Die Babenberger sind an allem Schuld. Hubert Hinterschweiger

Die Babenberger sind an allem Schuld - Hubert  Hinterschweiger


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von so viel Reue, besann sich seiner christlichen Verantwortung und löste den Bann über Heinrich.

      Es gehörte nun mal zum ritterlichen Ritual, mit dem Ende einer Fehde die freundschaftlichen Beziehungen durch Feste wiederherzustellen. Das tat auch der Bischof von Würzburg und lud Heinrich und seinen Onkel, den Markgrafen Leopold, zum Fest des heiligen Kilian nach Würzburg ein. Damals gab es keinen Datumskalender, sondern nur Heilige, die den Jahresablauf bestimmten.

      Der Tag war strahlend, die anwesenden Damen sehenswert, das Mahl köstlich und die Musik belebend. Alle waren zufrieden und das Fest nahm einen guten Anfang. Aber der Geblendete, der war überhaupt nicht zufrieden oder guter Laune, er sann auf Rache. Bald war ein Verwandter zur Hilfeleistung gefunden, der die Schmach der Familie bereinigen sollte. Aus guter Position für einen Mord legte sich der Rächer auf die Lauer, um mit einem wohl gezielten Pfeil Ritter Heinrich zu töten. Entweder war der Pfeil nicht so wohl gezielt, oder eine plötzliche Bewegung veränderte die Person im Visier des Schützen. Der Pfeil schoss von der Sehne und durchbohrte den tüchtigen Markgrafen statt den vorschnellen Blender.

      MARKGRAF HEINRICH I.,

      DER STARKE (994–1018)

      Des Markgrafen oberster Herr, Kaiser Otto III., ist noch immer an der Regierung, wird aber 1002 von Kaiser Heinrich II. abgelöst.

      In die Zeit des Markgrafen Heinrich, der von 994 bis 1018 regierte, fällt die berühmte Urkunde, in der zum ersten Mal »Ostarrichi« genannt wird. Der Name ist nicht unbedingt Ausdruck eines abgezirkelten, ausgebildeten Territoriums. Zusätzlich zu der Urkunde erhält der Babenberger Schenkungen Kaiser Heinrichs II., die Teile des Wienerwaldes und Landstriche zwischen Kamp, Triesting und March umfassen. Auch die Kirche darf nicht zu kurz kommen, die ebenfalls Grundstücke zur Errichtung von Pfarren erhält. Nachdem ein Fluss immer eine natürliche, halbwegs sichere Grenze bildet, nimmt Markgraf Heinrich bei einem neuerlichen Einfall der Böhmen die Gelegenheit wahr, durch Abwehrkämpfe und Kriegszüge gegen Norden die Grenze bis zur Thaya zu erweitern. Man kann ruhig sagen, dass Österreichs Grenzen im Norden und Osten seit tausend Jahren die gleichen geblieben sind. Um dieses Gebiet tatsächlich unter seine Herrschaft zu bringen, waren Scharmützel und Kämpfe das tägliche Brot des Markgrafen. Dass zwischen den Fronten auch Unschuldige zum Handkuss kamen, ist auch heute nichts Neues, aber damals erlebte die Gegend ein Wunder, das bis heute gläubige Menschen in die Knie zwingt.

       Der heilige Koloman

      Eine Pilgerreise nach Jerusalem war seit undenklichen Zeiten ein Weg der Buße und Läuterung. Ein Pilger namens Koloman – die einen sagen, er sei ein Ire, andere meinen, er sei nicht nur Ire, sondern auch ein Königssohn – kam aus dem Heiligen Land angereist und fiel durch seine ungewohnte Kleidung und die fremde Sprache auf. Spione waren immer unterwegs, um die besten Möglichkeiten für einen günstigen Einfall auszukundschaften. Misstrauisches Volk beobachtete den durch die Landschaft ziehenden Mann und verständigte die Obrigkeit. Die Soldateska ergriff diesen frommen Mann und verdächtigte ihn sofort der Spionage. Trotz Folterungen verschiedenster Grade leugnete der fromme Prinz, so gut es ihm der gemarterte Körper und der Verstand erlaubten, ein Spion zu sein. Als er schon halb tot war, hielten die Folterknechte das Aufhängen des Mannes an einem Holunderbaum für die beste Lösung. Und nun geschah es, das Wunder. Der bereits dürre Baum, an dem der Gefolterte hing, begann zu blühen und die Blätter und Früchte verbreiteten einen angenehmen Duft. Fast lahm vor Schreck legten die Henkersknechte den Leichnam in einen einfachen Holzsarg und verscharrten ihn unter dem Holunderbaum. Die Kunde von diesem Wunder erreichte natürlich auch die Kirchenherren. Man schritt zu jenem blühenden Holunderbaum und grub den Sarg aus. Beim Öffnen des Deckels war die Leiche unversehrt, und wohlriechende Düfte entströmten dem Totenschrein. Die Umstehenden erkannten frischen Bartwuchs und bei Berührung des Körpers ging eine wundersame Wärme und Kraft auf den Berührenden über. Ein Raunen, ein Schauer erfasste die Umstehenden, und die Kunde vom Wunder und der heilsamen Wirkung dieses heiligen Mannes verbreitete sich in der ganzen Gegend. Nun war allen klar: Der Finger Gottes zeigte auf diesen Toten, auf diesen Heiligen und seine Wunder.

      Es ist immer etwas Wunderbares, einen Heiligen zu besitzen. Markgraf Heinrich wusste dieses Mirakel zu schätzen und bestattete den Leichnam unter großer Anteilnahme in seinem Chorherrenstift in Melk. Über all die Jahrhunderte war Koloman ein »Heiliger«, der aber niemals offiziell heilig gesprochen wurde. Wenn nun jemand glaubt, wir hätten einen anbetungswürdigen Heiligen, der in Melk friedlich seine Wunder verströmen lassen könnte, weiß noch nicht alles.

      Der Markgraf hatte eine Vielzahl von Brüdern und Schwestern. Einer davon, namens Poppo, erklomm die Würde des Bischofs von Trier. König Peter von Ungarn, sehr fromm, sehr gewalttätig, ersuchte, drohte dem Bischof, seinem Bruder Heinrich unmissverständlich mitzuteilen, dass er Anspruch auf die Reliquie erhebe. Dem erzwungenen Versprechen folgend verhandelte Poppo mit seinem Bruder und erhielt letztendlich die Reliquie, die er dem Ungarnkönig überbrachte. Bei dieser Übergabe floss eine Träne aus dem Auge des Bischofs. Nun war zwar die Reliquie in Ungarn, aber der Himmel zürnte. Schreckliche Gewitter verwüsteten das Land und durch eine anschließende Dürre streute der Allmächtige noch Hunger und Not darüber. Jetzt war es Heinrich, der unmissverständlich auf das Unglück weisend die Gebeine des Heiligen zurückforderte. Erst als der heilige Koloman wieder in Melk seine Ruhestätte fand, legten sich alle Nöte, und neues Leben begann zu erblühen.

      Heute noch kann man im Stift Melk die Reliquie des Heiligen, den Unterkiefer in christlichen, goldenen Symbolen eingebunden bewundern. Das kostbare Andenken stellt ein Kreuz umwunden von einem Holunderstrauch aus Gold dar, in dessen Mitte, hinter Glas, der Unterkieferknochen dieses heiligen Mannes sichtbar ist. Es fehlen alle Zähne bis auf einen, denn die Folterknechte hatten auch vor Zähnen nicht halt gemacht. Der Rest der Gebeine wurde in Melk feierlich beerdigt. Eine Zeitlang war er der Schutzpatron Niederösterreichs, also des Landes unter der Enns. Mit der Heiligsprechung Leopolds III. 1563 wurde dieser zum neuen Schutzpatron erkoren. Diese Entscheidung war richtig, während es vorher eigentlich peinlich war, dass Colomanus Schutzpatron war. Zuerst hatte man ihn gefoltert, dann gehängt, dann heilig gesprochen und zu guter Letzt verlangt, er möge sein unsterbliches Auge wohlwollend auf dieses Stück Land werfen. Das zeigt, dass die Kirche nicht nur von Lebenden hohen Tribut verlangte.

       Pergament, Papier und Palimpseste

      Verwendeten die Ägypter bereits im 2. Jahrtausend v. Chr. Papyrus, so löste im dritten vorchristlichen Jahrhundert Pergament den teureren importierten Papyrus ab. Zwar hatten die Chinesen das Papier erfunden, so um Christi Geburt, aber erst die Araber brachten nach der Eroberung Spaniens dieses Produkt nach Europa. Nachdem die Herstellung von Papier mit der Zeit verbessert und verfeinert werden konnte, entstand 1389 die erste deutsche Papiermühle in Nürnberg. Die Papierherstellung war damals noch immer eine Geheimwissenschaft und unglaublich teuer. Das Gebetbuch König Albrechts II. bestand noch aus Pergament, ein besonders wertvolles und schönes Exemplar. Es wurde noch immer Pergament verwendet, da die Herstellung des Materials bekannt war und es haltbarer und widerstandsfähiger war.

      Die Herstellung von Pergament war kein Geheimnis und von Fachleuten nachvollziehbar. Schreiben und Lesen, das Malen dieser abstrakten Zeichen war eine Kunst, die fast nur der Klerus beherrschte. Vom Zeitaufwand braucht man gar nicht zu sprechen, da Zeit in Klöstern keine Rolle spielte. Für jede Tätigkeit gab es in den Klöstern Handwerker bester Qualität im Ordensdienst. Tiefe Gläubigkeit, das Kennen der Heiligen Schrift, der Zitate, die Fähigkeit der bildlichen Darstellung, erhöht durch Gebet und Fasten schuf Wunderwerke der Kunst. Als Gegenleistung erwartete die Brüder Sicherheit, Geborgenheit und wahrscheinlich der Eintritt ins Paradies.

      Der Weg eines Buches oder einer Pergamentrolle bis zur Fertigstellung war ein überaus beschwerlicher. Schaf-, besser noch Ziegenhäute wurden mühevoll enthaart und geglättet und geschabt, immer wieder, und je feiner diese geschabt wurden, desto elastischer und dünner fiel das Pergament aus. Sobald die gewünschte Qualität erreicht war, spannte man die Haut auf einen Holzrahmen,


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