Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem

Gesammelte Werke - Eufemia von  Adlersfeld-Ballestrem


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sie das Werk eines Augenblicks, ihm langsam und unbemerkt von ihm zu folgen. Trotz ihres festen Zieles war ihr nicht eben behaglich zumut, die Möglichkeit, daß ihr Plan scheitern konnte, mußte auch in Betracht gezogen werden, und was dann? Rosig sah es überhaupt nicht für sie aus, besonders bei dem Gedanken an die Zukunft.

      »War die Vergangenheit etwa rosiger?« dachte sie mit bitterem Lachen. »Wahrhaftig, nein! Und doch war ich nicht unglücklich, trotzdem ich nie gewußt habe, was ›Liebe‹ ist. Ich habe mich nie zu jemand hingezogen gefühlt – ich habe Maurus Magyar sterben sehen, ohne daß ich gerührt war, und der selige Willmer ließ mich gletscherkalt. Aber es war doch besser, die wohlhabende Frau von Willmer zu sein, als die arme Komtesse Stahleck, die sich im Hause ihrer fürstlichen Verwandten jedes Kleid schenken lassen mußte. Nur einmal hat sich mein Herz geregt – nur einmal! Jo van der Lohe hätte es wecken können, wenn er gewollt hätte. Ich wäre ihm wahrscheinlich eine gute Frau geworden; er hätte vieles aus mir machen können. Da kam er mir mit dem Namen Maurus Magyar – und alles war vorbei. Es wäre vielleicht anders gekommen, wenn das blonde Mädchen den Fuß nicht über diese Schwelle gesetzt hätte – vielleicht auch nicht, wer kann's wissen?«

      Über diesen bitteren Betrachtungen hatte Frau von Willmer den See erreicht und war so versunken in ihre Gedanken, daß sie wirklich erschrak, als sich von der Steinbank am Ende der Allee plötzlich die Gestalt des Barons Hahn erhob, dessentwegen sie überhaupt doch nur gekommen war.

      »Mein Gott – wie haben Sie mich erschreckt!«

      »Das tut mir leid, meine Gnädigste,« entschuldigte er sich, nicht ohne Fluchtgedanken. »Sie kamen so in Gedanken verloren daher –«

      »Wissen Sie, woran ich dachte,« lachte sie, »es fängt an, hier langweilig zu werden. Da bleibt einem am Ende nichts übrig, als nachzudenken, wohin man sich retten könnte.«

      »In der Tat,« gestand er ein, »ganz mein Fall.«

      »Sympathie edler Seelen,« spottete sie.

      »Nun, wer weiß –!« meinte er im gleichen Ton.

      Jetzt lachte sie hell, aber nicht natürlich auf.

      »Nun, ich dächte, über die Sympathie unserer Seelen hätten wir uns in einer Weise aufgeklärt, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ. – Also, Sie wollen auch den Freuden des Landlebens entfliehen. Wann? Bald?«

      Er sah sie mißtrauisch an.

      »In diesen Tagen, denke ich,« sagte er obenhin.

      Nun schien Frau von Willmer der Augenblick gekommen; ehe sie sich ihre einleitenden Worte aber noch zurechtgelegt hatte, nahm Baron Hahn das Wort: »Ich möchte gern um Ihren Rat bitten, gnädige Frau,« begann er vorsichtig.

      »Um meinen? Ist das kein Irrtum, Baron?«

      »Durchaus nicht. Nämlich vorhin, als Sie mich hier so angenehm überraschten, machte ich gerade Zukunftsmusik.«

      »Wie interessant. Und ich dachte an die Vergangenheit.«

      »Desto besser, meine Gnädigste; wenn eine Frau an die Vergangenheit denkt, so läßt sich mit ihr reden, denn die Erinnerung macht weich und nachgiebig. Ich schöpfe daraus Hoffnung für mich wegen des erbetenen Rates – darf ich reden?«

      »Ich höre. Wir wollen sehen, inwieweit Ihre Voraussetzung recht hat.«

      »So hören Sie denn. Ich habe vor, mich in die höhere diplomatische Laufbahn hineinzubugsieren und wirklich vorwärtszukommen. Zu diesem Zweck will ich mich verheiraten, denn, meine Gnädigste, eine schöne Frau kann in der Diplomatie eine Macht werden.«

      »Und was soll ich dabei tun?«

      »Hören Sie weiter, ich will sehr, sehr offen sein. Natürlich habe ich mir auch über die irdische Gestalt meiner künftigen Frau ein Bild entworfen –«

      »Ach – es wird jetzt bedeutend interessanter!«

      »Nicht wahr? Nun denn, ich dachte dabei an das kleine Rotköpfchen hier im Hause. Die Kleine ist hübsch und rassig, aber – sie ist nicht von Adel!«

      »Der Adel könnte ihr beschafft werden!« rief Olga so hastig, fast atemlos aus, daß Baron Hahn, die Aufregung Frau von Willmers falsch deutend, nicht anders glaubte, als daß sie eifersüchtig sei, und daher eine kleine Schmeichelei für angebracht hielt.

      »Es war nur ein Gedanke der Verzweiflung, Olga! Wenn man einmal zu Ihren Füßen lag, dann –«

      »Ach Gott, lieber Baron, bemühen Sie sich doch nicht,« wehrte sie lachend ab, denn daß er ihr die Arbeit abnehmen könnte, hätte sie in ihren kühnsten Träumen nicht geglaubt.

      »Da Sie aber an Ihren ›Schritt der Verzweiflung‹ jedenfalls schon sehr ernstlich gedacht haben, so lassen Sie mich Ihnen vor allem Glück wünschen. Fräulein Eckhardt ist ein sehr schönes Mädchen, sie kann als Ihre Frau wirklich eine Macht werden. Übrigens hat Tante van der Lohe mir gesagt, daß sie für die Aussteuer des ihr ans Herz gewachsenen jungen Mädchens Sorge tragen will; sie kann ihr auch leicht den Adel beschaffen. Dann den Segen der Kirche darüber, und Sie haben Ihre diplomatische Macht, um mit ihr in alle vier Winde davonzufliegen.«

      »Olga, Sie reisen mit Siebenmeilenstiefeln. Ihr Eifer für mein Glück ist ja fast beängstigend,« lachte Baron Hahn nicht ohne Mißtrauen.

      »Ich habe noch niemals eine Ehe gestiftet, die Sache hat also den Reiz der Neuheit für mich,« erklärte sie, aus Vorsicht etwas zurückhaltender.

      »Fräulein Eckhardt muß doch erst gefragt werden,« wandte er ein, und zwar nicht ohne berechtigte Zweifel.

      »Ob sie Baronin Hahn werden will? Nun, sie wird doch nicht so töricht sein, ein derartiges Glück von sich zu weisen?«

      »Hm! Dies ›Glück‹ scheint doch nicht allgemein anerkannt zu werden,« sagte er ironisch, »man hat Beispiele. Aber wir wollen das mal beiseite lassen. In allem Ernst: Sie raten mir zu?«

      »Zu dem kleinen Rotkopf? Natürlich! Ich gönne dem jungen Mädchen wirklich ihr Glück. Sie werden Aufsehen mit dieser venezianischen Schönheit erregen.«

      »Mein Gedanke. Aber vorläufig weicht sie mir ganz entschieden aus,« gestand Hahn.

      »Ganz natürlich – solch schüchternes junges Ding. Aber wenn es Ihnen wirklich ernst ist, und nur dann, verstehen Sie wohl, so will ich's versuchen, den Vermittler für Sie zu machen,« bot Olga sich mit sehr natürlich gespielter Harmlosigkeit an.

      »Ist das Ihr Ernst?« fragte er mißtrauisch.

      »Ich werde doch in solchen Dingen keine unpassenden Scherze machen!«

      »Nun, dann gebe ich mich in Ihre Hände. Aber wahrhaftig, Olga, es ist nur ein Schritt der Verzweiflung. Nachdem ich das Unglück hatte, von Ihnen wiederholt abgewiesen zu werden –«

      »Lassen Sie doch Gras über die alten Geschichten wachsen, Baron!«

      Das sonderbare Paar ging eine Zeitlang schweigend nebeneinander her. Ihre Gedanken arbeiteten fieberhaft, seine nicht minder, wenn auch aus andern Ursachen.

      »Sie müssen, um mit Ihrer Brautwerbung zurechtzukommen, früh aufstehen,« unterbrach sie endlich die Stille.

      »Wie soll ich das verstehen?« fragte er erstaunt.

      »Sie müssen der Braut sicher sein, ehe mein Vetter heimkommt,« erwiderte sie lebhaft, »ich habe ihn nämlich in Verdacht, daß er dieselben Absichten hat wie Sie.«

      Hahn machte eine Bewegung der Überraschung.

      »So, so! Wann kommt van der Lohe zurück?« fragte er gespannt.

      »Es kann jeden Tag sein, jede Stunde vielleicht, was weiß ich!« sagte Olga achselzuckend. »Noch eins,« setzte sie stockend hinzu, indem sie stillstand, »Sie – Sie müssen Rose Eckhardt in dem Glauben lassen, daß ich Jos Verlobte bin.«

      »Ah – lebt sie in diesem Glauben?«

      »Ja – das heißt –


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