Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem

Gesammelte Werke - Eufemia von  Adlersfeld-Ballestrem


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Frau van der Lohe sie doch empfing! Es graute ihr bei dem Gedanken daran, und unwillkürlich faßte sie an ihren Hals, ob auch die krallenartige Hand nicht wieder nahe sei, um ihr mit der Kraft des Wahnsinns die Kehle zusammenzupressen.

      Dennoch faßte sie Mut und klopfte an. Eine sanfte, klare Stimme rief »Herein«, und als Rose die Tür öffnete, fand sie Olga allein vor, anmutig und madonnenhaft wie immer, an einem Tische sitzend, vor sich einen hübschen Kasten mit edelsteinblitzenden Schmuckstücken, die sie mit einem weichen Lederläppchen putzte.

      »Ah – Fräulein Eckhardt – Verzeihung, Baronesse Fels,« rief sie ihr entgegen.

      Rose schloß die Tür hinter sich und trat näher.

      »Ich wollte mich Frau van der Lohe empfehlen,« sagte sie kurz.

      »Ich weiß wirklich nicht, ob Tante zu sprechen ist,« entgegnete Olga zögernd, »sie ist nach einer schlaflosen Nacht sehr angegriffen. Aber ich will einmal nachsehen. Wollen Sie fortreisen, Baroneß?«

      »Ja,« erwiderte Rose widerwillig.

      »Ah – und darf man fragen, wohin?«

      »Nach Hochfelden.«

      »Aber Sie kommen wieder?«

      »Nein.«

      »Gott, wie lakonisch Sie sind! Wer reist mit Ihnen?«

      »Carola und – –«

      »Und –?«

      »Und Herr van der Lohe.«

      »Ah –! Wie ritterlich!«

      Rose entgegnete nichts darauf, dieses Verhör war ihr ohnedies lästig. Aber warum sollte sie verschweigen, daß Johann van der Lohe sie zu ihren Freunden begleiten wollte? Frau von Willmer legte ihr Lederläppchen beiseite und erhob sich.

      »Ich glaube wirklich kaum, daß Tante Sie empfangen wird.«

      Rose antwortete nicht. Im Vorübergehen blieb Olga neben ihr stehen und reichte ihr die Hand.

      »Wir scheiden doch ohne Groll, nicht wahr?« sagte sie liebenswürdig, – zu liebenswürdig für Rose, die doch sonst nicht mißtrauisch war.

      »Ich bin nicht unversöhnlich,« sagte sie, die hingehaltene Hand übersehend, »und ich weiß sicher, daß ich eines Tages ohne Groll auf die schlimme Zeit zurückblicken werde, die ich Ihnen verdanke. Aber ich bin nicht falsch – ich muß erst überwinden lernen.«

      »Meine Schuld ist nicht so groß, wie Sie annehmen,« erwiderte Frau von Willmer sanft. »Meine Tante wollte mich zur Schwiegertochter, und ich – liebte Jo. Tante glaubte mit Bestimmtheit, daß er einer Verbindung mit mir nicht abgeneigt sei, und beredete mich zu der, wie ich jetzt einsehe, voreiligen Erklärung. Sie sehen, ich bin aufrichtig.«

      Rose zweifelte an der Wahrheit dieser Worte, aber ehe sie antworten konnte, erklang nebenan eine Glocke.

      »Tante ruft,« sagte Frau von Willmer aufhorchend. »Bitte warten Sie hier, Baroneß, ich kehre gleich zurück!«

      Mit diesen Worten eilte sie ins Nebenzimmer und schloß die Tür hinter sich, während Rose an eins der Fenster trat und wartete. Nach einer Weile erschien ein Diener, der auf den Tisch, an dem Olga bisher gesessen, eine Platte mit Schokolade und kleinen Kuchen stellte, und sich dann leise wieder entfernte. Nach einer Zeit, die Rose sehr lang erschien, kam Frau von Willmer wieder.

      »Tante verlangte, von mir umgebettet zu werden,« sagte sie eintretend, »es macht es ihr keines Dienstboten Hand so gut wie meine, ich bin stolz darauf; ah – mein Frühstück! War jemand hier?«

      »Ja, ein Diener – Josef! Ich habe nicht sehr aufgemerkt!«

      Ein hämisches Lächeln glitt über Olgas ruhige Züge.

      »Ihre Gedanken sind freilich sehr in Anspruch genommen,« sagte sie leicht. »Tante ist natürlich zu angegriffen, um Sie zu empfangen.«

      Rose dankte erleichtert für ihre Gefälligkeit und wollte sich zurückziehen; je eher sie dieses Zimmer verlassen konnte, desto lieber, denn der Gedanke, daß jene Tür sich am Ende öffnen und Frau van der Lohe auf der Schwelle erscheinen könnte, machte ihr den Boden unter den Füßen brennen. Nach einem kurzen Gruß stand Rose aufatmend draußen im Flur, und indem sie die Treppe betrat, überholte sie der Professor, der, von Sonnenberg gefolgt, eben heraufkam.

      »Ah, das nenne ich Glück, daß wir Sie gerade treffen,« rief Körner ihr zu, indem er lebhaft ihre Hände ergriff, »wir kommen, Ihnen Lebewohl zu sagen. Dürfen wir mit hinauf zum Olymp?«

      Rose meinte, das ginge wohl nicht an, aber Carola, die gerade von einem Ausgang zurückkehrte, lud die Herren hinauf, indem sie sich mit komischem Stolz zur Ehrendame erklärte. Von dem Geplauder hervorgelockt, erschien nun auch van der Lohe und meinte, sein Arbeitszimmer sei für eine Abschiedszusammenkunft bedeutend geeigneter, als der durch gepackte Koffer ungemütlich gemachte Olymp. Sein Vorschlag wurde angenommen, und man trat in das ruhige, heimliche Gemach ein, mit Ausnahme von Rose, die droben Ihren Koffer schließen und Hut und Mantel gleich herabbringen wollte; bald erschien sie wieder drunten in dem kleinen Kreise, der schon bei einem Imbiß saß. Im Laufe des Gesprächs erzählte Professor Körner dann, daß seit der gestern erfolgten Eröffnung der Ausstellung die Heiderösleingruppe von Schaulustigen förmlich belagert werde, und daß ihm schon mehrere Aufträge zur Ausführung in Marmor und Bronze zugegangen seien, unter denen er nun zu wählen hätte.

      »Dann bitte, Körner, lassen Sie sofort den Vermerk: ›Verkauft‹ an den Sockel heften,« sagte van der Lohe, »denn ich hoffe doch, das Vorrecht zur Erwerbung zu haben! Drüben im großen Bankettsaal soll die Gruppe in Marmor einen Platz finden!«

      »Zugestanden, aber erst muß sie ihre Schuldigkeit tun – nämlich meinen Namen in alle Winde tragen,« rief Körner, was van der Lohe als selbstverständlich bezeichnete.

      »Auf Ihren Ruhm, Professor,« sagte Sonnenberg, sein Glas erhebend.

      »Danke, gleichfalls,« erwiderte Körner bedeutsam, und Sonnenberg wurde rot.

      Auf Carolas lachende Frage kam Sonnenberg endlich mit seinem Geheimnis zutage – er hatte Rose ohne deren Wollen und Wissen porträtiert und fürchtete nun eigentlich nicht so sehr ihren Zorn als die Mißbilligung van der Lohes. Dieser zog auch die Stirn in ernste Falten und machte dem etwas verdutzten Künstler den Vorwurf, daß er das Gemälde nicht vor seiner öffentlichen Ausstellung gezeigt, worauf Sonnenberg mit bedeutender Zungengewandtheit erklärte: »Das war ja meine Absicht! Ich wollte Sie alle von des Professors Meisterstück in den Gemäldesaal führen und dort im Augenblick des Knallerfolges Lossprechung erbitten. Schöner Gedanke, aber es kam anders; die Heiderösleingruppe wirkte schlimmer als der Apfel der Eris, alles stob auseinander – und für mein Bild hatte niemand Augen.«

      »O doch – ich!« erklärte van der Lohe gutgelaunt. »Hören Sie, Sonnenberg, dieses Gemälde wird Sie noch nicht unsterblich machen, denn ich wünsche in der Tat nicht, Roses Gesicht auf derselben Ausstellung gar so oft angestaunt zu sehen. Ich habe es daher noch vor der Eröffnung der Ausstellung beim Direktor als ›verkauft‹ angemeldet und hierher besorgen lassen. Einen schlechten Platz hat es darum doch nicht erhalten.«

      Mit diesen Worten stand er auf und trat auf seinen Schreibtisch zu, über dem die Anwesenden jetzt erst ein verhängtes Bild gewahrten. Ein Ruck, der Vorhang fiel, und Sonnenbergs »Meisterwerk« hob sich in breitem Goldrahmen recht stimmungsvoll ab von dem tiefen Purpur der Tapete. Es war im Grunde eine ganz achtungswerte Leistung, und Sonnenberg freute sich doch, daß sein Bild einen solch schönen Platz hatte.

      »Vivat Heideröslein,« rief er vergnügt, und hell klangen die feinen Glaskelche zusammen.

      In diesem Augenblick trat Olga von Willmer, gefolgt von Josef, dem Diener, in das Zimmer, blieb einen Augenblick in der Tür stehen und murmelte etwas, das wie »Studentenkneipe« klang.

      »Verzeihung, wenn ich störe,« sagte sie schneidend, »Jo, ich komme, dich um deinen Beistand zu bitten – ich bin bestohlen worden!«

      »Dann bleibt


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