Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem

Gesammelte Werke - Eufemia von  Adlersfeld-Ballestrem


Скачать книгу
der Lohe ihre Aussteuer, Hahn seinen Ring zurückzugeben. Aber auf der Schwelle dazu stockte ihr Fuß, und die Scheu vor dem Gerede der Welt hielt sie zurück.

      »Ich muß wahnsinnig gewesen sein, als ich Hahn mein Jawort gab,« dachte sie, »wie er auch drängte, mein ›Nein‹ hätte mich wenigstens vor diesem Elend bewahrt. Aber da klang Jos Schritt die Treppe herauf, ich hörte seine Stimme, und da war es vorbei. Er mußte gleich, sofort sehen, daß sein Spiel mich nicht getroffen – o mein Gott, wie soll das enden?«

      Dann wurde sie zu Frau van der Lohe hinabgerufen – Hahn war angekommen. Sie zeigten ihr die mitgebrachten Urkunden, es war alles in Ordnung, und der Baron wollte sofort zum Eichberger Pfarrer hinab ins Dorf, um das Aufgebot und die Trauung zu bestellen. Zeugen sollten nur die im Landhause Anwesenden sein, von Hochfelden konnte oder wollte niemand kommen.

      »Muß es denn gleich sein?« fragte Rose leise, »ich wäre so gern vorher noch einmal nach Hochfelden gefahren.«

      »Dahin reisen wir nach der Hochzeit,« entgegnete Hahn bestimmt. »Nein, nein, Sie sind hier nötig wegen der Aussteuer, Fräulein Eck – von Fels,« rief die alte Dame, die nichts so fürchtete, wie eine Zusammenkunft Roses mit ihren Hochfeldener Freunden. Es konnte dort zu Auseinandersetzungen kommen – nein, als Baronin Hahn mochte sie gehen, wohin sie wollte, dann war sie unschädlich. Rose mußte sich fügen.

      Johann van der Lohe ahnte nur zu gut, was seine Mutter so rastlos und eifrig machte, denn er kannte die Geschichte ihrer Jugend schon lange, den Stahleck-Felsschen Prozeß und den alten Familienhaß; die »schwäbischen Montecchi und Capuletti« wurden die beiden Familien sprichwörtlich genannt. Ihm war nur die Fürsorge seiner Mutter für die Tochter ihres untreuen Verlobten ein psychologisches Rätsel.

      Es war kurze Zeit vor dem festgesetzten Hochzeitstage, als er wieder einmal Körners Werkstatt besuchte.

      »Ein seltener Gast,« rief der Künstler ihm zu, »ich dachte wahrhaftig schon, Sie hätten den Weg hierher vergessen.«

      »Ich hatte viel zu arbeiten,« entgegnete van der Lohe, »es gab eine Menge zu tun.«

      »Sie sollten sich mehr Ruhe gönnen, Freund,« sagte Körner mit einem Blick auf dieses ernste, ruhige Antlitz.

      »Ich werde später reisen – vielleicht schon im Herbstanfang. Ich wollte schon lange einmal Ägypten sehen; vielleicht bringe ich den Winter dort zu.«

      »Da sind Sie aber auch nicht sicher vor meiner Gesellschaft,« meinte Körner lachend, »wenn ich Sie dort weiß, dann mache auch ich mich eines Tages auf nach jenem Lande,

      Wo der Weise stets zufrieden

       Auf erhab'nen Pyramiden

       Stumm in seinen Busen greift,

      oder wie es sonst in jener unsterblichen ›Wanderlust‹ mit dem Kehrreim:

      Dahin, Alter, laß mich ziehn!

      heißt. Aber im Ernst – es kann wirklich so kommen!«

      »Desto besser,« erwiderte van der Lohe herzlich, »doch ich stehe nicht für weite Ausflüge.«

      »Ich auch nicht, lieber Freund!«

      »Nun, dann wären wir ja einig! Topp!«

      »Topp!«

      Es entstand eine kleine Pause, während van der Lohe sich eine Zigarette anzündete.

      »In zwei Tagen müssen wir uns ja in ein hochzeitliches Gewand werfen,« begann der Professor dann sein heikles Thema, »das ist etwas ziemlich Neues für mich, denn ich habe bisher nur einer einzigen Hochzeit beigewohnt.«

      »Ich wollte, es wäre vorbei,« unterbrach ihn van der Lohe, unwillkürlich seinem Empfinden Ausdruck gebend.

      »Sie meinen wegen der Unruhe? Ihre Mutter entwickelt einen Eifer, der –«

      »Der einer besseren Sache würdig wäre,« vollendete van der Lohe nicht ohne Bitterkeit. »Ich ginge am liebsten gleich, um der ganzen Komödie hier zu entgehen.«

      »Das können Sie Hahns wegen nicht.«

      »Ich weiß! Er würde mir ein zweites Mal den Arm noch besser treffen.«

      »Sicher, ich halte ihn für einen gefährlichen Menschen. Sich seiner Hochzeit, die in Ihrem Hause gefeiert wird, zu entziehen, hieße ihn auch wirklich ohne Not herausfordern.«

      Van der Lohe antwortete nicht, denn dieses Thema gleichgültig zu besprechen, kostete ihn immer noch Überwindung, obgleich die Wunde ja schon nahezu einen Monat alt war. Aber der Professor ging von dem Grundsatz aus, daß die Besprechung einer Sache ihr die Spitze nimmt, und nach kurzem Besinnen sagte er herzlich: »Jo, ich kann mit Ihnen fühlen. Es ist ein hartes Ding um den Gedanken, dem verlorenen Glück die Hochzeitsfeier rüsten zu müssen! Ein verzweifelter Gedanke sogar! Halten Sie mich nicht für zudringlich und unverschämt – ich meine es ehrlich!«

      »Ich weiß es,« erwiderte van der Lohe trübe. »Das Glück ist eben nicht für jedermann, Körner! Es ist eine gerechte Strafe dafür, daß ich auf ein wankelmütiges Mädchen baute.«

      »Ich kann's nicht von dem Heideröslein glauben,« brach Körner aus.

      »Aber die Beweise, Professor!«

      »Beweise können auch trügen – da sehen Sie! – sieht eine glückliche Braut so aus?«

      Van der Lohe folgte der von der Hand des Professors angegebenen Richtung. Rose ging draußen eben vorüber, das blasse Gesicht gesenkt wie eine welkende Rose am Stamm, Schmerz in den Zügen, trostlose Trauer in den Augen.

      Van der Lohe sah ihr lange nach.

      »Mir sagte sie beim Abschied das Wort der Liebe, und bei der Wiederkehr fand ich sie als die Braut eines andern. Wie reimt sich das?«

      »Und am Abend des Tages Ihrer Abreise kam ich eben noch zurecht, um das verstörte Mädchen vom Tode zu retten. Sie ging freiwillig die Stufen der Ruine zum See hinab.«

      »Körner!« rief van der Lohe emporfahrend. »Was war da geschehen?«

      »Sie weigerte sich, es zu sagen. Es war eben der Anfang zu all dem; Freund, glauben Sie mir, ein Irrtum oder etwas dergleichen muß zwischen Sie und Rose Fels getreten sein. Ich kann nicht glauben, daß sie treulos ist!«

      »Wie dem auch sei – es ist zu spät,« sagte van der Lohe müde.

      »Zu spät,« wiederholte Körner. »Wenn Roses Charakter nicht so in sich gekehrt und verschlossen wäre, wenn sie mir vertraut hätte – bei Gott, sie weiß nicht, welchen Freund sie an mir hat. Ich kann nur – verzeihen Sie mir's – ich kann nur Ihre Mutter hinter all dem vermuten!«

      Johann schüttelte den Kopf.

      »Meine Mutter hat nie Augen für Herzensangelegenheiten gehabt.«

      »Dafür aber andere.«

      Van der Lohe antwortete nicht. Nach einer Weile sagte er scheinbar ruhig: »Es ist nutzlos, darüber zu grübeln. Ich wollte, es wäre alles vorüber, die Erwartung des Hochzeitstages ist schon ein kleiner Vorgeschmack des Fegefeuers.«

      Körners Nachrichten hatten ihn aber mehr erregt, als er sich selbst gestand, und da der Verdacht einmal geweckt worden war, so dachte er anhaltend darüber nach, und kam zu dem Schluß, die Hand seiner Mutter hinter all dem Rätselhaften, das ihn umgab, tatsächlich zu suchen. Es konnte nicht anders sein – es mußte jemand einen unbewachten Blick aufgefangen und ihr hinterbracht haben. und sie, die stolze Frau, hatte wahrscheinlich ihre Vorleserin zu gering für ihren Sohn erachtet. Der Rest aber, was Rose dazu bewogen hatte, sich mit Hahn zu verloben, war und blieb ihm unverständlich.

      Und so kam der Hochzeitstag heran.

      Die Sonne war längst schon aufgegangen, als Rose die Augen aufschlug – sie hatte so schwer geträumt, daß sie noch ganz verwirrt war. Schnell erhob sie sich, und gerade wollte sie beim Anblick des schönen Tages leise vor sich hinsummen:

      »O Sonnenschein, o Sonnenschein,

      


Скачать книгу