Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
wiegst als Hahn!« fiel sie bitter ein.
»Mutter,« entgegnete van der Lohe schwer atmend, »ich möchte mich nicht gern vergessen. Rose von Fels wird selbstverständlich dieses Haus heute noch verlassen –«
»Je eher dieses Geschöpf, das mir meinen Sohn entfremdet, mein Haus verläßt, desto besser!«
»Ist es nicht wie ein Fingerzeig der Vorsehung, daß die Tochter von Egon von Fels und dein Sohn, Mutter, sich finden mußten fürs Leben?«
»Es ist die Nemesis!« rief die alte Dame mit fanatisch leuchtenden Augen, »die Wiedervergeltung! Ich liebte Egon Fels und wurde elend durch ihn; mag seine Tochter denn elend werden wie ich!«
»Und dieser Rache willst du mein Glück opfern?«
»Dein Glück! Männer trösten sich schnell,« entgegnete Frau van der Lohe kalt und ging, ohne ihn anzusehen, ins Nebenzimmer.
* * *
Professor Körner suchte seinen Gastfreund auf, sobald er ihn wieder in seinem Zimmer wußte.
»Das ist ein Tag, um Grillen zu fangen,« sagte er, »draußen regnerisches, stürmisches Wetter, Herbstvorboten, drinnen Unfrieden, drohende Wetterwolken. Ich komme, um die Grillen etwas zu vertreiben. Bedenken Sie, Freund, es ist kein Stoff so fest, daß er am Ende nicht doch einen Riß bekäme, und Frau van der Lohes Widerstand nicht so hart, daß er nicht langsam weichen sollte, wenn auch nur Linie um Linie.«
»Wir wollen es hoffen.«
»Und was soll vor allem geschehen?«
»Carola und ich werden Rose nach Hochfelden begleiten.«
»Das ist vernünftig! Und dann?«
»Dann werde ich Rose heiraten. Es wäre Wahnsinn, unser Lebensglück einem Hirngespinst zu opfern. Ist Rose erst unwiderruflich die Meine, dann wird meine Mutter sich auch mit dem bis jetzt ihr unerträglichen Gedanken versöhnen. Wissen Sie was? Wir wollen auf die schöne kommende Zeit, wenn Heideröslein als Gebieterin in dies alte Haus einziehen wird, ein Glas leeren!«
Damit war Körner einverstanden, und bald stand in silbernem Kühler eine alte, spinnwebenumwachsene Flasche vor ihnen.
Van der Lohe goß den edlen Wein in die prächtigen alten Römer, deren die Gläserkammer des Kaufherrnhauses noch eine stattliche Reihe enthielt, trotzdem sie, echt und recht, schon sehr selten geworden sind, der Professor aber zog aus einer Vase eine Rose heraus.
»Dies ist ihr Sinnbild,« rief er, »lassen Sie uns das erste Glas auf das Wohl des Heiderösleins leeren!«
Und die Gläser stießen kräftig zusammen; ein schriller Klang – Johann van der Lohes Glas brach mitten entzwei, und der Wein floß auf den Boden.
»Ein böses Vorzeichen,« sagte er betreten.
»Zufall,« rief der Professor. »Der Römer hat gewiß einen Sprung gehabt. Ein neues Glas her, das seines Alters Spur noch nicht an sich trägt, und dann ein neues Hoch aufs Heideröslein.
Mit diesem kräftigen Prall
Versuch ich das Glück von Edenhall,«
zitierte er, indem er wieder mit van der Lohe anstieß. Rein und hell klangen die Gläser aneinander, keine Spur von dem vorigen Mißklang, den Körner hinwegzuscherzen versuchte, aber das unbehagliche Gefühl des »bösen Vorzeichens« blieb, wenn auch das edle goldige Naß bald das Gespräch anregte und in heitere Bahnen lenkte.
Droben im »Olymp«, wie die Mädchen ihre Mansardenwohnung nannten, waren diese den Tag über auch von dem Unbehagen gefangen geblieben, das in seinem grauen Gewand geisterhaft durch das Haus schlich. Carola war von ihrem Vetter über die beabsichtigte Begleitung Roses nach Hochfelden unterrichtet worden und freute sich sehr darauf, das alte, jetzt so düstere Kaufherrnhaus auf ein paar Tage verlassen zu können.
Es half heute nichts, daß die kleine Dame all ihren Humor hervorsuchte, um Rose aus ihrer grauen Stimmung herauszulocken; es flog wohl dann und wann wie ein Wetterleuchten um ihren Mund, aber der ernste Zug darum blieb, und die Augen sahen nach wie vor verloren in die Ferne.
Gegen Abend, als die Lampe gebracht wurde, denn es war an dem regnerischen Tag früher finster geworden, und als der Teekessel behaglich summte, wurden auch die Herzen der beiden Mädchen leichter, und die Scherzworte flogen häufiger herüber und hinüber, wie die Sonnenblicke an einem Spätherbsttage.
Allmählich war es spät geworden unter wechselnden Gesprächen, und doch dachten beide nicht ans Schlummern. Da erwähnte Carola ein altes Buch mit interessanten Bildern, das drunten in der Bibliothek war, und da sie sich schon zur Nacht umgekleidet hatte, Rose aber noch völlig angezogen war, so erbot diese sich, das Buch zu holen und ließ sich von Carola genau seinen Standort beschreiben.
Einen Leuchter in der Hand verließ Rose den »Olymp«, von Carola mit einem Scherz entlassen, indem sie ihr einen Spruch gegen »Gespenster« mit auf den Weg gab. Die große Uhr in der Halle des ersten Stockes schlug halb zwölf, als Rose das Zimmer verließ; im Hause war alles totenstill, und scherzend meinte sie, das sei noch nicht die Geisterstunde, wogegen Carola versicherte, daß die Spukgeister im Hause van der Lohe sich an keine Stunde hielten, sie seien eigenwillig wie die ganze Kaufherrnsippe.
Das Bibliothekzimmer lag ein Stockwerk tiefer, und Rose hatte es bald erreicht. Ein mittelgroßes Gemach war es, dessen Wände mit Bücherregalen bedeckt waren, nur an den Längswänden unterbrochen von lebensgroßen Ölgemälden, einen Ratsherrn aus dem Geschlecht der van der Lohe und seine Gemahlin darstellend: er im ernsten schwarzen Talar mit riesiger Halskrause und mächtiger Perücke, sie mit hochmütigem Antlitz aus einer Tellerkrause auf ein golddurchwirktes Gewand von Utrechter Samt herniederblickend.
Rose hatte das Buch bald gefunden und nahm den Leuchter vom Tisch auf. Dabei fiel der Schein der Kerze auf das Antlitz der gemalten Ahnfrau im Goldzindelhäubchen, aber wie erstarrt blieb sie stehen, als plötzlich das Bild lautlos aus seinem Rahmen zu treten schien und auf sie zuschritt, – doch nein, das Bild verdeckte nur eine Tür, die sich in ihren Angeln bewegte und so den Eindruck machte, als stiege die Gestalt aus dem Rahmen. In der geöffneten Tür aber erschien die hohe, strenge Gestalt Frau van der Lohes.
»Was tun Sie hier?« fragte sie finster. »Wollen Sie spionieren?«
»Ich suchte dieses Buch,« erwiderte Rose sanft.
»Vorwand,« murmelte Frau van der Lohe, indem sie über die Schwelle schritt.
»Gute Nacht,« sagte Rose betreten.
»Bleiben Sie, ich habe mit Ihnen zu sprechen,« befahl die alte Dame, »setzen Sie das Licht auf den Tisch!«
Rose gehorchte, aber sie meinte innerlich, eine Unterredung zu so später Stunde mit der bösen alten Frau sei nicht gerade verlockend, besonders da ab und zu heftige Windstöße in den feuerleeren, schwarzen Kamin heulend herabfuhren.
Frau van der Lohe kehrte in ihr Zimmer zurück, das hinter der verkleideten Tür lag, und kam bald wieder, ein Schreibzeug und Papier in der Hand, das sie auf den großen runden Tisch in der Mitte des Zimmers legte. Dann setzte sie sich und heftete lange und durchdringend ihre Augen auf das junge Mädchen, das dieses stumme Verhör äußerlich ruhig, innerlich aber mit steigendem Unbehagen ertrug.
»Rose Fels,« begann die alte Dame endlich kalt und gemessen, »ich will in dieser Stunde eine Entscheidung haben.«
»Eine Entscheidung, gnädige Frau?« fragte Rose erstaunt, »und zu dieser Stunde? Könnten wir nicht morgen –«
»Morgen!« rief Frau van der Lohe höhnisch. »Morgen, damit du dich vorher mit meinem Sohn gegen mich beraten kannst. Nein, heute, jetzt, unvorbereitet sollst du mir Rede stehen. Ich kenne euch, die ihr euch gegen mich verschworen habt, aber ich bin auf meiner Hut, ich bin schlauer als ihr, ich werde alle eure Pläne durchkreuzen! Du gleißendes Geschöpf mit deinen roten Haaren, Tochter von Egon Fels, wir werden sehen, wessen Macht stärker ist, deine oder meine!«
Sie hielt atemlos inne und sah mit haßerfülltem Blick zu Rose hinüber,