Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme. Jodocus Temme
In der dritten Nacht vor der Jagd hörte auf einmal der damalige Haidereuter auf dem Schlosse, Namens Bärens, um Mitternacht auf dem Boden, wo er die Schweine körnte, eine Stimme, die rief: »Ist der Stumpfschwanz da? Der soll dem Haidereuter das Leben nehmen!” Der Haidereuter achtete nicht darauf. Als er aber in der folgenden Nacht dieselbe Stimme nochmals hörte, erzählte er es dem Churfürsten, in der Meinung, daß irgend ein Hofbedienter ihn suche furchtsam zu machen. Der Churfürst befahl ihm, Niemandem von der Sache zu sagen, auch die kommende Nacht zu Hause zu bleiben. Dagegen schickte er seinen Büchsenspanner auf den Boden. Dieser hörte dieselbe Stimme. Da befahl der Churfürst am anderen Tage, als die Jagd war, daß der Haidereuter zu Hause bleiben solle, welches auch geschah. Erst als die Jagd ganz zu Ende war, ritt er noch hin, um die getödteten Sauen zu besehen, die gerade aufgeladen wurden. Darunter war wirklich ein Stumpfschwanz. Der Haidereuter ging an ihn heran und sagte: »Du solltest mir das Leben nehmen, und bist eher todt als ich!« Dabei hielt er das Schwein, bis die aufladenden Bauern die andere Leiter vom Wagen vorgeschoben, daß es nicht herunter fallen sollte. Auf einmal fiel aber unversehens der Kopf des Stumpfschwanzes herunter und schlug dem Haidereuter den Leib auf, wovon er auch alsbald starb. Er wurde auf der Stelle begraben, die davon den Namen »Bärenskirchhof” behalten hat.
Beckmann histor. Beschr. v. Brandenburg. Th. 1. S. 782.
22. Das vermauerte Thor zu Gransee.
In vielen Städten der Mark Brandenburg, nur nicht in der Altmark, findet man etwas, was man nur sehr selten in anderen Ländern antrifft. Neben dem gewöhnlichen Stadtthore ist nämlich noch ein zweites, zugemauertes Thor. Nach Allem muß man annehmen, daß dieses das allererste gewesen, weil das mit dem Bau der Mauer, in der es sich befindet, übereinstimmt, und weil es auch gerade auf die Straße zugeht, wogegen das jetzige offene Thor schräge in die Stadt hinein führt. Welche Bedeutung die zugemauerten Thore gehabt, und aus welcher Veranlassung sie vermauert sind, das suchen unsere Geschichtschreiber vergeblich zu erforschen. Es finden sich namentlich dergleichen vermauerte Thore in Kyritz, in Wittstock, zu Wusterhausen im Ruppinschen, zu Gransee zwei, zu Soldin drei, zu Friedeberg zwei, zu Morin zwei, zu Berlinchen zwei, zu Königsberg zwei, zu Schönfließ zwei, zu Landsberg an der Warthe, zu Beerwalde, zu Woldenberg, zu Bernau, zu Fürstenwalde und zu Mittenwalde. –
Von den beiden Thoren zu Gransee hat man zwei verschiedene Sagen. Einige geben nämlich vor, es sei einstmals ein Kaiser durch die Stadt gereiset, dem zu Ehren man beide Thore, durch die er gekommen, zugemauert, damit Niemand mehr durchreisen solle. Andere dagegen behaupten, daß bekanntlich in Gransee früher Wenden gewohnt, daß diese von den einwandernden Deutschen vertrieben seien, und nun diese letzteren die Thore, durch welche die Wenden ausgegangen, nicht würdig erachtet, auch von ihnen gebraucht zu werden, weshalb sie dieselben denn zugemauert und für sich nebenan neue Thore haben machen lassen. Hiermit stimmt es überein, daß in den Dörfern auf dem Lande, wo noch jetzt Deutsche und Wenden zusammen wohnen, die Deutschen sich der gewöhnlichen Kirchenthüren bedienen, dieses aber nicht den Wenden gestatten, welche vielmehr durch eine kleine, besonders angelegte Thür in die Kirche gehen müssen.
Beckmann histor. Beschr. v. Brandenburg. Th. 1. S. 283. 284.
23. Die Strohbrücke bei Himmelpforten.
Unweit des Klosters Himmelpforten in der Ukermark liegen zwei Seen, Moderwitz und Sidow genannt; beide hängen zusammen, und es ist dort, wo sie in einander fließen, eine Brücke befindlich, über welche man von Himmelpforten nach dem Dorfe Lichen gelangt. In alten Zeiten, als in Himmelpforten noch Mönche waren, die Brücke aber noch keinen Namen hatte, da hatte einstmals einer der Mönche eine Liebschaft mit einer Frauensperson aus Lichen. Diese wollte er eines Tages mit sich ins Kloster nehmen, weshalb er sie, damit Niemand es merken solle, in ein Bund Stroh einband, und sie so auf seinen Rücken nahm, als wenn er Stroh als milde Gabe für sein Kloster empfangen habe. Wie er nun so, unter seiner Last keuchend und schwitzend, über jene Brücke ging, da begegnete ihm unvermuthet mitten auf der Brücke der Abt des Klosters. Das Mönchlein ließ sich dadurch zwar nicht erschrecken, sondern grüßte seinen geistlichen Vater vielmehr demüthiglich und berichtete, wie fromme Leute im Dorfe ihm das Stroh als Gabe für sein Kloster geschenkt hätten. Der Abt aber sah ihm doch verwundert nach, weil jener so sehr schwitzte, und da entdeckte er denn auf einmal die Füße der Weibsperson, welche unten aus dem Stroh hervorragten. Wie es dem armen Mönche hierauf erging, brauche ich Euch wohl nicht zu erzählen. Die Brücke aber, auf der solches geschehen, wurde von da an die Strohbrücke genannt, welchen Namen sie noch bis auf den heutigen Tag führet.
Beckmann histor. Beschr. v. Brandenburg. Th. 4. S. 1123.
24. Der schwarze Mönch zu Ukermünde.
Im Jahre 1469 führte Markgraf Friedrich der Andere von Brandenburg einen langen Krieg gegen die Herzöge in Pommern. Unter andern belagerte er die Stadt Ukermünde. Nun war aber damals in dieser Stadt ein schwarzer Augustiner-Mönch, der etliche freie Schüsse hatte und damit treffen konnte, was er wollte. Der schoß eines Tages dem Markgrafen den Tisch mit dem Essen darauf vor dem Munde weg, und ließ sich zugleich hören, wo der Churfürst nicht bald weichen werde, so wolle er ihm noch näher kommen. Darüber erschrak der Churfürst so sehr, daß er den Sturm aufhob, den er vorhatte, und von der Stadt abzog. Andere sagen freilich, er sei darum abgezogen, weil ihm die Zeitung zugekommen, daß die Sundtschen und Rugianer den Pommerschen Herzögen mit starker Kriegsmacht zu Hülfe gekommen seien.
Andreas Angelus Annal. March. Brand. pag. 230.
25. Die Capelle des h. Kreuzes bei Perleberg.
Vor der Stadt Perleberg auf dem Felde, und zwar aus dem Parchemer Thore hinaus, lag früher eine Capelle »des heiligen Kreuzes zu Jerusalem«. Sie ist aufgebauet von einem Bürger, Namens Matthäus Dambeck. Dieser bekam für seine viele Sünden dieß als Buße auf. Er mußte auch selbst nach Jerusalem reisen, um die Weite der Schädelstätte von Jerusalem auszumessen und gerade in derselben Weite jene Capelle bauen zu lassen, welches denn auch geschehen ist. Jetzt sind von der Capelle nur noch einige Mauertrümmer in der Erde zu sehen.
Beckmann histor. Beschreibung von Brandenburg. Th. 5. B. 2. Cap. 2. S. 44.
26. Der große Stein bei Reetz.
Zwischen dem Amte Reetz und dem Dorfe Rietzig steht am Wege ein großer Stein, um welchen kleinere Steine herumliegen. Auf dem großen Steine findet man allerlei Figuren von Menschen-Händen und Füßen und von Thierklauen eingedrückt, und man unterscheidet besonders deutlich den Fuß von einem Frauenzimmer, den Fuß von einem Kinde, eine Hand und ein Hufeisen. Man erzählt sich, daß der Teufel einmal eine Krügerin, so die Bauern im Kruge betrogen, geholet und auf diesen Stein gesetzet, da dann plötzlich viele Geister mit Pferde- und Bocksfüßen gekommen, die um sie herum getanzet und einen höllischen Lärm gemacht. Wie nun die Krügerfrau in großer Todesangst dem zusehen muß, da kommen des Weges zwei unschuldige Kinder. Die gewahren von allem dem Spuk nichts, und setzen sich ruhig auf den Stein zu der Krügerin, um sich auszuruhen. Und in dem Augenblicke ist denn auch Alles verschwunden gewesen.
Beckmann histor. Beschr.