Gesammelte Werke. Henrik Ibsen

Gesammelte Werke - Henrik Ibsen


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      Oernulf. Dein halbes Hab und Gut weggeben!

      Sigurd inständig. Nimm es ganz! Nimm beide Schiffe! Alles, was mir gehört, und laß mich Dir nach Island folgen als der geringste Deiner Mannen! Was ich gebe, kann ich wieder erringen; – doch übst Du gegen Gunnar Gewalt, so werd' ich im Leben nicht mehr froh. Nun, Oernulf, was sagst Du dazu?

      Oernulf überlegt. Zwei gute Heerschiffe, Waffen und fahrende Habe – der Schätze kann man nie zu viel haben – jedennoch – Heftig. Nein, nein! Hjördis hat mir gedroht – ich will nicht. Schimpflich wär's, nähm' ich Dein Eigentum.

      Sigurd. So höre zuvor –

      Oernulf. Nein! Selbst muß ich mein Recht mir verschaffen. Laß das Schicksal walten!

      Kåre tritt näher. Freundlich ist der Rat, den Sigurd Dir gibt. Doch willst Du Dir Dein Recht auf fördersame Art verschaffen, so hab' ich einen besseren Vorschlag. Rechne nie auf Entschädigung, solange Hjördis noch ein Wort zu reden hat; doch Deine Rache kannst Du haben, wenn Du auf mich hörst.

      Oernulf. Rache! Und was rätst Du mir?

      Sigurd. Böses, – das seh' ich wohl.

      Dagny zu Oernulf. Hör' ihn nicht an!

      Kåre. Hjördis hat mich friedlos erklärt; listig wird sie mir nach dem Leben trachten. Gelobst Du, mich zu schützen, so will ich heut nacht Gunnars Hof in Brand stecken – mit allem, was darin ist. Ist das nach Deinem Sinn?

      Sigurd. Elender!

      Oernulf ruhig. Nach meinem Sinn? Weißt Du, Kåre, was mehr nach meinem Sinn wäre? Mit Donnerstimme. Könnt' ich Dir Nase und Ohren abhauen, schuftiger Knecht! Du kennst den alten Oernulf schlecht, wenn Du glaubst, er würde mittun bei solchem Bubenstück!

      Kåre, der zurückgewichen ist. Machst Du Dich nicht über Gunnar her, so kommt er über Dich!

      Oernulf. Das zu hindern, hab' ich Fäuste und Waffen.

      Sigurd. Und nun fort von uns! Männer von Ehre schändet Dein Umgang.

      Kåre am Ausgang. So muß ich mich denn selber schützen, so gut ich kann. Aber das sag' ich Euch: Ihr werdet es bereuen, verfahrt Ihr noch weiter so glimpflich. Ich kenne Hjördis – und werde sie zu treffen wissen!

      Geht ab nach der See zu.

      Dagny. Er brütet Rache. Sigurd, das muß vereitelt werden!

      Oernulf verdrießlich. Ach, laß ihn tun, was ihn gelüstet. Sie ist nichts Besseres wert.

      Dagny, Das ist nicht Deine wahre Meinung. Denk daran: Du hast sie auferzogen!

      Oernulf. Unselig die Stunde, da ich sie unter mein Dach nahm – Jökuls Worte wollen in Erfüllung gehen.

      Sigurd. Jökuls Worte?

      Oernulf. Ihres Vaters Worte. Als ich ihm den Todesstreich versetzte, fiel er flach auf den Rasen nieder, sah mich an und sang:

      Jökuls Sproß wird Jökuls Mörder

       Weh bereiten allerwegen –

       Wem einst Jökuls Schätze eigen,

       Nimmer sind sie dem zum Segen!

      So sang er. Dann schwieg er eine Weile, lachte – und verschied.

      Sigurd. Das mußt Du so ernst nicht nehmen.

      Oernulf. Wer weiß! Es geht verbürgt die Sage, Jökul habe einmal seinen Kindern das Herz eines Wolfs zu essen gegeben, damit sie einen grimmigen Sinn bekämen. Hjördis hat gewiß ihr gut Teil bekommen, das sieht man. Stutzt, indem er nach rechts hinausblickt. Gunnar! – Müssen wir beide uns nochmals begegnen?

      Gunnar erscheint. Ja, Oernulf! Denke von mir, wie Du willst, aber ich kann nicht als Feind von Dir scheiden.

      Oernulf. Was ist Dein Begehr?

      Gunnar. Dir die Hand zur Versöhnung zu bieten, bevor Du aufbrichst. Hört mich alle! Folgt mir nach meinem Hause und seid meine Gäste, solang' es Euch lüstet! An Obdach und Speise fehlt es nicht; und von unserm Zwist soll weder heut noch morgen die Rede sein.

      Sigurd. Doch Hjördis –?

      Gunnar. Fügt sich meinem Willen. Sie besann sich eines Bessern auf dem Heimweg und meinte, gleich mir, daß wir uns wohl aussöhnen könnten, wenn Ihr uns als Gäste besuchen wolltet.

      Dagny. Ja! So soll es sein!

      Sigurd unschlüssig. Ich weiß doch nicht, ob –

      Dagny. Gunnar ist Dein Waffenbruder. Wahrlich, ich müßte Dich schlecht kennen, wenn Du Dich weigertest!

      Gunnar zu Sigurd. Freundschaft hast Du mir bezeugt, wo wir uns auch fanden; – Du wirst mir diesmal nicht entgegen sein!

      Dagny. Und von hinnen ziehen, während Hjördis im Groll zurückbleibt – nein, nein, das dürfen wir nicht!

      Gunnar. Groß Unrecht hab' ich Oernulf zugefügt. Eh' es nicht wieder gut gemacht ist, kann ich vor mir selbst nicht Frieden finden.

      Sigurd heftig. Alles andre kann ich für Dich tun, Gunnar! Nur hier bleiben kann ich nicht! Faßt sich. Ich bin König Aedhelstan untertänig und muß noch diesen Winter zu ihm nach England.

      Dagny. Das kannst Du ja ganz gut!

      Gunnar. Keiner kennet sein künftig Schicksal. Vielleicht, Sigurd, sehen wir uns jetzt zum letzten Mal, und dann könnt' es Dich reuen, daß Du nicht bis zum letzten Augenblick mir hilfreich warst.

      Dagny. Und lange Zeit wirst Du mich nicht wieder frohgemut sehen, wenn Du heute von dannen fährst.

      Sigurd bestimmt. Nun wohl, es sei! Euer Wunsch werde erfüllt, obgleich – Doch nun ist es beschlossen – hier meine Hand: Ich bleibe – und will Dein und Hjördis' Gast sein.

      Gunnar schüttelt Sigurd die Hand. Dank, Sigurd, das wußt' ich! – Und Du, Oernulf, denkst Du wie er?

      Oernulf widerwillig. Ich will es überlegen; Hjördis hat bitter mich gekränkt – heute kann ich mich noch nicht entscheiden.

      Gunnar. Ja, ja, alter Kämpe, Sigurd und Dagny werden wohl wissen, Dir die Stirn zu glätten. – Nun rüst' ich das Mahl. Lebt wohl so lange, und willkommen in meiner Halle!!

      Geht rechts ab.

      Sigurd für sich. Hjördis hat sich eines Bessern besonnen, sagt er. Da kennt er sie wenig; eher möcht' ich glauben, sie brüte Unheil – Bricht ab und wendet sich zu seinen Leuten. Nun folget mir alle zu den Schiffen! Gute Gaben will ich wählen für Gunnar und sein Gesinde.

      Dagny. Das Beste, was wir haben – Und Du, mein Vater – Du sollst keine Ruhe vor mir haben, bis Du Dich fügst!

      Sie geht mit Sigurd und den Mannen hinunter zur See und verschwindet im Hintergrunde.

      Oernulf. Mich fügen! Ja, hätte Gunnar kein Weibervolk im Hause – Wüßt' ich ihr nur beizukommen! – Thorolf! Du hier?

      Thorolf, der rasch aufgetreten ist. Wie Du siehst. Vater, ist es wahr, das Gerücht? Du trafst Dich mit Gunnar, dem Lehnsmann?

      Oernulf. Ja.

      Thorolf. Und hast nun Streit mit ihm?

      Oernulf. Hm – wenigstens mit Hjördis.

      Thorolf. So sei getrost! Nun wird Dir Rache.

      Oernulf. Rache? Wer rächt mich?

      Thorolf. Höre nur! Ich stand im Schiff, da kam ein Mann gelaufen, mit einem Pfahl in der Hand, und rief: »Gehörst Du auf Oernulfs Heerschiff, dann grüss' ihn vom Bauer Kåre und sag' ihm, daß ich jetzt Rache nehme für uns beide!« – Darauf bestieg er ein Boot und ruderte von dannen, indem er sagte: »Zwanzig Geächtete liegen im Fjord; mit ihnen fahr' ich südwärts, und heut abend wird Hjördis sich keines Sprossen mehr zu rühmen haben.«

      Oernulf. Das sagte er?! Ha, nun begreif ich! Gunnar hat seinen Sohn weggebracht, Kåre ist in Unfrieden mit ihm –


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