Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem

Gesammelte Werke - Eufemia von  Adlersfeld-Ballestrem


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Wald.

      Jetzt waren sie an Ort und Stelle; an einem schützenden Mauervorsprung schöpften sie Atem und strichen das wirre Haar aus der Stirn.

      »Ich werde dir sofort einen Mantel schicken,« sagte van der Lohe mit einem Blick auf ihr nasses Kleid.

      »Nein, nein, wir wollen erst das Wetter abwarten – ich ängstige mich hier allein,« rief sie hastig. »Höre nur, wie der Sturm rast! Die Ruine ist so unheimlich, bleibe hier, Jo! Oben ist ja eine alte Tischdecke, die kann ich umhängen.«

      Sich in sein Schicksal ergebend, folgte er ihr die Treppe zu dem Achteck hinauf, und dabei war's ihm, als hörte er drinnen Stimmen – eine drängende, zuredende, und eine leise abwehrende.

      Olga stieß die Tür auf und betrat das Gemach, van der Lohe folgte ihr auf dem Fuße und sah vor der geschlossenen Glastür Baron Hahn stehen, – den Arm um Roses schlanke Gestalt geschlungen.

      Van der Lohe taumelte einen Schritt zurück, dann trat er schnell vor.

      »Herr von Hahn, wie können Sie es wagen –« rief er, fast übermannt von seiner Bewegung.

      »Was wagen?« gab Hahn scharf zurück.

      Sprachlos deutete van der Lohe auf Rose, die ihn totenblaß, mit weitgeöffneten Augen ansah.

      »Ich habe mich eben mit Fräulein Eckhardt verlobt,« erwiderte Hahn die stumme Frage mit einem Seitenblick auf Olga.

      »Das ist eine Lüge,« donnerte van der Lohe zornesrot.

      »Für dieses Wort werden Sie mir Rechenschaft geben,« erwiderte Hahn nicht minder erregt.

      »Rose – Fräulein Eckhardt – ist es wahr?« fragte van der Lohe auf einmal sehr ruhig.

      Aber Rose konnte nicht antworten; stumm, mit gesenktem Blick stand sie da, ein Bild der Schuld in seinen Augen.

      Da wendete er sich, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, um und taumelte wie ein Blinder die Treppe hinab.

      Mir ist's zu wohl gegangen,

       Drum gings auch bald zu End':

       Scheffel

      Am nächsten frühen Morgen standen sich van der Lohe und Hahn auf der Waldblöße, die einst eine so frohe Gesellschaft vereinte, mit der Waffe gegenüber.

      Am Abend vorher hatte Sonnenberg seinem Gastfreunde Hahns Forderung überbracht und hinzugefügt: »Wissen Sie, es ist mir eigentlich sehr peinlich, der Sekundant Ihres Gegners zu sein. Aber der Professor hat es ausgeschlagen, und da mußte ich höflicherweise doch – wie konnten Sie den Baron aber auch so beleidigen?«

      Van der Lohe nahm die Forderung an und bat den Professor, ihm zu sekundieren. Der sagte sofort zu.

      »Der Beistand meines Wirtes und Freundes zu sein, ist mir jederzeit eine liebe Pflicht, wenn auch die Veranlassung eine traurige ist,« sagte er, »und da es nun einmal die Sitte will, daß man sich um ein schnell gesprochenes Wort totschießen muß, so sei es denn.«

      Es galt nun vor allem, den Damen den Vorgang zu verheimlichen, und es gelang auch; selbst Olga, die die Bedeutung des Wortes »Rechenschaft« droben in der Ruine in seiner vollen Tragweite verstanden hatte, ahnte nicht, daß die nächsten zwölf Stunden schon die Beleidigung mit Pulver und Blei auslöschen sollten.

      Um drei Uhr morgens brachen die Herren auf. Die Nacht war von den Duellanten zur Ordnung ihrer Geschäfte benützt worden, ein jeder hatte noch Briefe geschrieben und sein Testament gemacht und hatte dann zur Not noch ein paar Stunden Schlaf gefunden.

      Und jetzt standen sie einander gegenüber, des Zeichens wartend, Hahn etwas vorgeneigt, mit lauerndem, schnellem Blick seine Aussichten abwägend, die Festigkeit seines Armes prüfend; er war nicht feige, aber er bekam ein wenig das Fieber, als er daran dachte, daß er seine Erbschaft möglicherweise umsonst gemacht haben könnte. Van der Lohe stand ihm gelassen gegenüber, seines Gegners hagere, geschmeidige Gestalt beinahe um Kopfeslänge überragend.

      »Eins – zwei – drei!« rief der Professor, und die Schüsse krachten zu gleicher Zeit. Niemand außer Körner hatte bemerkt, daß van der Lohe im entscheidenden Augenblick den Arm um eines Haares Breite erhoben und nach oben gezielt hatte; die Kugel war auch richtig durch Hahns Hut gegangen und hatte ihn hinabgerissen, die Duellanten standen sich, als der Schuß krachte, ebenso gegenüber wie vorher, nur daß van der Lohes linker Arm heftig blutete.

      Es war unmöglich gewesen, einen Arzt in der kurzen Zeit zu benachrichtigen, und so mußte der Professor denn all seine chirurgischen Kenntnisse hervorsuchen, um den Arm so gut wie möglich zu verbinden. Während dies geschah, trat Hahn an den Verwundeten heran und reichte ihm die Hand.

      »Ich bedaure sehr, Sie verwundet zu haben,« sagte er höflich, »um so mehr, als Sie mein Wirt sind. Ich erkläre meine Genugtuung für vollkommen.«

      »Und ich bedauere meine vorschnellen Worte,« erwiderte van der Lohe, »Wirte dürfen ihre Gäste nicht beleidigen, um so größer ist also meine Schuld.«

      Hahn grüßte und ging mit Sonnenberg nach Eichberg zurück, Körner folgte langsam mit seinem Freunde.

      Im Landhaus angekommen, fanden sie natürlich alles noch im schönsten Morgenschlummer vor. Ein schnell geweckter Diener holte den Wundarzt des Ortes herbei, und nachdem dieser den Arm verbunden und eine zwar schmerzhafte, sonst aber unschädliche Fleischwunde festgestellt hatte, konnten die anderen Bewohner des Hauses sich eine Stunde später erheben, ohne irgendeine Ahnung von dem Vorgefallenen zu haben.

      Van der Lohe saß an seinem Fenster, matt zum Tode, körperlich wie geistig. Er hatte Rose wiedergefunden als die Braut eines anderen! Das war's, was so bitter schmerzte, so über alle Maßen: daß sie allen Glauben an Treue und Liebe in ihm zerstört hatte, daß sie falsch war, treulos wie das Glück selbst.

      Und über ihm, zu seinen Häupten, da lag Rose auf ihrem Lager und rang mit ihrem Leid. Als sie, getrieben von der Macht der Gewohnheit, zur gewohnten Stunde aufstand nach der langen, schlaflosen Nacht, fielen ihre Blicke in den Spiegel, und sie erschrak vor ihrer Blässe, den matten, erloschenen Augen. Und wie sie mit der Rechten langsam die wirren Haare von der Stirn zurückstrich, da fühlte sie den Ring an ihrem Finger, den Hahn von seiner eigenen Hand gezogen und ihr angesteckt hatte, einen schweren Goldreif mit einem diamantumfaßten Saphir geschmückt; erschrocken ließ sie die Hand sinken und blickte scheu darauf hernieder, als fürchte sie sich davor, dann zog sie den Ring entschlossen ab und warf ihn in ein Kästchen.

      Die Glocke klang durch das Haus, das Zeichen zur Versammlung im Frühstückszimmer, und Rose mußte sich beeilen, fertig zu werden; erst als sie drunten an der Tür stand, dachte sie daran, sich entschuldigen zu lassen, – es war die Gewohnheit, die sie heruntergeführt. Jetzt aber half kein Zögern mehr; sie öffnete die Tür und fand alle versammelt, Baron Hahn eilte ihr sofort entgegen, ihre Hand ergreifend, und mit Bestürzung fühlte sie aller Augen auf sich gerichtet.

      Was er zu ihr sprach, sie verstand es kaum, denn sie sah bloß van der Lohes hohe Gestalt, den linken Arm in der Binde, drüben am Fenster stehen, und den Blick auf sie mit unbeschreiblichem Ausdruck geheftet. Sie hatte das Gefühl, daß sich alles im Wirbel um sie drehte, und wie im Traum hörte sie die Stimme der alten Dame, die ihr zurief: »Willkommen, liebes Kind! Lassen Sie mich Ihnen sagen, wie herzlich ich mich über diese Neuigkeit gefreut habe. Unser lieber Baron Hahn hat sich eine auch mir sehr liebe Braut gewählt. Ich betrachte Sie jetzt als meine Tochter, liebes Kind, Sie dürfen nur von hier aus vor den Altar treten. Nicht wahr, lieber Jo?«

      »Du hast allein zu bestimmen, Mutter,« erwiderte die bekannte tiefe, klare Stimme. »Die Wahl deiner Gäste ist stets unbeeinflußt von mir geblieben.«

      Diese ruhigen, kühlen Worte gaben Rose alle Selbstbeherrschung zurück, – nein, er sollte und durfte nicht sehen, daß sie keine glückliche Braut war.

      Olga lehnte befriedigt lächelnd in ihrem Sessel. »Eine wahrhafte Komödie der Irrungen,« dachte sie, scharf beobachtend, und hatte damit das rechte Wort, die wahre Bezeichnung gefunden, nur mit dem wesentlichen Unterschied, daß es eben für sie eine


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