Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem

Gesammelte Werke - Eufemia von  Adlersfeld-Ballestrem


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wirst, so gute Nacht!«

      »Halt, nicht so rasch, Carola!«

      »Aha! Nun?«

      »Glaubst du, daß Heideröslein einen Band alter deutscher Gedichte besitzt?«

      »Ich weiß es sogar sicher,« erwiderte Carola aufhorchend.

      »Nun gut, so sage ihr, meine Botschaft an sie wäre die vierte Strophe von Simon Dachs ›Ännchen von Tharau‹!«

      »Will's bestellen,« nickte Carola und flog die Treppen hinauf zu Rose.

      Deren Wangen überflog ein rosiger Schimmer, als sie stumm den Gedichtband herbeiholte und das Simon Dachsche Lied aufschlug.

      »Vierte Strophe – da!« rief Carola, und Rose las halblaut:

      »Würdest du gleich einmal von mir getrennt,

       Lebtest da, wo man die Sonne nicht kennt,

       Ich will dir folgen durch Länder und Meer,

       Eisen und Kerker und feindliches Heer.«

      Da fiel auf das Blatt mit dem alten Lied eine stille Träne hinab, eine Träne des Glücks.

      Carola strich liebkosend über Heiderösleins Haar, dann sagte sie ein leises Gute Nacht.

      Aufgeschreckt aus seliger Träumerei, erwiderte Rose es mechanisch, dann fügte sie stockend hinzu: »Carola – wenn Sie Herrn van der Lohe sehen, so – bitte, sagen Sie ihm – meine Antwort sei die zweite Strophe desselben Gedichts.«

      Carola schoß wie ein Pfeil die Treppe hinab und in ihres Vetters Zimmer. Er saß noch am Schreibtisch und schien die Nahende gar nicht gehört zu haben.

      »Jo!«

      »Ah, du Carola?«

      »Wie du siehst! Antwort: Strophe zwei aus ›Ännchen von Tharau'.«

      Dann klappte die Tür zu, und das kleine Fräulein suchte ihr Zimmer und den ruhigen Schlaf derer, die zufrieden mit ihrem Tagewerk sind.

      Die Strophe aber, die van der Lohe aufschlug, lautete:

      ›Käm‹ alles Wetter gleich auf uns zu schlan,

       Wir sind gewillt, beieinander zu stahn.

       Krankheit, Verfolgung, Betrübnis und Pein

       Soll unsrer Liebe Verknotigung sein.«

      Am nächsten Morgen war der Aufbruch. Van der Lohe hatte vor dem Hause kurz Abschied genommen, den seine Mutter mit Falkenaugen beobachtete, – Rose durfte nicht von ihrer Seite weichen.

      »Wenn sich der Herbst, der Gott Bacchus geweihete, nahet,

       Sieh, dann verblühen die Rosen, und also ach, scheidest auch du!«

      deklamierte Sonnenberg, Rose galant die Hand küssend. »Sie sind und bleiben ein Querkopf,« rief Carola lachend, »wenn uns nicht ein unbekannter Grund von hier vertrieben hätte, so hätten's Ihre holperigen Verse sicher getan.«

      »Bitte, das waren keine holperigen Verse, sondern Distichen,« entgegnete der blonde Künstler gekränkt.

      »Ja, das müssen Sie vorher sagen, sonst weiß man es nicht,« entgegnete Carola lustig.

      Die Reise hätte zur Pein für Rose werden müssen, wenn Carola nicht dabei gewesen wäre; sowohl Frau van der Lohe als auch Olga bemühten sich, es Rose durch Stichelreden und Anspielungen so unbehaglich wie möglich zu machen, trotzdem Carola die Hiebe parierte, als hätten sie ihr gegolten. Rose konnte sich kaum überwinden, es neben Frau von Willmer auszuhalten, die sie mit ihrer Lügenkunst fast fürs Leben unglücklich gemacht hätte, und sie war nicht imstande, irgendeine Anrede von ihr zu erwidern.

      Es lag übrigens durchaus nicht in ihrer Absicht, Olga bei van der Lohe anzuklagen; die abscheuliche Intrige der schönen Witwe erfüllte Rose dermaßen mit Verachtung, daß sie um keinen Preis der Welt das Wort gefunden hätte, das ihr die wohlverdiente Strafe verschafft hätte. Olga ahnte das, und darum brachte sie es auch trotz eines leichten Unbehagens, hervorgerufen durch die immerhin etwas folternde Ungewissheit, zuwege, ihr Opfer mit Sticheleien zu quälen.

      Endlich war St. und auch das Endziel, Haus van der Lohe, erreicht, dessen spitze, stuckgezierte Giebel und Erker einen wohlbekannten architektonischen Schmuck der Residenz bildeten.

      »Tante, hast du schon die Zimmer für uns bestimmt?« fragte Carola bei der Ankunft, und als die alte Dame verneinte, setzte sie hinzu: »Dann kommen Sie, Rose, wir suchen uns zusammen eine Bude! Vertrauen Sie sich nur meiner Führung an, denn sonst sind Sie in diesem Labyrinth verloren – außerdem soll's hier nicht ganz geheuer sein.«

      »Unsinn, Carola,« rief Frau van der Lohe, »Fräulein von Fels wird lieber allein wohnen.«

      »I bewahre, Tante! Zu zweien plaudert's sich abends so hübsch, und es gruselt einem lange nicht so. Frau Peters, die Schlüssel und ein Licht!«

      Damit zog Carola Rosa mit sich fort, die staunend die Ausdehnung des Hauses bemerkte.

      »Nicht wahr?« nickte Carola, »ja, wenn die alten Kaufherren von Anno dazumal ein Haus bauten, dann taten sie es gleich ordentlich, damit es auch Raum gab für Aufzüge und Bankette und für die schleppenden Pfauenkleider ihrer Gemahlinnen.«

      Im dritten Stockwerk hielt Carola endlich an.

      »Hier sind die Rumpelkammern,« sagte sie, »es gibt köstlichen alten Plunder darin, Rose! Und hier sind ein paar prächtige, heimliche Stübchen nebeneinander, die behalten wir!«

      Sie schloß eine der vielen Türen auf, um dann sofort in das geöffnete Zimmer zu treten, das allerdings Carolas Urteil rechtfertigte. Es hatte einen geschweiften, erkerhaften Giebelvorsprung, und die Rokokomöbel allein waren so einladend, daß Rose die Behaglichkeit des Zimmers, neben dem ein nicht minder verlockendes mit zwei seidenen Himmelbetten lag, dankbar anerkannte.

      »Wir sind zwar hier im Olymp und mutterseelenallein,« sagte Carola, »aber da wir ja außerordentlich mutig sind, werden wir uns aus allem Spuk nichts machen.«

      Rose war ganz dieser Ansicht, und nachdem ihnen Frau Peters den Tee geschickt hatte, räumten sie und Carola gleich ihre Habseligkeiten in die großen, geschweiften Kommoden ein und machten es sich dadurch behaglicher und heimischer.

      Dann legten sich beide, todmüde von der angreifenden und unbehaglichen Reise, ins Bett, und bald hatte Gott Morpheus sie in das schöne Land der Träume entführt. Sie hatten aber vergessen, ihre Tür abzuschließen, und nur ihr fester Schlaf bewahrte sie vor dem Schreck, mitten in der Nacht eine hohe Gestalt in weißen Gewändern eintreten zu sehen, die mit einem Licht spähend umherleuchtete und zuletzt die sorgfältig eingeräumten Kommoden untersuchte. Fast geisterhaft war das Auftreten dieser Gestalt, unheimlich ihr stilles, emsiges Forschen. Dann trat der nächtliche Gast in das Schlafzimmer, schlug die seidene Gardine von Roses Bett zurück und sah vornüber gebeugt hinab auf die Schläferin; eine lange, magere und weiße Hand mit krallenartig gekrümmten Fingern streckte sich bis an Roses Hals aus und – fuhr wieder zurück. Drei-, viermal wiederholte sich dieselbe Bewegung, dann stöhnte die weiße Gestalt leise und verließ das Zimmer.

      Aber kaum war sie hinaus, als Carola lautlos ihr Bett verließ und durch das Schlüsselloch das Nebenzimmer beobachtete, doch sie sah nur noch den nächtlichen Besuch durch die Tür nach dem Flur verschwinden. Sofort flog sie vorwärts und schob lautlos den Riegel des Schlosses vor. Jetzt erst atmete sie auf, machte Licht und sah sich um. Aber keine Spur verriet die Anwesenheit eines anderen – es war alles in Ordnung. Etwas blaß kehrte sie in das Schlafzimmer zurück und fand Rose wach und verwundert umherschauend.

      »Carola, sind Sie eine Nachtwandlerin?« fragte sie lachend und setzte dann erschreckt hinzu: »Aber wie blaß Sie sind!«

      »Ich glaubte einen Geist zu sehen,« erwiderte Carola mit einem Versuch, spöttisch auszusehen.

      »Sie haben geträumt!«

      »Wahrscheinlich, Heideröslein.«

      »Der Mond scheint so hell


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