Die Babenberger sind an allem Schuld. Hubert Hinterschweiger

Die Babenberger sind an allem Schuld - Hubert  Hinterschweiger


Скачать книгу
mit Ausnahme einer kleinen, abseits gelegenen Gegend – Ostmark genannt. Dieses exponierte Gebiet, dieses Fast-Niemandsland, war für jeglichen Small Talk der guten Gesellschaft völlig unerheblich. Das Leben spielte sich in der Ebene um Regensburg ab, Augsburg, Salzburg, Freising, Passau, das waren Städte weit weg vom Schuss und von mörderischen Einfällen. Die Ostmark war voller Gefahren, Überraschungen und Abenteuer – war uninteressant, daher blieb wenig Geschriebenes erhalten und das bisschen mündlich Überlieferte verwob sich zu unzähligen Geschichten und Sagen.

      In der Nähe von Bamberg, zwischen den Flüssen Main und Regnitz, lebten die Babenberger Fürsten, die im Lauf von Jahrzehnten zahlreiche Nachkommen in die Welt setzten. Die meisten lebten ihr herrschaftliches Leben und vergnügten sich mit Jagd, Musik und Tanz. Wenn es um Machtzuwachs oder Bereicherung ging, waren kleinere Fehden oder sogar größere Kämpfe auf der Tagesordnung. Aber für einen dieser Herren war das alles etwas unbefriedigend, und kühl rechnend machte er sich über seine Zukunft Gedanken. Luitpold, Leopold, auf diesen Namen hörte der edle Herr, stellte sich die Frage, was denn aus dem eigenen Ich werden sollte, betrachtet man all die männlichen Verwandten, die um jeden Happen Machtzuwachs Streit anfingen und locker mit dem Dolch zur Hand waren? Die Zeit floss dahin, ebenso die Jugend, und so war der Augenblick gekommen, eine Entscheidung zu treffen. Nicht dass es an der Apanage mangelte, Gott, viel war es nicht, aber es reichte, um die Zeit mit all den Tätigkeiten und Vergnügungen totzuschlagen. Nur – war das alles, was man vom Leben erwarten konnte? Luitpold wollte mehr. Bald war seine Habe zusammengepackt, sein Diener bereit, und mit einem lockeren Adieu ging es in die Ferne, gegen den Südosten Bayerns, wo ein neues unerschlossenes Hoffnungsgebiet auf mutige Männer wie Luitpold wartete.

      Die Gegend war spärlich besiedelt und von dichten Urwäldern überwuchert, unbekannte Fluss- und Bachläufe zogen ihre Bahnen durch diese Undurchdringlichkeit. Es gab kaum Lichtungen in dieser bewaldeten, düsteren, geheimnisumwitterten Landschaft. Fast wie ein ausgestreckter Zeigefinger bohrte sich diese Mark ins Ostland, umgeben von Slawen und neuerdings von Magyaren.

      Eines Tages, im Morgengrauen, die Wälder dampften noch – man kann fast sagen, es war auch das Morgengrauen Österreichs –, kamen hoch zu Ross einige hohe Herren zusammen, um zu poltern, zu politisieren und allerlei Männergespräche zu führen; denn Kampf, Überfälle, Raub usw. war schon immer ein beliebtes Spiel hoher Herren.

      Da gab es zum Beispiel einen, der wurde nur »Heinrich der Zänker« genannt. Wie sein Name, so auch seine Haltung. Er war sich sehr wohl seiner berühmten Verwandtschaft bewusst und saß tatsächlich auf dem hohen Ross, war doch schon sein Großvater Herzog Heinrich I. von Sachsen deutscher König und Römischer Kaiser gewesen. Die Kaiserwürde ging später auf dessen Sohn Otto I. über, der durch die Heirat mit Adelheid von Burgund, der Witwe König Lothars II. von Italien, auch noch die Lehnsherrschaft über Burgund gewann. Nach dem Ableben des Vaters übernahm sein Sohn Otto II. die Regierungsgeschäfte, und es glückte ihm eine eheliche Verbindung mit der byzantinischen Prinzessin Theopano. Der Bruder des Kaisers, Herzog Heinrich von Bayern, lachte sich eine Luitpoldinger namens Judith an, deren beider Sohn eben der besagte Herzog Heinrich II. von Bayern, genannt Heinrich der Zänker war. Heinrich der Zänker führte immer das große Wort, und es war auch nicht ratsam, ihm zu widersprechen. Auf diese Gruppe edler Herren stieß nun Graf Luitpold, stellte sich vor und wurde von allen aufmerksam gemustert. Die von Babenberg, ja, ja, die waren allen anwesenden Herren bekannt. Einige höfliche Floskeln flogen hin und her, Fragen wurden gestellt, Auskünfte erteilt, um dann zur Sache zu kommen.

      Der »Zänker« redete nicht lange herum, sondern unterbreitete den Anwesenden in wenigen Sätzen einen atemberaubenden Plan. Eine Verschwörung, einen Aufstand gegen seinen Cousin, Kaiser Otto II. Der Vorteil? Der Zänker zeigte sich nicht knauserig und war bereit, seinen Freunden großzügige Schenkungen und Lehen zu überlassen. Die Herren fanden diese Idee großartig, vor allem überzeugte und blendete sie der zukünftige Reichtum, und daher stimmten sie begeistert zu. Man rückte die Schwerter zurecht und dann näher zusammen, um sich in märchenhaften Details zu ergehen. Das mit dem Reichtum hatte schon seine Richtigkeit, denn Bayern war reich an Salz, und Salz war in ganz Europa seit Jahrhunderten eine begehrte, bestens bezahlte Ware. Man denke nur an Hallstatt, Hallein, Bad Reichenshall und das Salzkammergut.

      Luitpold – später wird in der Geschichtsschreibung wie gesagt Leopold daraus – war klar, dass der Zänker nie und nimmer gewillt war, das zu halten, was er versprochen hatte, schon gar nicht zukünftigen Verrätern und Mördern. Leopold sah sich stumm die Runde an, dachte sich seinen Teil, schüttelte den Kopf, fand einige entschuldigende Worte und verließ die Runde. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.

      »Die Brüder da drüben, das ist klar, die bringen nichts zusammen. Ich werde die Gelegenheit wahrnehmen, bei meinem Kaiser vorstellig werden und einige ernsthafte Worte zu ihm sprechen.«

      So dachte dieser edle Mann, ging zu Kaiser Otto II. und machte Nägel mit Köpfen.

      Tatsächlich, die anderen haben den Aufstand gewagt. Durch den Babenberger gewarnt, war es für den Kaiser eine wahre Freude, mit dem Schwert dreinzuschlagen. Nur der »Zänker« hielt sich noch in Passau verschanzt und erhoffte sich eine Siegeschance, aber leider, sehr zum Leidwesen des zänkischen Zänkers, musste auch er nach der Erstürmung der Festung die Fahnen streichen und den Weg in die Gefangenschaft antreten. Wie gesagt, die paar Männer wurden niedergemacht, die Burgen erobert und die Ländereien eingezogen. Nach dem triumphalen Einzug des Kaisers 976 in Regensburg, der bayerischen Herzogsstadt, wurde eine Verschnaufpause eingelegt, um in Ruhe nachzudenken, wie nun gegen die Rebellen vorzugehen sei. Einige Todesstrafen der traditionellen Art, einige Kerkerstrafen der traditionellen Art und dem Gebot der Stunde entsprechend wurde mit neuen Herzögen experimentiert. Einige versuchten sich in dieser Rolle, aber der Zänker hatte seine alte Hausmacht im Rücken, die dem Kaiser beratend zur Seite stand. Nach einigen misslungenen Experimenten des Kaisers und einem demutsvollen Kniefall vor diesem, erhielt der Zänker 985 sein Lehen wieder und damit den Thron Bayerns. Auf alle Fälle hatte Kaiser Otto II. die Lektion gelernt und sich geschworen, Bayern bei Gelegenheit zu zeigen, wer das Sagen hat.

      Aber zurück in das Jahr 976. Der Kaiser stellte erfreut fest, dass dieser Aufstand im Großen und Ganzen ein gutes Geschäft war. Lehen waren verfügbar, das brachte Geld in die Kasse, und der Glanz des Sieges steigerte das Ansehen des Kaisers. Die meisten Adeligen beteuerten ihre Treue, huldigten dem Kaiser und heuchelten Abscheu vor den Abtrünnigen. Natürlich schielten alle nach den freigewordenen Besitzungen und hofften, damit belehnt zu werden. Der Kaiser ließ sich Zeit, denn stillschweigend abzuwarten steigert die Spannung und bestätigt die eigene Macht. Herzog Leopold aber war in der Zwischenzeit zum unentbehrlichen Vertrauten und Begleiter des obersten Kriegsherrn aufgestiegen, eine Ehre, die den Babenberger auszeichnete. Ob bei Ausritten oder am prasselnden Kaminfeuer, so manche Bürde, die Otto bedrückte, besprach er mit Leopold und erhielt regelmäßig guten Rat.

      Wieder einmal – es war ein herrlicher Sommermorgen – wurde zur Sauhatz geblasen. Leopold ritt wie immer an des Kaisers linker Seite. Es war ein scharfer Ritt, die Hunde nahmen Witterung auf und die Hatz nahm ihren Anfang. Das Gelände wurde zusehends unwegsamer, viele Jagdgefährten verspürten keine Lust mehr, durch den dichten Wald und das wilde Gestrüpp zu jagen und einen Sturz zu riskieren, um vielleicht eine Wildsau zu erlegen. Aber Leopold, der ritt dicht hinter seinem Herrn, und bei Erreichen einer Lichtung umsprangen die Hunde mit lautem Gebell einen prächtigen Keiler, der schnaubend und angriffslustig mit seinen Hauern Laub und Erdreich aufwirbelte. Der Kaiser parierte sein Pferd, spannte den Bogen und mit einem berstenden Knall zerbrach dieser. Leopold trieb sein Pferd an die Seite des Kaisers, reichte ihm seinen gespannten Bogen und mit einem gezielten Schuss erlegte Kaiser Otto den Keiler. Die rasche Reaktion des Mannes gefiel dem Kaiser, und vor seinem geistigen Auge erstand das Bild eines guten Markgrafen. Der Kaiser überreichte Leopold seinen zerbrochenen Bogen als Pfand mit dem Versprechen, ihm das nächste freiwerdende Land als Lehen zu geben. Es dauerte nicht lange und Markgraf Burkhard vom bisher noch nicht genannten Ostarrichi verstarb. Von überall kamen die Adeligen und baten kniefälligst um dieses Lehen. Leopold, schon immer sehr würdig, trat in die Mitte der gierigen Bittsteller, zeigte dem Kaiser dessen alten, zerbrochenen Bogen und kniete nieder. Sich freudig besinnend ergriff der Kaiser den Bogen, gebot Leopold aufzustehen, um ihn anschließend zum Markgrafen des freigewordenen


Скачать книгу