dort angebunden sei, und sie wegtrüge auf seinen Armen.

      Dagny. Ja, ja – das weiß ich.

      Sigurd. Doch alle meinten, es sei unmöglich; denn der Bär war der wildesten Ungetüme eines. Niemand außer Hjördis durfte ihm nahen, und er hatte die Stärke von zwanzig Männern.

      Dagny. Aber Gunnar erschlug ihn dennoch, und diese Tat trug seinen Ruhm durch alle Lande.

      Sigurd. Er ward berühmt durch sie – allein – diese Tat vollbrachte ich!

      Dagny aufschreiend. Du!

      Sigurd. Da die Männer den Festsaal verließen, bat mich Gunnar, ihm zur Zwiesprach auf sein Schlafgemach zu folgen. Dort sagte er: »Hjördis ist mir werter denn alle Weiber; ich kann nicht leben ohne sie.« – Ich antwortete: »So geh nach ihrer Kammer; Du weißt, welche Bedingung sie gestellt hat.« – Er aber meinte: »Ein liebesiecher Mann schätzt das Leben hoch. Ungewiß bleibt der Ausgang des Kampfes mit dem Bären, und ich zittere bei dem Gedanken, jetzt mein Leben lassen zu müssen – denn mit dem Leben verlör' ich auch Hjördis.« Lange sprachen wir zusammen, und das Ende war, daß Gunnar sein Schiff zur Abfahrt bereit machte, ich aber mein Schwert zog, Gunnars Waffenkleider antat und nach der Kammer ging.

      Dagny mit stolzer Freude. Und Du, – Du warst des Bären Überwinder?

      Sigurd. Ich war's. Im Gemach war es düster wie unter den Fittichen des Raben. Hjördis wähnte, es sei Gunnar, der neben ihr säße – erhitzt war sie vom Met – sie streifte einen Ring von ihrem Arm und gab ihn mir –: den Du jetzt trägst, der ist's.

      Dagny zögernd. Und Du bliebst die Nacht bei Hjördis im Gemach?

      Sigurd. Mein blankes Schwert lag zwischen uns. Nach kurzer Pause. Ehe der Tag graute, trug ich Hjördis auf Gunnars Schiff. Sie merkte nicht unsere List, und er segelte mit ihr ins Weite. Alsdann ging ich nach Deinem Schlafgemach und fand Dich dort inmitten Deiner Mägde, – was nun folgte, weißt Du. Ich zog von Island mit einer holden Maid, wie ich geschworen, und Du bist mir von Stund an treulich gefolgt, wohin ich auch fuhr.

      Dagny bewegt. Mein tapferer Eheherr! Du vollbrachtest die Heldentat – o, ich hätt' es ahnen müssen! Außer Dir war keiner dazu im stande! Hjördis, das stolze und herrliche Weib, konntest Du gewinnen – und kürtest mich! Zwiefach teuer müßtest Du hinfort mir sein, wärst Du mir nicht schon das Teuerste auf Erden!

      Sigurd. Dagny, mein gutes Weib, nun weißt Du alles – was Du wissen mußt. Ich mußte Dich warnen: denn der Ring – laß ihn Hjördis nie vor Augen kommen! Willst Du mir folgen, so wirf ihn weg – tief ins Meer!

      Dagny. Nein, Sigurd! Dazu ist er mir zu teuer. Ist er doch ein Geschenk von Dir! Aber sei unbesorgt: ich werde ihn vor aller Augen verbergen, und niemals will ich verraten, was Du mir anvertraut.

      Thorolf kommt von den Schiffen mit Sigurds Mannen.

      Thorolf. Alles ist bereit zur Fahrt.

      Dagny. So komm, Sigurd, mein edler, starker Held!

      Sigurd. Ruhig, Dagny – ruhig! In Deiner Macht steht es nun, ob die Fahrt in Frieden oder mit Männermord enden soll. Rasch zu den übrigen. Auf zum Festmahl, nach Gunnars Hof!

      Geht mit Dagny nach rechts; die andern folgen.


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