Die Klinik am See Staffel 3 – Arztroman. Britta Winckler

Die Klinik am See Staffel 3 – Arztroman - Britta Winckler


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war es schon bei den ersten Worten des Besuchers wie Schuppen von den Augen gefallen. Natürlich, das war doch der hilfsbereite Autofahrer. »Ja, jetzt erinnere ich mich an Sie«, fiel sie Dr. Bernau aufgeregt ins Wort. Sie brachte sogar ein verhaltenes Lächeln zustande. »Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie nicht gleich wiedererkannt habe.«

      Dr. Bernau winkte lächelnd ab. »Sie haben keinen Grund, sich zu entschuldigen, Frau Häußler«, erwiderte er. »Es ging ja alles ein bisschen drunter und drüber an jenem Morgen.«

      »Das ist wahr«, gab Christine zurück. »So drunter und drüber, dass ich nicht einmal dazu kam, mich bei Ihnen für Ihre Hilfeleistung zu bedanken, was ich jetzt, da Sie hier sind, aber nachholen möchte – ich bedanke mich, Herr Doktor.«

      »Ich werd’s ausrichten«, entgegnete Dr. Bernau burschikos und feixte jungenhaft. Sofort wurde er aber wieder ernst. »Was war eigentlich los mit Ihnen?«, wollte er wissen. »Von dem Polizisten hörte ich nur, dass Sie einen Schwächeanfall hatten.«

      »Das ist richtig«, bestätigte die Heimleiterin.

      »Und? Geht es Ihnen wieder besser?«, fragte Dr. Bernau, prüfend sah er die junge Frau an. Das leichte Flackern in ihren Augen entging ihm nicht.

      »Es geht schon wieder«, antwortete Christine, aber es klang nicht sehr überzeugend, weil sie in diesem Augenblick wieder an ihr Problem denken musste. »Darf ich Sie etwas fragen?«, wechselte sie das Thema.

      »Bitte …«

      »Sie sind Doktor – Arzt oder Jurist, oder …?«

      Dr. Bernau lächelte. »Das Erstere«, antwortete er, verlor aber kein Wort darüber, dass er in der Klinik am See tätig sei.

      »Soso, Arzt also«, kam es leise über Christines Lippen, und in ihrem Kopf meldete sich ein Gedanke. Ob sie diesen Dr. Bernau nun wegen ihres Problems befragen konnte? Im nächsten Augenblick aber schob sie diesen Gedanken wieder beiseite. Was hätte sie auch fragen können? Der schriftliche Bescheid Dr. Prölls enthielt ja auch keinerlei Hinweise auf das Ergebnis der Blutuntersuchung. Hätte sie eine exakte Diagnose gewusst, dann wäre es eher möglich gewesen, diesen Mediziner jetzt nach Einzelheiten zu befragen.

      »Ja, das bin ich«, bestätigte Dr. Bernau, »und als solcher erlaube ich mir, Ihnen zu raten, bald einmal einen Arzt Ihres Vertrauens zu konsultieren.«

      Christine zuckte unmerklich zusammen. »Weshalb das?«, stieß sie fragend hervor. Merkt man mir eine Krankheit bereits äußerlich an, fragte sie sich in der gleichen Sekunde.

      »Weil ich der Meinung bin, dass Schwächeanfälle, wie Sie ihn am Montag erlebt haben, nicht leicht genommen werden sollten«, erklärte Dr. Bernau in ernstem Ton. »Lassen Sie sich untersuchen!«

      Hinter Christines Stirn arbeitete es. Es lag ihr auf der Zunge, zu sagen, dass das bereits geschehen war und dass sie sogar in eine Klinik sollte, aber sie schluckte es hinunter. »Haben Sie denn eine Praxis in der Umgebung?«, fragte sie stattdessen.

      »Nein«, erwiderte Dr. Bernau. »Ich bin Arzt in der Klinik am See in Auefelden.«

      »In der Klinik am See?«, entfuhr es Christine verwundert.

      Dr. Bernau lächelte. »Was ist daran so verwunderlich?«, wollte er wissen. »Was erstaunt Sie dabei so?«

      Dahin soll ich doch, ging es Christine durch den Sinn, sie behielt es aber wieder für sich. »Weil …, weil …, ich weiß, dass …, dass diese Klinik einen sehr guten Ruf haben soll«, kam es ein wenig stockend über ihre Lippen. Etwas anderes war ihr nicht eingefallen.

      »Soll?«, fragte Dr. Bernau und fügte hinzu: »Unsere Klinik hat einen guten Ruf und unser Chefarzt Doktor Lindau ebenfalls.«

      »Das färbt sicher auch auf die in dieser Klinik tätigen Ärzte ab«, meinte Christine lächelnd. »Das heißt also, dass auch Sie ein guter Arzt sein müssen, Herr Doktor.«

      »Ich bemühe mich jedenfalls, es zu werden«, bekannte Dr. Bernau.

      Christine wurde wieder ernst. »Könnten Sie, wenn Sie mich ansehen, vom Äußeren her, eine Krankheit in mir vermuten?«, fragte sie.

      Dr. Bernau horchte auf. »Fühlen Sie sich krank?«, antwortete er mit einer Gegenfrage und trat einen Schritt näher an die junge Frau heran. Eine Antwort wartete, er nicht ab. »Natürlich gibt es äußerliche Symptome, nach denen ein Arzt diese oder jene Krankheit erkennen oder vermuten kann. Manches merkt man auch an den Augen, und wenn ich offen sein darf, dann muss ich Ihnen sagen, dass ich Sie nicht für vollkommen gesund halte.« Er trat noch einen Schritt näher an Christine heran, die neben ihrem Schreibtisch stand. »Erlauben Sie?« Sanft griff er nach dem linken Oberarm der Heimleiterin. »Sehen Sie mal zum Fenster hin, direkt ins Tageslicht!«, sagte er.

      Christine tat es, und der etwas größere Dr. Bernau neigte sich etwas vor, um in die Augen der jungen Frau sehen zu können.

      Beide – Dr. Bernau und Christine Häußler – überhörten das kurze Klopfen und das danach erfolgende Öffnen der Tür.

      »So ist das also«, klang es in diesem Augenblick durch den Raum, herrisch und grollend. »Das hab ich mir doch gleich gedacht – von wegen krank …«

      Christine fuhr erschrocken herum und starrte Hannes Hornegg verdutzt an. Dr. Bernau trat zwei Schritte zurück, war aber keineswegs verlegen.

      »Hannes, was soll das?«, fuhr Christine den breitbeinig im Raum stehenden jungen Mann an, in dessen Augen es wütend funkelte. Sie wusste, was das bedeutete – Hannes hatte wieder einmal einen seiner Eifersuchtsanfälle.

      »Was das soll? Das fragst du noch?« Wie das Knurren eines gereizten Raubtieres kamen die Worte über die Lippen des kraftstrotzenden Mannes. »Gestern, als ich hier vorbeikam, hieß es, du seiest krank. Dass ich nicht lache. Was ich eben gesehen habe, das war schon ziemlich deutlich.«

      »Was hast du denn gesehen?«, fragte Christine scharf. »Herr Doktor Bernau von der Klinik am See hat in meinen Augen eventuelle Krankheitssymptome …«

      »Aha«, fiel Hannes Hornegg der Heimleiterin bissig ins Wort. »Einen Doktor hast du dir also angelacht. Ich bin dir wohl nicht mehr gut genug, wie? Jetzt geht mir ein Licht auf, und mir wird klar, weshalb du dich in den vergangenen Wochen so abweisend verhalten hast.«

      »Jetzt hör aber auf!«, fuhr Christine den jungen Mann an.

      »Erlauben Sie bitte, dass ich …« Dr. Bernau wollte die von dem jungen Mann völlig verkannte Situation klären, kam aber nicht zum Weitersprechen.

      »Sie halten jetzt den Mund!«, fauchte Hans-Günther Hornegg den unbekannten vermutlichen Rivalen an. »Wir reden noch ein Wörtchen miteinander.« Mit zwei wuchtigen Schritten trat er vor Dr. Bernau hin und nahm eine drohende Haltung ein.

      Dr. Bernau bemühte sich, beherrscht zu bleiben. So ganz wohl war ihm in diesen Augenblicken nicht in seiner Haut. Dieser Mann, der ihn anscheinend als eine Art Nebenbuhler ansah, machte nicht den Eindruck, als würde er sich mit ruhigen, vernünftigen Worten zur Räson bringen lassen. Eifersüchtige rasteten in der Regel sehr leicht aus. Dr. Bernau, der an sich ein Gegner von Gewalttätigkeiten war, hatte nicht das geringste Verlangen danach, dass dieser Klotz von Mann »ein Wörtchen mit ihm redete« – was immer der auch darunter verstehen mochte. Er konnte es sich aber gut vorstellen, denn man befand sich ja in Bayern.

      Jedenfalls stand jetzt alles auf des Messers Schneide. Ein unbedachtes Wort nur, und der von Eifersucht und Zorn erfasste junge Mann würde explodieren.

      Es war Christine, die reaktionsschnell eingriff und die Situation rettete. Blitzschnell stellte sie sich zwischen die beiden Männer. »Gehen Sie jetzt, Herr Doktor!«, bat sie dem Arzt. »Tut mir leid«, fügte sie flüsternd hinzu. »Und du, Hannes …« Unwillig funkelte sie ihren Freund an, »… werde wieder vernünftig! Du hast gar keinen Grund, den Eifersüchtigen zu spielen.«

      Dr. Bernau wartete die weitere Entwicklung gar nicht ab, sondern kam der Aufforderung der jungen Frau sofort nach. Grußlos verließ er eilig das Zimmer und Sekunden später das Heim.

      Zu


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