Die Babenberger sind an allem Schuld. Hubert Hinterschweiger

Die Babenberger sind an allem Schuld - Hubert  Hinterschweiger


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Markgrafen eine neue, etwas weiter Donau abwärts gelegene, starke Grenzfestung gegen Ungarn bauen ließ, die Reichsfeste Hainburg. Heute ist Hainburg, 1043 zum ersten Mal erwähnt, ein nettes, friedliches Städtchen, aber die Ruine auf dem Hügel über der Stadt lässt den strategischen Wert dieser Lage noch deutlich erkennen. Die Burg war als Gegenstück zur Festung Devin auf ungarischer Seite gedacht, als starkes Bollwerk, um in Zukunft die Einfälle der Nachbarn besser unter Kontrolle zu haben.

       Klosterkultur und der Versuch von Reformen

      Wenn man all diese Ereignisse – und hier werden nur Bruchstücke erzählt – kennen lernt, versteht man schon die chaotische, wilde Zeit, wo jeder gegen jeden und jeder mit jedem um irgendetwas kämpft. Bedenkt man all die Aktivitäten der katholischen Kirche, die Emsigkeit, mit der ein dichtes Netz des Glaubens, daher der Ordnung und der Kontrolle über jedes neu eingebrachte Fleckchen Land gebreitet wurde, kann man diesem Eifer und vor allem diesem Wagemut nur Hochachtung zollen.

      Es nimmt daher nicht wunder, dass die Kirche und der katholische Glaube in diesen unruhigen, wilden Zeiten sehr verweltlicht waren und einiges schon lange im Argen lag. Rom, der Kirchenstaat, hatte wenig Zeit, seine Geschäfte ordentlich zu führen. Über Jahrhunderte lag auch Rom im Streit mit aller Welt und lenkte Kriege mit Intelligenz und Intrigen. Daher hatte der hohe Klerus inklusive Papst einen Haufen weltlicher Sorgen und infolgedessen wenig Zeit, sich um Glaube, Heilslehre und Moral Gedanken zu machen. Priesterehen, Hurerei, Völlerei und Suff waren an der Tagesordnung und Simonie selbstverständlich.

      Die Kritik am Reichtum der Klöster, an der Missachtung der Mönchsregeln beschäftigte die in tiefer Gläubigkeit versunkenen Menschen des Mittelalters ständig. Auch in Rom war man zutiefst beunruhigt und stellte die Frage nach dem Widerspruch von christlicher Amtsethik und der Lebensart der kirchlichen Amtsträger. In diesem einen Satz liegt die gesamte Problematik der Zeit. Diese Fragen waren so weit reichend, so umfangreich, so ineinander geschachtelt, dass faktisch alle Punkte ob ihrer Unübersichtlichkeit wahrscheinlich gar nicht erkannt wurden. Mag sein, dass dem hohen Klerus die Konsequenzen bewusst waren, aber Forderungen portionsweise vorzubringen, ist sicher eine gute Politik. Das Zurechtrücken aller Positionen auf den richtigen Platz musste unweigerlich auf einen Konflikt zwischen Kaiser und Papst hinauslaufen.

      Nachdem das Murren nicht mehr zu überhören war und es sogar den Oberen aufstieß, rief Papst Benedikt VIII. in Pavia eine Synode zusammen.

      Benedikt VIII. war ein typisches Kind seiner Zeit. Geboren als Graf Tusculum erreichte er die höchsten kirchlichen Würden, ohne je eine kirchliche oder priesterliche Weihe erhalten zu haben und erklomm sicher auch seiner hohen Intelligenz wegen den Stuhl Petri. Freilich hatte er vielleicht gerade deshalb auch als Feldherr Siege über die Sarazenen errungen und eine päpstliche Flotte aufgebaut. Der Kampf um die Vormachtstellung Roms über Byzanz wurde mit aller Hartnäckigkeit mittels verbaler Attacken geführt. All diese Fähigkeiten waren für einen Papst wichtig, denn die Stellung der katholischen Kirche wurde immer wieder in Frage gestellt.

      Dem Papst zur Seite stand das burgundische Benediktinerkloster Cluny. Unabhängig von weltlichen Herren, also der Staatsgewalt, hatte es die Möglichkeit der ruhigen Betrachtung und Einkehr. Als Benediktiner waren sie dem Gebot »ora et labora« gehorsame Diener, um bei dem allgemeinen Verfall der Klosterzucht ein Muster der Ordnung zu werden. Direkt dem Papst unterstellt, erkannte man die Verweltlichung des Klerus und begann mit Reformbewegungen. Tatsächlich machte Cluny den Anfang, Ordnung zu schaffen, nach Lösungen zu suchen und diese auch durchzusetzen. Der schon zu Lebzeiten als heilig geltende Abt Odilo der Benediktinerabtei Cluny durfte es sich als hohe Ehre anrechnen, bei heiklen Themen und Fragen der Reorganisation von Papst Benedikt um seine Meinung gefragt zu werden. Insbesondere die gesellschaftliche Frage der verheirateten Kleriker war ein heikles Problem.

      Zurück zur Synode. Sehr energisch und sehr ausgesucht in der Wortwahl sprach der Heilige Vater das absolute Verbot der Priesterehe aus, ein unerhörtes Verlangen in der damaligen Zeit. Mit dem Verbot der Simonie, des käuflichen Erwerbs kirchlicher Ämter, ging der Papst einen Schritt weiter. Die Bezeichnung geht auf Simon den Magier zurück, einen Zeitgenossen der Apostel, der versucht hatte, mit Geld die Fähigkeit zu erkaufen, Wunder zu wirken und somit als heiliger Mann zu gelten.

      Noch nicht zur Debatte stand das Problem der »Stiftungen«, denn alles auf einmal richtig zu stellen, hätte wohl kaum zum Erfolg geführt. All die christlichen Stiftungen waren Eigentum des Stifters, also auch erblich und käuflich. Der Stifter stiftete nicht nur der Heilslehre, sondern auch des Geldes, des Eigennutzes wegen. Das nannte man die Pfründe.

      Um Wellental und Wellenberg der Moral dieser wilden Zeit anschaulich zu demonstrieren, sei ein Beispiel erzählt. Ein Neffe Benedikts bestieg mit 18 Jahren den Stuhl Petri und nannte sich Benedikt IX. – leider, denn er machte seinem Onkel keine Ehre. Ohne Zweifel erklomm er den Stuhl Petri durch Simonie. Der Ämterschacher unter seiner Ära war noch immer gang und gäbe. Seine Handlungen waren von so unerhörter Niedertracht, dass er gezwungen wurde, »freiwillig« auf das hohe Amt zu verzichten. Um ihm diesen Verzicht schmackhaft zu machen, wurde ihm eine hohe Summe angeboten, die er wortlos einsteckte und ging. Lieber gut leben, als schlecht sterben. Als Privatier vermisste er jedoch schmerzlich die berauschende Herrlichkeit der Macht. Was hilft das ganze Geld, wenn die Macht fehlt! Genau das dachte auch der ehemalige Papst Benedikt IX., besann sich eines »Schlechteren« und kehrte mit Waffengewalt auf den Thron Petri zurück. Damit überspannte er zweifellos den Bogen, und als Kaiser Heinrich III. mit Heeresmacht und Papst Clemens II. anrückte, wurde es dem Verruchten doch zu brenzlig und er rückte ab.

      Kaiser Heinrich III. steht durch seine Ehe mit der Französin Agnes von Poitou in enger Verbindung zu den Klosterreformern von Cluny, die er eilfertig unterstützte und begrüßte. Natürlich war es nur eine Frage der Zeit, bis es auch dem Kaiser zu dämmern begann. Es berührt einen nicht selbst, mit großer Geste die Priesterehe zu verbieten, aber den Einfluss von Laien in hohen kirchlichen Ämtern zurückzudrängen, nun, so radikal war eine Reform aber auch nicht gedacht. Mit einem Wort, eine Kirchenreform wurde eingeleitet, die wie viele Reformen entweder im Sand verlief oder nur zögerlich voranging, so dass nach einiger Zeit wieder alles in die alten Geleise zurückfand. Wer will sich »wohl erworbene« Rechte nehmen lassen?

      Auch der nächste wichtige Papst, Leo IX., erkannte die Notwendigkeit einer Kirchenreform, aber einer allumfassenden Reform. Unter anderem erließ er ein Dekret, das den Einfluss des Römischen Kaisers auf die Papstwahl entscheidend beschränkte. Vergessen war die Adoration, der Kniefall Papst Leos III. vor Karl dem Großen. Jetzt war die Kirche der Wegbereiter zu neuen Ufern, Helfer und Beistand in der Errichtung eines großen Römischen Reiches, einer neuen Ordnung und verantwortlicher Träger einer mitteleuropäischen Kultur. Von Machteifer besessen begann im wahrsten Sinn des Wortes der Krieg der Fragen. Wer ist wem untertan, oder umgekehrt, wer ist wem übergeordnet, der Kaiser dem Papst oder umgekehrt? Man sollte diese Fragen nicht unterschätzen, hier ging es um die ersten Plätze im Staat, um Macht, wo niemand gewillt war zu unterscheiden, was weltlich, was kirchlich war. Jede der beiden Parteien hatte sich schon große Teile der »anderen« Seite angeeignet, und die Verstrickungen bildeten einen scheinbar unlösbaren Knoten. Diese unerhört wichtige Frage, was des Kaisers und was des Himmels, wurde mit allen Mitteln der Hinterlist, Brutalität und über Jahrhunderte mit Kriegen geführt. Immer wieder wird man vom Investiturstreit hören. Eine Pikanterie in diesem Streit und sicher auch ein Höhepunkt war der Bußgang Heinrichs IV. nach Canossa.

      Lässt man einmal allen schnöden Streit beiseite, so vermerkt man mit Genugtuung, dass der Papst nicht nur ein Reformer war, sondern auch ein Freund der schönen Künste. Als besonderes Beispiel sei ein Mann genannt, der durch viele musiktheoretische Überlegungen auch mit dem Papst ins Gespräch kam und ein Blatt mit fünf Querstrichen vorlegte, das verschiedene Zeichen in unterschiedlicher Höhe und Ausführung zeigt. Es ist der Beginn der Notenschrift, dessen Lesbarkeit dem Sänger die Melodie vorgibt. Guido von Arezzo ermöglichte damit den Sängern in verschiedenen Tonlagen die ihnen bestimmte Melodie vom Blatt zu singen und dadurch unendlich lange Proben abzukürzen. Der Papst erkennt die Nützlichkeit der Notenschrift, die Erleichterung des Erlernens der gregorianischen Gesänge und lässt sofort neue Choräle


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