Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem

Gesammelte Werke - Eufemia von  Adlersfeld-Ballestrem


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müssen – es war unrecht von mir, bis zum letzten Augenblick zu warten. Wenn Sie können, so vergeben Sie mir.«

      »Vergeben Sie mir!« äffte er ihr nach. »Und damit soll ich wohl wie ein begossener Pudel abziehen? Nein, so haben wir nicht gewettet! Versuchen Sie das mit anderen, ich lasse mich nicht zum Narren halten!«

      In seiner Aufregung hatte er das Nahen der anderen nicht bemerkt, die ihm nachgeeilt waren; sie sahen gerade noch, daß er die Faust gegen Rose erhob.

      »Aug' um Aug', Zahn um Zahn,« rief sie, ohne zurückzuweichen, mit lauter, klingender Stimme, »man hat auch mich genarrt. Jetzt aber bin ich frei – so, so!«

      Und mit einem Griff riß sie Kranz und Schleier vom Kopfe und schleuderte beide zusammengeballt ins Wasser.

      Das aber war zu viel für Hahns Temperament › mit einem Wutschrei vergaß er sich soweit, Rose einen Stoß zu versetzen, der ihr das Gleichgewicht raubte und sie in den See schleuderte. Ein Ausruf des Schreckens aus dem Kreise der Nachgekommenen beantwortete die rohe Tat, und ehe Hahn noch selbst zum Bewußtsein kam, trug van der Lohe Roses wassertriefende, weiße Gestalt schon ans Ufer.

      Er legte sie sanft auf den Rasen, sie aber richtete sich selbst auf.

      »Jetzt ist mir wieder wohl! Die kühlen Wellen haben den ganzen bösen Traum weggespült,« sagte sie mit glücklichem Lächeln.

      Der böse Traum aber schwebte in Gestalt von Kranz und Schleier auf dem Wasser und sank dann unter in die Flut des Vergessens.

      Und ob ein Engel Gottes dir vergäbe,

       Was du gefrefelt hast im blinden Wahn,

       Du weißt: Die Rache lebt, so lang ich lebe

       Und nie vergißt sie, was du mir getan.

       Max Kalbeck

      Frau van der Lohe hielt sich für den Rest des Tages eingeschlossen in ihrem Zimmer und brachte auch die folgende Nacht schlaflos zu. Es war wie ein Fieber über sie gekommen, das sie nicht ruhen und rasten ließ und ihr den Anblick von Menschen unerträglich machte. Baron Hahn, der am Abend abgereist war, wurde von ihr nicht empfangen, nicht um seiner rohen Tat willen, nein, denn in der Seele der alten Dame war sogar das Bedauern aufgestiegen, daß der See an jener Stelle nicht tief genug gewesen. Nicht eine Spur von Mitleid empfand sie für das arme Mädchen, Egon von Fels' Tochter, denn der alte Haß gegen den Treulosen, der so lange halb vergessen geschlummert hatte, war aufs neue in ihr erwacht und erdrückte jedes bessere Gefühl und die Vernunft in ihr.

      »Hätte Egon Fels mich damals nicht verlassen, mir nicht den Ring wiedergegeben, mein Herz nicht verbittert, ich wäre anders geworden, glücklicher,« klagte sie in ihrer Einsamkeit, »ich gehörte zu jenen, von denen der Dichter sagt, daß sich ihr Herz duldend wandte und voll Haß und Finsternis wurde. Ich heiratete dann ohne Liebe, den Kaufmann, des Geldes wegen – es war ja immer besser, die reiche, bürgerliche Kaufherrnfrau zu sein, als die arme verbitterte, verblühende Komtesse Stahleck, die gewendete und gefärbte Kleider trug und oft nur Kartoffeln zum Mittagessen hatte. Aber dem steinreichen Patrizier van der Lohe taten es meine von Mangel und Kummer spitz gewordenen Züge doch an, und ich – nahm seine Hand. Mein Herz spielte keine Rolle dabei, das hatte Egon Fels gehört, und er hatte es verschmäht.

      Und jetzt nach langen, langen Jahren kommt seine Tochter über meine Schwelle und raubt mir meines Sohnes Herz! Hätte der See sie doch behalten, aber Jos Arm rettete sie! Er liebt sie, er wird sie zu gewinnen suchen – aber er darf nicht! Solange ich lebe, solange ich atme, wird die Tochter von Egon Fels niemals meine Tochter – nie! Ja, Egon Fels, jetzt will ich Vergeltung üben, ich werde meinem Sohne den Schwur abnehmen, deine Tochter nie zu heiraten, ich werde deine Tochter elend machen, wie du mich elend gemacht hast! Du kanntest mich schlecht, wenn du meintest, daß dein blondes Kind, das deine Augen und Züge und Haare hat, mein Herz gewinnen und den Haß sühnen würde! Nein, den alten, kaum vernarbten Haß hat dein Kind wieder zur hell lodernden Flamme angefacht! Sie muß fort aus meinen Augen – aber dann wird mein Sohn ihr nachziehen und sie doch finden! Mein Gott, welche Qualen sind das, welche Qualen!«

      Für Hahn war es eine Erleichterung, seine Wirte vor seiner Abreise nicht mehr zu sehen; er sandte Mutter und Sohn nur seine Karte. Im Begriff, Olga aufzusuchen, begegnete ihm Carola, die ihm »im Auftrage der Baronesse Fels« ein kleines Päckchen einhändigte. Es enthielt seinen Ring, das Brillantkreuz und die Briefe, die er ihr geschrieben – alle uneröffnet. Einen Fluch zwischen den Zähnen murmelnd, steckte er das Päckchen zu sich und klopfte eine Minute später bei Olga an.

      »Ich komme, Ihnen Lebewohl zu sagen,« begann er.

      »Ah – Sie reisen?«

      »Nun, ich dächte, das ist das einzige, was mir zu tun übrig bleibt! Ich bin nur froh, daß van der Lohe ausgeritten ist und seine Mutter niemand empfängt, dem Fräulein Carola habe ich mich soeben auf der Treppe empfohlen, dem Professor und Sonnenberg schicke ich Karten, da sie beide wie auf Verabredung verduftet sind.«

      »Und Rose?« fragte Frau von Willmer taktlos.

      »Nennen Sie mir diesen Namen nicht!« schrie er zornesrot, »ich bin fertig mit diesem undankbaren, teuflischen Geschöpf! Übrigens,« fügte er boshaft hinzu, »übrigens rate ich Ihnen, sich beizeiten von hier zu entfernen, ehe es für Sie schwül wird – der Rotkopf schrie am See sehr anzügliche Bemerkungen in die Welt hinaus; sie ist ein gefährlicher Charakter und könnte, da sie anscheinend Wind hat, unbequem für Sie werden.«

      Olga lachte laut auf.

      »Sie sehen Gespenster, Baron! Im schlimmsten Falle werde ich dem kleinen Mädchen doch überlegen sein.«

      »Das müssen Sie allerdings besser wissen. Jedenfalls darf ich wohl annehmen, daß Sie Fräulein von Fels zu ihrem heutigen Streich nicht angestiftet haben!«

      »Das ist eine ungehörige Bemerkung, Baron!«

      »Wenn Sie nicht dahinter stecken, was ich annehmen möchte, so erlaube ich mir, Sie an unsern mit Handschlag besiegelten Vertrag zu erinnern.«

      »Ich habe wahrhaftig Furcht, ihn einzuhalten,« erwiderte sie lachend, »Sie sind so heftig – und ich möchte nicht gern ohne weiteres ins Wasser geworfen werden.«

      Hahn wurde, zu seiner Ehre sei's gesagt, rot.

      »Bei Leuten, die sich verstehen, wie wir –«

      »Nun denn,« erwiderte Olga zögernd, »so bereiten Sie alles vor, insgeheim natürlich, denn die Welt und – hauptsächlich meine Verwandten hier sollen mit der Nachricht unserer Vermählung überrascht werden. Ich liebe Überraschungen.«

      »Wo sie angebracht sind,« erwiderte er, indem er Olgas schöne Hand an seine Lippen führte. Dann holte er das eben erhaltene Kästchen mit Kreuz und Ring heraus und legte es auf den Tisch.

      »Ich erhielt die Sachen zurück; Sie nehmen sie wohl in Verwahrung, Olga!«

      Mit diesem fein gebotenen Geschenk schlug der Baron zwei Fliegen mit einer Klappe. Olga empfand das auch, denn sie lächelte boshaft, und als er fort war, betrachtete sie prüfend den Schmuck.

      »Gute Brillanten,« meinte sie befriedigt und legte sie in ihren Schmuckkasten, der seit heute früh auch Frau van der Lohes Halsband enthielt, die Belohnung der alten Dame für Olgas Hilfe »zur Abwendung einer drohenden Gefahr«. Diese war zwar durch das eigenmächtige Eingreifen des »kleinen Rotkopfes« wieder in vollstem Umfang da, aber Olga war durchaus nicht geneigt, ihre blitzende Belohnung wieder herzugeben.

      Am nächsten Morgen klopfte Rose bei Frau van der Lohe an, die sie mit einem langen Blicke maß, ehe sie kalt fragte: »Was wünschen Sie von mir, Fräulein von Fels? Ich habe Sie nicht rufen lassen.«

      »Ich komme, Sie um meine Entlassung zu bitten, gnädige Frau,« erwiderte Rose gelassen. »Zugleich möchte ich Ihnen auch für Ihre Güte danken, die ich so schlecht vergolten habe. »

      »Ihre Torheiten fallen auf Sie zurück,« war die kühle Erwiderung.

      »Sie haben recht, gnädige Frau,« sagte Rose bescheiden,


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