Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem

Gesammelte Werke - Eufemia von  Adlersfeld-Ballestrem


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danke – ich muß auf mein Zimmer,« stammelte sie, »ich – ich habe Kopfschmerzen.«

      Hahn brach in einen Strom von bedauernden Worten aus, aber Rose wurde von Olga unterstützt, die schnell sagte: »Unser zartes Bräutchen muß Ruhe haben, Baron! Die Männer sind so selbstsüchtig, besonders verlobte. Kommen Sie, Kind, ruhen Sie einige Stunden, das wird Ihnen gut tun.«

      Sie führte Rose schnell aus dem Zimmer und flüsterte ihr draußen zu: »Hab' ich das nicht gut gemacht? Ich danke Ihnen übrigens, daß Sie um meinetwillen so tapfer entsagt haben!«

      Rose überkam ein plötzlicher Ekel vor dieser Frau, sie schüttelte sie von sich ab und sagte abweisend: »Nicht um Ihretwillen habe ich entsagt, gnädige Frau, sondern um meinetwillen, wie es meine Frauenwürde von mir verlangte.«

      »Ah – schön, schön,« machte Olga höhnisch, »und Ihrer Frauenwürde zuliebe griffen Sie natürlich auch sofort nach dem Brautring des andern.«

      »Ja, denn durch diesen Brautring bin ich ihm verloren! Ich hatte vorher niemand, der mich schützen konnte – jetzt schützt mein Verlobter Sie vor der ferneren Untreue des Ihrigen!« erwiderte Rose außer sich und ging die Treppe hinauf. Droben im oberen Flur begegnete ihr Carola, die, ohne sie zu beachten, an ihr vorbeiging.

      »Fräulein van der Lohe,« rief Rose ihr nach, »habe ich Ihnen etwas getan?«

      Carola war stehengeblieben, antwortete aber nicht.

      »Ich hielt Sie für meine einzige, wirkliche Freundin,« sagte Rose traurig.

      »Ich war's bis gestern abend,« sagte Carola scharf und schneidend, »aber die künftige Baronin von Hahn ist mir leider unverständlich geworden, ich habe von jeher für Wetterfahnen nichts übrig gehabt.«

      Da senkte Rose den Blick.

      »Ich muß das harte Wort ertragen,« sagte sie leise, indem sie weiterging, aber schon stand Carola neben ihr.

      »Rose, sind Sie krank?« fragte sie, halb besorgt, halb rauh

      »Krank?« wiederholte Rose, »ich glaube, ja, – sterbenskrank.«

      »Haben Sie Schmerzen?«

      »Unsagbare, – Seelenschmerzen!«

      Jetzt war's vorbei mit Carolas Zurückhaltung, ihr gutes Herz behielt die Oberhand. Wenigsten hätte niemand vermutet, als sie jetzt mit schwesterlicher Fürsorge Rose zur Ruhe brachte, daß sie ihr soeben erst mit den deutlichsten Worten die Freundschaft gekündigt hatte.

      Rose hätte das kleine Fräulein leicht beruhigen können, indem sie ihr den Grund sagte, der sie zur Annahme von Hahns Hand bewogen, aber es lag nicht in ihrer Natur, über ihre inneren Angelegenheiten zu sprechen; sie gehörte nicht zu den Menschen, die, den Grundsatz befolgend, daß geteilter Schmerz halber Schmerz ist, alle Welt zu Vertrauten machen. Carola mußte sich also damit begnügen, selbst das Rätsel zu lösen, und daß sie damit auf gutem Wege war, durfte ihr schon zugetraut werden.

      Van der Lohes Natur glich in dieser Beziehung ganz der Roses. Auch er betrachtete den Schmerz als etwas zu Heiliges, um mit ihm hausieren zu gehen, und trug ihn lieber länger allein, als kürzer und mitgeteilt; kein Mensch ahnte, was in ihm vorging, er war vielleicht nur noch ernster als sonst. Seine Wunde war auf einen Sturz geschoben worden, an den die Damen alle, mit Ausnahme von Olga glaubten. Auch seine Mutter war vollkommen ruhig.

      »Es war eine Phantasie Olgas,« dachte sie, »er hat niemals an die Eckhardt gedacht! Wie könnte er sonst so ruhig sein?«

      Nur einer sah tiefer, und das war Professor Körner. Er hatte selbstverständlich den Vorfall im Achteck der Klosterruine haarklein erfahren und darüber nachgedacht, aber hier Worte der Teilnahme sagen, war eine schwere Aufgabe. Einem verwundeten Herzen mit Trostgründen kommen, ist ebenso undankbar wie fruchtlos, die einzige Trösterin ist die Zeit.

      Der Professor wartete also seine Zeit ab. Er sah, wie van der Lohe sein Tagewerk versah, wie er trotz seiner Wunde nach den Eisenwerken ritt, wie er teilnahm an der Unterhaltung – gewiß, es war alles wie früher und doch anders.

      Auch Rose schien ganz ruhig, nur war sie blaß und sehr still, Herr von Hahn aber war »ein Musterbräutigam«, wie Carola mit unverhohlenem Spott laut verkündigte.

      »Warum tragen Sie meinen Ring nicht, Rose?« hatte Hahn einmal gefragt.

      »Er ist zu groß – und drückt mich!« war ihre ruhige Antwort, womit sie zum ersten Male wissentlich eine Unwahrheit sagte, und sie achtete nicht darauf, als Hahn die ebenso lächerliche wie unsinnige Bemerkung machte, er würde den Ring mit Sammet und Eiderdaunen füttern lassen.

      Carola aber hörte diese Redeblüte, stand auf und verließ das Zimmer mit den Worten: »Es wird mir hier zu geistvoll, der höhere Blödsinn geht über meinen Horizont!«

      »Mein Gott, wie eben Brautpaare sind,« meinte Frau van der Lohe entschuldigend. »Übrigens, Jo, sagtest du nicht, du hättest mir ein Andenken von der Reise mitgebracht?« fügte sie schnell hinzu, um dem Gespräch eine andere Wendung zu geben.

      »Ich bringe es dir später herüber, Mutter,« erwiderte van der Lohe und kam dann nach dem allgemeinen Aufbruch in ihr Zimmer, um ihr einen prächtigen Kasten von Ebenholz, wundervoll gearbeitet mit Silberzieraten und gefüllt mit kostbaren Parfümen, zu überreichen.

      Sie dankte, sichtlich hocherfreut.

      »Wie freundlich von dir, an meine Vorliebe für Parfüm zu denken, Jo! Ich hatte seit Tagen meinen letzten Tropfen verbraucht und wagte nicht, dich mit einem Auftrage zu behelligen.«

      »Um so mehr freue ich mich, deine Wünsche erraten zu haben,« erwiderte er. »Gute Nacht, Mutter.«

      »Jo –!«

      »Ja, Mutter.«

      »Jo, wie ist es mit Olga?« fragte sie zögernd.

      »Ich habe ihr einen Fächer mitgebracht.«

      »Das meinte ich nicht. Du weißt schon – mein Lieblingsplan – wirst du sie mir als Tochter zuführen?«

      »Nein,« entgegnete er hart, fast heftig, »ein für allemal nein!«

      »Du bist grausam, Jo!« rief Frau van der Lohe klagend. »Was hast du nur gegen sie?«

      »Sie ist mir unsympathisch, und da ich sie heiraten soll und nicht du, so genügt doch das eigentlich für meine Weigerung, nicht wahr?« sagte er nicht ohne Humor, fügte aber ernst hinzu: »Olga Willmer ist keine gute Frau, es wird mir oft schwer, ihr gegenüber die Höflichkeit des Wirtes aufrechtzuerhalten.«

      »Das Unglück, dir zu mißfallen, haben die meisten meiner Gäste,« antwortete Frau van der Lohe unlogisch.

      »Der arme Leßwitz –«

      »Ist mir völlig gleichgültig.«

      »Dann der liebe Baron –«

      Van der Lohe lachte bitter.

      »Dein lieber Baron ist ein geriebener Kunde, ein krasser Egoist.«

      Frau van der Lohe seufzte.

      »Es ist ein schlimmes Gutenacht für mich,« sagte sie, »ich kann nur mit Trauer im Herzen meinem liebsten Wunsch entsagen.«

      »Je eher das geschieht, desto besser, liebe Mutter.«

      Die alte Dame ergriff fest ihres Sohnes Hand.

      »Jo,« sagte sie leise, aber dringend, »Jo – du – du liebst – eine – andere?«

      Er holte tief Atem.

      »Das ist vorbei,« erwiderte er rauh.

      »Jo – war es – war es dieses Mädchen – Hahns Braut?«

      »Gute Nacht!« sagte er statt aller Antwort und ging rasch hinaus.

      Als die Tür hinter ihm zugefallen war, blieb die alte Dame so in ihre Gedanken versunken zurück, daß sie nicht sah, wie Olgas aschfarbenes Antlitz mit unheimlich


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