Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem

Gesammelte Werke - Eufemia von  Adlersfeld-Ballestrem


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nicht glaubte. Der Tag verging, der nächste ebenfalls, und es wollte keine Behaglichkeit in den kleinen Kreis einziehen, zumal das belebende Element, Carola, fehlte. Die kleine Dame hatte nicht ohne einige kräftige Seitenausfälle erklärt, daß sie sich gezwungen fühle, Roses »freiwillige« Zurückgezogenheit zu teilen, und wirklich war es ihr gelungen, das arme Mädchen etwas aufzuheitern.

      Aber dann kam der Tag, an dem Körner das von Eichberg hergeschaffte Modell zu seiner Gruppe den Bewohnern des van der Loheschen Hauses zeigen wollte, und er erklärte fest, daß die Hüllen ohne Roses Gegenwart nicht fallen würden; das Warum war sein Geheimnis. Frau van der Lohe strengte alles an, um Roses Mitgehen nach der Ausstellung zu verhindern, sie mußte aber zuletzt doch noch einen ausdrücklichen Befehl an Rose ergehen lassen, denn ohne einen solchen wollte diese ihr Zimmer nicht verlassen.

      Die Damen fuhren nach der Ausstellung und fanden dort die Herren schon vor. Während die anderen vorausgingen, trat van der Lohe an Roses Seite und flüsterte ihr zu: »Rose, warum fliehen Sie mich?«

      Ein leises Rot flog über ihre Wangen, dann sagte sie ohne Umschweife: »Nicht ich fliehe Sie, Ihre Mutter steht zwischen Ihnen und mir.«

      »Meine Mutter ist eine jener Frauen, die nur langsam eingewurzelte Vorurteile überwinden können. Hat sie Sie gekränkt?«

      Rose antwortete nicht, aber das leise Zucken ihrer Lippen sagte ihm, was ihr Mund ihm verschwieg.

      »Rose, Sie müssen fort von hier,« sagte er gepreßt.

      »Ihre Mutter läßt mich nicht gehen, ich wollte längst ein Haus verlassen, in dem mein Name verhaßt ist.«

      »Das muß anders werden. Ich bringe Ihnen bald bessere Nachricht, falls Sie der Worte noch eingedenk sind:

      Käm alles Wetter auf uns zu schlan,

       Wir sind gewillt, beieinander zu stahn.«

      »Ich vergesse nicht so schnell und bin auch keine Windfahne,« war ihre halb ernste, halb scherzhafte Antwort.

      Sie waren unterdessen am Ziel angelangt und betraten ein kleines Zimmer, in dessen Mitte auf hohem Sockel die verhüllte Gruppe stand. Der Professor schlug die Fenstervorhänge zurück, trat dann vor die Gruppe, nahm den Hut ab wie zur Andacht und sagte laut und fröhlich:

      »Glückauf, mein Werk, zum Eintritt in die Welt.« Ein Ruck – die Hüllen fielen und –

      »Sah ein Knab' ein Röslein stehn,

       Röslein auf der Heiden,«

      jubelte Carola. Ja, da stand sie in höchster Vollendung, die reizende Heiderösleingruppe – lebensprühende Gestalten, und das kurzgeschürzte, barfüßige Mädchen mit den wallenden Haaren und dem Heiderösleinkranz auf dem Kopf trug die Züge von Rose Fels.

      »Ich –,« rief sie errötend, beschämt und erschrocken fast über ihre eigene Ähnlichkeit. Und dann fiel ihr Blick auf die zweite Figur, die hohe, kraftvolle Männergestalt in Landsknechttracht, die Arme nach ihr ausgestreckt – Johann van der Lohe, Zug für Zug er!

      »Ich muß wegen meines Piratentums um Verzeihung bitten,« sagte der Meister befriedigt. »Ganz heimlich und hinterlistig sogar habe ich meines lieben Gastfreundes Physiognomie gekapert. Heideröslein, Sie zürnen mir doch nicht?«

      »Aber nein, – geschmeichelt fühle ich mich,« sagte Rose ehrlich. »Nur daß die vielen Menschen mein Gesicht sehen sollen, macht mich etwas –«

      »Wer fragt danach,« fiel Frau van der Lohe ein, »aber meinen Sohn zu porträtieren, – Professor, was in aller Welt sollen die Leute denken, wenn sie den Inhaber des Hauses van der Lohe hier im Maskenanzug sehen, im Begriff ein Mädchen zu umarmen – das geht doch nicht an!«

      »Nun, so was soll auch schon vorgekommen sein,« entgegnete der Professor mit Humor.

      »Und dann,« fuhr Frau van der Lohe fort, »wird man fragen: Wer ist dieses Mädchen? Soll man dann antworten: Es ist die Vorleserin seiner Mutter?«

      »Nein, man wird dem fragenden Publikum sagen, daß Herr Professor Körner volle Befugnis hatte, den Inhaber des Hauses van der Lohe mit seiner Braut zu porträtieren.«

      Mit diesen Worten trat Johann neben Rose und legte ihren Arm in den seinen. Frau van der Lohe fuhr zurück,

      wie gestochen, aber nicht ein Wort kam über ihre fest zusammengepreßten Lippen, nur in ihren Augen loderte eine unheilverkündende Flamme auf.

      »Das hat mit seinem Griffel

       Der Herr Professor getan,«

      sang Carola im hellsten Übermut der Freude.

      »Olga, deinen Arm –,« stieß Frau van der Lohe hervor, »wir wollen gehen – ich bin wohl schon zu alt für dergleichen Überraschungen.«

      Sie versuchte einen Schritt zu gehen und wankte dabei so heftig, daß Rose ohne Besinnen an ihre Seite trat, um sie zu stützen. Aber mit dem Ausdruck des ungezügeltsten Abscheus stieß die alte Dame das junge Mädchen so heftig von sich, daß Rose zu Boden stürzte.

      »Dort ist dein Platz,« rief sie außer sich, »dort in den Staub gehörst du, Modell für Maler und Bildhauer, und nicht ins Haus van der Lohe!«

      »Mutter! Bedenke, daß du mich zugleich mit meiner Braut beschimpfst,« sagte van der Lohe mahnend, indem er Rose zu sich emporzog.

      »Es geschieht dir recht, wenn du dich zu ihr erniedrigst,« brach die alte Dame aus, aber der Professor trat mit aufgehobenen Händen zwischen beide.

      »Nicht hier, nicht hier,« mahnte er freundlich. »Wollen Sie Familienangelegenheiten zum Stoff der Unterhaltung für die Galeriediener machen? Ich werde Sie nach Hause bringen, gnädige Frau, Sie sind jetzt zu erregt –«

      »Ich danke,« fiel sie hochmütig ein. »Ich habe meine Nichte; Sie, Herr Professor, gehören, wie ich mit Schmerz sehe, zur Gegenpartei, zu meinem unnatürlichen Sohn und – diesem Geschöpf, das Ihnen zu Ihrer leichtgeschürzten Muse als Modell diente.«

      »Sie irren, gnädige Frau,« erwiderte Körner gelassen, »ich habe meinem Heideröslein die Züge des Fräulein von Fels ohne ihr Wissen gegeben, ich allein trage die Schuld daran.«

      »Nun, sie wird Ihnen großmütig vergeben werden.«

      Mit diesen Worten verließ Frau van der Lohe, gefolgt von Olga, die Ausstellung.

      »Das ist ja ein netter Verlobungstag,« sagte der Professor, halb empört, halb traurig.

      »Nein,« rief Rose sich aufrichtend, »nein, es soll keiner sein! Ich will mich Frau van der Lohe als Tochter nicht aufdrängen –«

      »Halt, Rose,« rief Johann, »so liegen die Dinge nicht! Meine Mutter wird nachgeben, sobald sie einsieht, daß ich fest bleibe und sie im Unrecht ist.«

      Daheim fand van der Lohe erst keinen Einlaß bei seiner Mutter, da er aber zu langen Verhandlungen mit Olga, die als Zerberus die Tür bewachte, ganz und gar keine Lust hatte, so schob er sie ohne weiteres zur Seite und trat ein, ohne verhindern zu können, daß seine Kusine ihm folgte.

      »Was willst du hier? Wir haben einander nichts mehr zu sagen!« fuhr ihn die alte Dame rauh an.

      »Mutter, das glaubst du selbst nicht,« erwiderte er gelassen. »Aber was ich mit dir zu sprechen habe, möchte ich ohne Zeugen sagen.«

      »Bleib, Olga,« befahl Frau van der Lohe schneidend. »Willst du mich zum Nachgeben breitschlagen, Jo, dann spare dir die Mühe; willst du mir aber sagen, daß du dich meinem Willen fügst, so darf Olga es auch hören.«

      »Du weißt, Mutter, daß ich von Rose Fels nie und nimmermehr lassen werde,« entgegnete van der Lohe fest.

      »Schäme dich, einer hübschen Larve wegen deine eigene Mutter zu Tode zu kränken! Bist du denn blind,« rief die alte Dame händeringend, »willst du denn den Wankelmut, das überspannte Wesen dieses Mädchens nicht sehen?

      Sie wird dir davonlaufen oder im besten Falle am Altar nein sagen, wie sie


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