Bettina Fahrenbach Staffel 6 – Liebesroman. Michaela Dornberg
»Es tut mir wirklich leid, Bettina, meine Mutter hat deswegen schon mit mir geschimpft, und Markus hat auch gemeckert. Aber ich kann es jetzt nicht mehr ändern, es war blöd … Beim nächsten Mal komme ich mit.«
»Sorry, Yvonne, es wird kein nächstes Mal geben, denn ich habe die Absicht nur ein einziges Mal zu heiraten, und für diese Hochzeit habe ich das Kleid bereits gekauft.«
»Nein, ich mein, wenn du wieder irgendwohin willst«, sagte Yvonne, der wirklich anzusehen war, wie peinlich ihr das Ganze war.
»Lass gut sein, Yvonne, wir müssen jetzt keinen Film draus drehen, du willst bestimmt zur Leni, und ich möchte zu Thomas. Wir wollen zusammen etwas besorgen.«
»Okay, aber, Bettina, ist wieder Frieden zwischen uns?«
Bettina lachte.
»Yvonne, entspann dich, wir hatten niemals Krieg.«
Sie beugte sich herunter zu der Kleinen, strich ihr über das Köpfchen, dann verabschiedete sie sich von Yvonne.
Als sie zu ihrem Haus lief, spürte sie, und das war ihr zuvor niemals bewusst geworden, dass sie nachtragend sein konnte.
Es hatte sie schon verletzt, dass ihre Freundinnen nicht mitgekommen waren.
Linde musste auch ein schlechtes Gewissen haben, denn die hatte sich noch nicht bei ihr gemeldet, was eigentlich untypisch war. Außerdem platzte sie normalerweise vor lauter Neugier. Sie hatte nicht angerufen, um sich nach dem Brautkleid zu erkundigen, was auch für ein schlechtes Gewissen sprach.
Sie war Linde nicht böse, aber sie wollte sie schon ein wenig zappeln lassen. Mit Linde war es nämlich auch so, dass sie sofort sprang, wenn Linde nur pfiff. Sie tat es ja gern, und Linde hatte genug mitgemacht damals, als Martin durch diesen selbstmörderischen Geisterfahrer aus dem Leben gerissen worden war, und er eine mit Zwillingen schwangere Frau zurückgelassen hatte. Da war sie nur für Linde da gewesen, aber … Wenn Bettina ganz ehrlich war, war das wohl etwas anderes als der Kauf eines Brautkleides, es war nicht miteinander zu vergleichen. Aber die Menschen waren nun mal so gestrickt, dass sie in erster Linie ihre eigenen Bedürfnisse erfüllt haben wollten, ganz besonders dann, wenn sie für einen wichtig waren, was allerdings oftmals überbewertet wurde.
Außerdem, was sollte das alles. Leni war an ihrer Seite gewesen, und es hatte alles wunderbar geklappt, und sie hatten sich zu zweit noch ein paar schöne Stunden in der Stadt gemacht, das war vorher auch schon lange nicht mehr vorgekommen.
Bettina war fest entschlossen, nicht mehr zu schmollen, sondern sich ihren Freundinnen gegenüber wieder ganz normal zu benehmen, in erster Linie gegenüber Linde, die ihre allerbeste Freundin war. Und wenn Linde sich weiterhin nicht trauen würde, bei ihr anzurufen, dann würde sie den ersten Schritt tun. Und dazu fiel ihr wieder einer von Lenis Sprüchen ein – wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, muss der Berg zum Propheten gehen.
*
Bettina fiel es immer schwer, sich morgens von Thomas loszueisen und hinauf in die Destille zu gehen. Sie genoss das gemütliche Frühstück zu zweit und wäre am liebsten bis mittags sitzen geblieben. Sie hatten sich ja so viel zu sagen. Aber Job war Job, seit Thomas auf dem Hof war, schlampte sie ohnehin ein wenig. Aber sie arbeitete schon noch genug.
Auch jetzt stand sie nur widerwillig auf, sie hatte bereits die Zeit, die sie sich selbst vorgegeben hatte, um mehr als eine Viertelstunde überschritten. Sie musste sich ganz einfach selbst Druck machen.
»Ich muss los, mein Schatz«, sagte sie, »die Arbeit wartet.«
Thomas war auch aufgestanden.
»Ich gehe auch gleich in mein Arbeitszimmer, in der Stiftung deines Vaters wurde ganz schön geschlampt. Es waren ganz einfach zu viele Köche am Herd, sind es noch immer. Das muss alles gestrafft werden.«
»Ich bin froh, dass du dich darum kümmerst, Tom, vor allem, dass es dir auch Spaß macht.«
»Und wie, es ist eine wundervolle Aufgabe und eine große Herausforderung. Tini, dein Vater hat da etwas ganz Großartiges auf die Beine gestellt … Schade, dass er die Früchte seiner Arbeit nicht mehr erleben durfte.«
Er war um den Tisch herumgekommen, nahm sie in die Arme, küsste sie zärtlich.
»Arbeite nicht zu viel, mein Liebes«, sagte er. Als er ihren Blick bemerkte, den sie auf den reich gedeckten Frühstückstisch warf, sagte er schnell: »Mach dir darum keine Sorgen, Tini, ich räum die Küche schon auf und verstaue alles wieder ordentlich im Kühlschrank oder im Geschirrspüler.«
Das war wieder so etwas, sie hatte nichts gesagt, aber er hatte es bemerkt. Es war unglaublich, wie gut Tom und sie nonverbal miteinander kommunizieren konnten.
»Danke«, sagte sie, »dafür hast du etwas bei mir gut.«
Sie räumte nicht gern ab und war froh, wenn Tom das übernahm, der überhaupt kein Problem damit hatte.
Noch ein letzter Kuss, dann machte sie sich aus seinen Armen frei, lief zur Tür, drehte sich von dorther noch einmal um und sagte voller Inbrunst: »Tom, ich liebe dich so sehr, dass es weh tut …« Dann beeilte sie sich, aus dem Haus zu kommen, denn die Versuchung, noch mal zurückzugehen, sich in seine Arme zu werfen, ihn zu küssen, war einfach zu groß.
Unterwegs sah sie Babette, die gerade das Haus verließ, zusammen mit der kleinen Marie. Vielleicht mussten sie zum Kinderarzt zu einer Untersuchung, oder zum Babyschwimmen oder Turnen oder Spielen. Babette tat eine ganze Menge, und Bettina hatte manchmal den Eindruck, dass sie das tat, um von ihrem Schmerz wegen des unter so tragischen Umständen verlorenen Babys abzulenken.
Babette und Toni bemühten sich zwar um Normalität, aber sie hatten es längst nicht überwunden, dass sie ihr kleines Mädchen, auf das sie sich so sehr gefreut hatten, verloren hatten, nur weil ein Autofahrer inmitten von Bad Helmbach unbedingt Michael Schumacher hatte spielen wollen. Und Babette war zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Dabei hatte sie sich nichts zuschulden kommen lassen, sie hatte brav auf dem Bürgersteig an einer Ampel gestanden, als dieser Pseudorennfahrer in sie reingerast war.
»Hallo, Babette«, rief sie ihr aus der Ferne zu, »hab einen schönen Tag.«
»Danke, den wünsch ich dir auch, Bettina.«
Sie winkten sich zu, dann lief Bettina den Weg hinauf, der zur Destille führte.
Likörfabrik Fahrenbach …, wie es auf dem altmodischen Firmenschild stand.
Die Dunkels flippten immer aus, wenn sie von der Destille oder der Destillerie sprach, und auch Toni hörte das nicht gern.
Für sie war es die Likörfabrik Fahrenbach, und das würde auch immer so bleiben.
Ehe sie oben angekommen war, blieb Bettina kurz stehen und blickte auf das imposante Gebäude, in dem der Grundstein für das »Fahrenbach Kräutergold« gelegt worden war. Die Generationen danach hatten es immer weiter ausgebaut, und ihr Vater war weitsichtig genug gewesen, einen hochmodernen Betrieb daraus zu machen. Mehr oder weniger klammheimlich, denn ihre Brüder hatten sich gesträubt, das in ihren Augen antiquierte Kräutergold zu produzieren oder zu vertreiben. Und so hatte ihr Vater eben den Betrieb in Fahrenbach ausgebaut und produziert, klein aber fein, ohne dass jemand eine Ahnung davon gehabt hatte. Nun, sie hatte ohnehin nichts mit der Produktion oder dem Vertrieb zu tun gehabt, sie war für die Werbung zuständig gewesen. Und hatte ins kalte Wasser springen müssen, als ihr Bruder Frieder, Erbe des bekannten, alteingesessenen Weinkontors Fahrenbach, sie gleich am ersten Tag vor die Tür gesetzt hatte und als sie Erbin des Fahrenbach-Hofs geworden war.
Was waren das für Zeiten gewesen – sie ohne Ahnung, ohne Geld, denn ihr Vater hatte ihr zwar das Anwesen und viel Grundbesitz, einschließlich des Sees, hinterlassen, aber kein Barvermögen. Was hatten sie sich durchgewurstelt, wenn sie die Hofbewohner, damals nur die Dunkels und Toni, nicht gehabt hätte, wäre sie so manches Mal verzweifelt. Aber dann war es aufwärts gegangen, es hatte Erfolge und Niederlagen gegeben, und nachdem sie schließlich bei der zweiten Testamentseröffnung die Rezeptur für das Kräutergold bekommen hatte, das