Die Klinik am See Staffel 3 – Arztroman. Britta Winckler

Die Klinik am See Staffel 3 – Arztroman - Britta Winckler


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jetzt tatsächlich Christines Stimme. Leise und unverständlich. Sie vernahm auch schleppende Schritte, die sich der Wohnungstür näherten, und dann ein leises Schnappen des Türschlosses.

      Langsam ging die Wohnungstür nach innen auf. Alma Wiese drückte sie vorsichtig weiter auf und trat in den dahinterliegenden kleinen Flur. Erschrocken starrte sie Christine an, die im Nachthemd vor ihr stand und sich an der Türklinke festhielt. »Um Himmels willen, wie sehen Sie denn aus?«, entfuhr es Alma Wiese. »Sie sind ja krank.« Diese Feststellung war durchaus begründet, denn Christine Häußler sah auch wirklich erbarmungswürdig aus. Ihr Gesicht war farblos, und unter ihren Augen lagen dunkle Ringe.

      »Mir ist so elend«, flüsterte Christine. »Ich …, ich kann mich kaum auf den Füßen halten, und …«

      Wie zur Bestätigung ihrer Worte knickten ihr plötzlich die Beine ein, und wenn Alma Wiese die junge Frau nicht sofort gestützt hätte, wäre sie zu Boden gefallen.

      »So, marsch zurück ins Bett!«, wurde Alma Wiese energisch und brachte Christine ins Schlafzimmer. Schweigend half sie ihr ins Bett und deckte sie zu.

      »Danke, Frau Wiese«, flüsterte Christine.

      Alma Wiese winkte ab. »Was ist denn geschehen?«, fragte sie. Prüfend sah sie die junge Frau an. Ein Gedanke bemächtigte sich ihrer plötzlich. Sie formte ihn auch sofort in Worte um. »Sind Sie etwa schwanger?«, fragte sie.

      Christine schüttelte den Kopf. »Nein, nein«, erwiderte sie mit schwacher Stimme. »Ich bin …, bin nur müde, so unendlich müde und kraftlos und fühle mich so elend.«

      Alma Wiese überlegte nicht länger. »Ich werde den Arzt rufen«, sagte sie entschlossen, wartete erst keine Erwiderung ab, sondern ging zum Telefon im Wohnzimmer. »Wen haben Sie denn?«, fragte sie. »Doktor Pröll etwa?«

      »Ja«, kam es kraftlos über Christines Lippen.

      Alma Wiese betätigte auch sofort die Wählscheibe. Die Anschlussnummer von Dr. Pröll hatte sie im Kopf, denn der war auch ihr Hausarzt. Sie hatte Glück und erreichte ihn persönlich. Mit wenigen Worten schilderte sie Christines Zustand. »Kommen Sie bitte sofort her!«, bat sie.

      »Ist gut, Frau Wiese«, kam die Antwort. »Ich bin in ein paar Minuten zur Stelle.«

      Alma Wiese legte grußlos auf und begab sich zurück zu Christine. »Er kommt sofort«, redete sie beruhigend auf die junge Frau ein. »Seine Praxis ist ja ganz in der Nähe. Kann ich in der Zwischenzeit etwas für Sie tun?«, fügte sie fragend hinzu.

      »Trinken bitte …«

      Alma Wiese ging in die kleine Küche. Sekunden später kam sie mit einem Glas Apfelsaft zurück. Sie musste Christines Nacken stützen, weil sie tatsächlich keine Kraft hatte, sich allein aufzurichten, um zu trinken.

      »Danke …« Christine ließ sich wieder auf das Kissen zurücksinken.

      In diesem Augenblick läutete es.

      »Das ist sicher Doktor Pröll«, sagte Alma Wiese und eilte hinaus, um zu öffnen.

      Es war Dr. Pröll, ein schon etwas älterer Arzt – jedenfalls hatte er die Fünfzig schon überschritten. »Wo haben wir die Patientin?«, fragte er.

      »Im Schlafzimmer – dort.«

      »Na, dann wollen wir mal.« Dr. Pröll betrat das Schlafzimmer. Er schüttelte den Kopf, als Alma Wiese ihm folgen wollte. »Ich möchte mit der Patientin allein sein, Frau Wiese«, gab er der hilfsbereiten Nachbarin unmissverständlich zu verstehen.

      »Ach so …« Alma Wiese gefiel das zwar nicht sehr, aber sie respektierte Dr. Prölls Wunsch ohne Widerrede. »Ich warte im Wohnzimmer«, rief sie Christine zu und zog sich dorthin zurück.

      Dr. Pröll schloss die Tür und widmete sich nun Christine Häußler. Während er sie untersuchte, Lunge und Herz kontrollierte, stellte er seine gezielten Fragen.

      Christine bemühte sich um präzise Antworten. Ihre Stimme war schwach. Sie berichtete von ihrer sonderbaren Müdigkeit und von ihrer ständig erhöhten Temperatur. »Was kann das …, das … nur sein?«, fragte sie stockend. Leise Angst war aus ihrer Frage herauszuhören.

      Dr. Pröll zuckte mit den Schulter. »Etwas Krankhaftes kann ich im Augenblick leider …, hm …, ich möchte sagen, glücklicherweise, nicht feststellen«, erklärte er der jungen Frau. »Spezielle Untersuchungen wie EKG und Ähnliches halte ich für nötig.« Er dachte kurz nach und griff dann nach seiner Bereitschaftstasche. »Auf jeden Fall entnehme ich Ihnen jetzt gleich eine Blutprobe und lasse sie in meinem Labor untersuchen«, sagte er. »Dann werden wir mehr wissen.«

      »Sie … Sie sprachen von Spezialuntersuchung, Herr Doktor«, kam es etwas bange über Christines Lippen. »Etwa in einer Klinik?«, fügte sie fragend hinzu.

      Dr. Pröll nickte. »Ich denke dabei an die Klinik am See«, erwiderte er. »Die ist doch in unserer Nähe und modern ausgestattet.«

      »Wann soll ich …?«

      »Warten wir erst einmal die Blutuntersuchung ab«, fiel Dr. Pröll der Patientin ins Wort. »Ich lasse Ihnen morgen Bescheid zukommen, und ich hoffe, das heißt, ich wünsche Ihnen, dass er beruhigend für Sie ist.« Aufmunternd sah er Christine an. »Ja, dann wollen wir also …«, sagte er und begann mit der Blutabnahme.

      Ohne einen Laut von sich zu geben ließ Christine diese nur einige Sekunden dauernde Prozedur über sich ergehen.

      »Das war’s dann«, erklärte Dr. Pröll, verstaute Stethoskop, Spritze und das mit Christines Blut gefüllte Röhrchen in seiner Bereitschaftstasche. »Vorläufig bleiben Sie im Bett!«, wies er Christine an. »Ich schreibe jetzt noch schnell ein Rezept für Antibiotika aus, das Ihnen Frau Wiese sicher aus der Apotheke holen wird.«

      Das war schnell geschehen. Dr. Pröll rief nach Frau Wiese und reichte ihr das Rezept. »Holen Sie das bitte gleich!«, sagte er und wandte sich wieder an Christine. »Wie gesagt – morgen erhalten Sie Bescheid und, wenn erforderlich, auch gleich einen Einweisungsschein für die Klinik«, versprach er, verabschiedete sich mit einem warmen Händedruck und ging.

      »Ja, dann werde ich mich auch auf den Weg machen und die Medizin holen«, ergriff Alma Wiese das Wort, kaum hatte der Arzt die Wohnung verlassen.

      »Danke, Frau Wiese«, flüsterte Christine. »Ach …, nehmen Sie doch bitte den zweiten Wohnungsschlüssel mit, der draußen im Flur neben dem Spiegel hängt«, fügte sie hinzu. »Dann brauchen Sie nicht zu läuten.«

      »In Ordnung, Christine.« Alma Wiese wandte sich zum Gehen. »Bis nachher also«, rief sie Christine zu und verschwand.

      Mit einem Seufzer drehte Christine sich zur Seite, als sie wieder allein war. Mit einiger Verwunderung stellte sie etwas später fest, dass sich ihre körperliche Schwäche etwas verminderte. Sie versuchte sich aufzurichten, aus dem Bett zu kommen und zum Fenster zu gehen.

      Und siehe da – es gelang ihr sogar. Sie fühlte sich mit einem Mal gar nicht mehr so kraftlos. Ein Seufzer der Erleichterung kam aus ihrem Mund. Sollte das alles nur ein kurzer vorübergehender Schwächeanfall gewesen sein – aus welchem Grund auch immer?

      Christines noch vor zwanzig Minuten stumpf blickende Augen bekamen wieder Leben.

      »Da kann ich ja vielleicht morgen Nachmittag oder spätestens übermorgen schon wieder ins Heim«, flüsterte sie vor sich hin. Als gehorsame Patientin jedoch befolgte sie zunächst einmal den Rat des Arztes und begab sich wieder ins Bett. Sie sah ein, dass ein oder zwei Tage Ruhe ihr bestimmt guttun würden.

      *

      Wie Dr. Pröll es versprochen hatte, erhielt Christine am folgenden Tag tatsächlich einen schriftlichen Bescheid von ihm. Es war ein kurzgehaltenes Schreiben, in dem der Arzt lediglich mitteilte, dass das Ergebnis der Blutuntersuchung eine nochmalige Spezialuntersuchung in der Klinik erforderlich mache. Weiter hieß es in der Mitteilung des Arztes, dass ein Einweisungsschein für die Klinik am See bereits nach dorthin unterwegs sei und dass sie, Christine Häußler, sich innerhalb der folgenden drei


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