Die Babenberger sind an allem Schuld. Hubert Hinterschweiger

Die Babenberger sind an allem Schuld - Hubert  Hinterschweiger


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Es geschah am 21. Juli 976

      Mit Leopold begann die 270-jährige Geschichte der Babenberger und die Geschichte Österreichs, auch wenn »Ostarrichi« erst 996 urkundlich zum ersten Mal erwähnt wird. 976 wird ein »Marchio Luitpold« in einer Urkunde Kaiser Ottos II. genannt. Es ist der erste Beleg, dass einem Angehörigen des Geschlechts der Babenberger die »marcha orientalis« oder auch die »orientalis marcha Bavarie« (die bayerische Mark im Osten) übertragen wurde. Wie man aus der Beschreibung ersehen kann, war das Gebiet überhaupt nicht klar umrissen, es lag eben zwischen Bayern und Ungarn, östlich der Enns und vor allem genau in der räuberischen Einfallsschneise der Ungarn. Es war zwar eine Ehre, Markgraf von »Irgendwo« zu sein, aber diese Ehre musste man sich tatsächlich erkämpfen.

      Wie gesagt, Leopold I. »der Erlauchte« wurde belehnt. An Stelle des ehemaligen Römischen Beamtenstaates hatte seinerzeit Kaiser Karl der Große den Nordischen Lehens- oder Vasallenstaat geschaffen. Dieser Rechts- und Gesellschaftsordnung, dem Grundelement des Feudalismus, liegt immer nur geliehenes Gut zu Grunde und verpflichtet zu gegenseitiger Treue und zu Kriegsdiensten für den Lehnnehmer. Dazu kommt noch die Hoffahrt, also die Anwesenheit bei Hof des Lehnsherrn, um diesem mit Rat, Tat und Hilfe zur Seite zu stehen. Außerdem war es ganz gut, Lehnsherren des Öfteren in Sichtweite zu haben. Beim Tod des Lehnsmannes musste um Lehnerneuerung angesucht werden. Bei erwiesenem Treuebruch, wie dies mit dem »Zänker« geschildert, exekutierte der Herrscher über das Lehngericht den Entzug des Lehens. Die Heerschildordnung, also die Fähigkeit zum Erwerben eines Ritterlehens, entwickelte sich zum Rangsystem der lehnsrechtlich gegliederten Adelsgesellschaft. In der Hierarchie der Lehnspyramide unterstanden die Kronvasallen als Lehnsmänner direkt dem Kaiser beziehungsweise dem König, gefolgt von den Ministerialen und den Untertanen, den so genannten Aftervasallen.

      MARKGRAF LEOPOLD I.

      DER ERLAUCHTE (976–994)

      Man muss eben immer auf das richtige Pferd setzen oder, sachlicher ausgedrückt, man muss immer wissen, wohin man gehört. Auch der Kaiser wusste die Treue und Umsicht des Grafen zu schätzen. Neider und Missgünstige sprachen von Verrat, aber zu seinem Herrn zu stehen ist allemal kein Verrat.

      Die Linie der Babenberger war hiermit gegründet und hielt sich 270 Jahre. Es waren ihrer zwölf, die immer mit Umsicht und diplomatischem Geschick die widerwärtigen Klippen der Zeit umschifften und sieben Kaisern dienten.

      Leopold I. regierte von 976 bis 994 und er hatte die Fünfzig weit überschritten, als er zum Markgrafen erhoben wurde, für damalige Zeiten ein methusalemisches Alter. Beachtet man seine reiche Kinderschar, so hatte Leopold sicher eine liebevolle, fürsorgliche Frau zur Seite. Adel zu Adel, wie kann es anders sein, war sie die Tochter des Grafen Ernst von Sualafeldgau namens Richwara. Zwei seiner Söhne sollten die Linie der Babenberger weiterführen.

      Ganz bescheiden begann man in der Gegend um Pöchlarn zu residieren, mit dem Blick nach Osten. Denn nur der aufmerksame Blick nach Osten brachte den ehrenhaften Titel Markgraf – eben der Graf einer Mark, Marke oder Grenze. Für diesen Titel, für diese Ehre musste ein hoher Einsatz erbracht werden. Die ersten Babenberger kamen kaum aus dem Sattel. Es war der Wille des Kaisers und des Papstes, die Grenzen der Christenheit nach Osten zu erweitern, die Menschen zu christianisieren und sesshaft zu machen. Nochmals sollte klargestellt werden, dass die Markgrafschaft ein Lehen Bayerns war und dies so lange, bis Österreich zum Herzogtum erhoben wurde. Aber das hat noch Zeit.

      Zum Leidwesen Bayerns siedelten sich zu Beginn des 9. Jahrhunderts im Osten sehr geräuschvoll neue Nachbarn an. Unter ihrem Führer Arpad tauchten aus dem Osten kommend die Magyaren auf, ein nomadisierendes, wildes Reitervolk. Wer als Vertriebener oder Getriebener auf Landsuche ist, unterscheidet nicht zwischen Mein und Dein. Die Magyaren überquerten die Karpaten von Osten und Nordosten und brachen wie ein Feuersturm in das ehemalige Pannonien ein, erschlugen die noch nicht geflohenen Einwohner und nahmen das Land in Besitz. Diese »Landnahme« erfolgte um das Jahr 896.

      Es war ein fruchtbares Land, das sie in Besitz nahmen, aber bäuerliches Dasein war nicht ihre Stärke. Sie waren ein Reitervolk, sie waren ein Nomadenvolk. Sie kannten wie alle nomadisierenden Reitervölker keine andere Alternative als Jagen und Rauben. Als sich die Magyaren an der Ostgrenze Bayerns niederließen, war es mit den eher friedlichen Zeiten vorbei.

      Der Babenberger Leopold wusste, was auf ihn zukam, als er diesen ehrenvollen Auftrag und Titel entgegennahm, aber die Realität war doch noch ein wenig härter. Man wird selten zum Kämpfer oder gar zum Helden geboren, aber wenn es die Umstände verlangen, wenn es um die eigene Person geht, heißt es immer: du oder ich. Und das Ich steht einem immer näher als alles andere. Ohne es sich bewusst zu sein, wird dieser kritische Augenblick die Geburtsstunde mancher Helden. So muss es auch dem neuen Markgrafen ergangen sein. Natürlich empfand Leopold die Einfälle der Magyaren, gepaart mit Raub, Mord und Brandschatzung als nackte Gewalt und als Herausforderung. Immer wieder kamen die Eindringlinge völlig überraschend in rasendem Galopp, schossen bis zu 30 Pfeile in der Minute ab, und in Anbetracht der großen Anzahl der Eindringlinge kann man sich den herabsausenden Pfeilregen vorstellen, ja fast spüren. Dazwischen raubten sie mit sicherer Hand alles Wesentliche, drehten anschließend noch eine Runde im jaulenden Galopp, um dann die brennenden Pfeile auf die Strohdächer und alles Brennbare zu schießen. Bis die überraschten Bauern oder herumlungernden Wachen die Situation erfasst hatten, so sie noch lebten, war der Spuk vorbei.

      Nach solchen Raubzügen waren die Magyaren in allerbester Laune und ihre anschließenden Mulatschaks entsprachen der männlich-magyarischen Lebensart. Darunter verstanden sie, das Leben in vollen Zügen zu genießen. Man hatte geraubt, man hatte Erfolg und jetzt kam der Ausgleich. Fahrendes Volk spielte auf, zwischen Völlern und Saufen wurde getanzt und junge Weiber um sich geschart, um auch manchmal zugreifen zu können.

      Markgraf Leopold besinnt sich seiner Pflichten, die Sicherheit der Grenzen zu wahren, und zieht los – gegen die Ungarn. Sehr beeindruckt zeigen sich diese jedoch nicht, denn die Burschen drehen den Spieß um und kommen wieder. Da erinnert sich der Markgraf des »Zänkers« und ruft ihn ohne Zaudern zu Hilfe. Des Babenbergers Verhältnis zum »Zänker« und den Seinen war nicht im Geringsten getrübt. Nach alten, typisch politischen Verhaltensregeln gilt immer der Spruch: Heute Feind, morgen Freund. Bei jeder Entscheidung, die man trifft, überlegt man immer die politisch interessante Frage: »Was bringt’s?« Vor allem muss man sich bewusst sein, dass ein Staat, ein Kaiserreich, ein Königreich, ein Herzogtum, eine Grafschaft keine Feinde, aber auch keine Freunde hat, sondern immer nur Interessen. Das ist politisches Bewusstsein.

      Mit Freuden kommt der Herzog von Bayern, der Zänker, dem Hilferuf seines Markgrafen nach, pfeift seine Vasallen zusammen, um mit heiterem Kriegsgeschrei den Ungarn die kommende Vergeltung zu prophezeien. Hei!! Eine wahre Freude, den wilden Räubern einmal einiges heimzahlen zu können und die Männer fliehen zu sehen. Auch sonst sind sie nicht schüchtern, die Bayern und die Ostmärker, es wird einfach Abrechnung geübt. Beide stürmen sie vor, bis in das Wiener Becken, bis zur Schwechat. Der Babenberger denkt: Bis daher und nicht weiter! Und die Grenzen der Mark werden bereits weit nach Osten verschoben.

       Der Klerus im Kampf mit Kreuz und Schwert

      Wie nicht anders zu erwarten, war der Klerus immer zur Stelle, war immer bereit, für das Seelenheil zu beten und auch dafür zu kämpfen. Mit dem Kämpfen hatte der Klerus keine Schwierigkeiten, waren doch die Bischöfe, Erzbischöfe, Kardinäle, natürlich auch die Päpste aus adeligem Geschlecht und standen mit einem Wort in verwandtschaftlicher Beziehung zu den Grafen, Herzögen, Fürsten, Königen und Kaisern. Kaiser Otto II. und der Bayernherzog waren Vettern, die Erzbischöfe von Salzburg und Passau Onkel und Neffe des Babenbergers. Von Jugend an genossen sie die gleiche Erziehung, lernten reiten, fechten und hatten den Weitblick für strategisches und imperiales Denken. Machtstreben war dem Klerus so selbstverständlich wie allen weltlichen Herren auch. Die verwandtschaftlichen Bindungen und Verbindungen waren weit verzweigt und daher immer für gegenseitige Hilfestellung nützlich. Da kam es schon des Öfteren vor, dass statt des geistlichen Habits


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