Leni Behrendt 6 – Liebesroman. Leni Behrendt
»Na, wie denn?«
»Möwe.«
»Du lieber Himmel – auch das noch! Schnappe nur nicht über, mein Kind.«
Adeles Blick ging über die klappernden Nadeln hinweg zu Almut hin, er verriet nur zu deutlich den Stolz über das junge Menschenkind, das in seinem charmanten Übermut so unwiderstehlich war.
Mit Wohlgefallen ruhten die Augen des Hausherrn nebst seiner Gattin auf ihrem jungen Gast – nur in denen Marbods glomm ein düsteres Licht. Er war auch ziemlich einsilbig, während die andern gemütlich miteinander plauderten.
Wer die dicken Strümpfe in Adeles Hand wohl tragen würde, wollte Almut wissen. Die Gräfin gab Antwort darauf: »Es finden sich schon genug Menschen dafür. Zum Beispiel einer unserer Waldhüter, der neun Kinder hat. Da kommt die Frau nicht dazu, für alle zu stricken. So helfe ich denn an den langen Winterabenden ein wenig mit und freue mich, in Fräulein Aldermann eine tatkräftige Hilfe bekommen zu haben.«
»Sie stricken, Frau Gräfin?« fragte Almut ungläubig.
»Ja, warum denn nicht?« war die erstaunte Gegenfrage.
»Weil das nicht zu Ihnen paßt.«
»Das ist eine sonderbare Feststellung«, lachte die Dame erheitert. »Irgendwie muß der Mensch sich doch beschäftigen. Und was sollte ich wohl anders tun? Etwa auf dem Fenstertritt unter blühenden Geranien sitzen, den Kanarienvogel im Bauer über mir, den fetten Mops auf dem Schoß und die Kaffeetasse in der Hand? Bedenken Sie, daß ich noch nicht einmal Großmutter bin.«
Ein herzfrohes Lachen perlte von Almuts Lippen. Es schmeichelte sich in die Herzen der andern, und selbst um Stephans Mund zuckte es wie ein Schmunzeln, als er gerade dazukam, um zu melden, daß angerichtet sei.
»Frau Gräfin, ich könnte mich halbtot lachen, wenn ich mir das Bild vergegenwärtige –!« jubelte Almut. »Wenn ich sagte, daß die Strumpfstrickerei nicht zu Ihnen paßt, so meinte ich damit, daß Sie eigentlich zu – vornehm dazu wären. Solche Damen pflegen doch nur feine Handarbeiten zu machen.«
»Ach so –«, lachte nun auch die Gräfin. »Dann will ich doch lieber nicht vornehm sein. Denn zwischen vornehm wirken wollen und es wirklich sein, liegt immer noch ein großer Unterschied. Da hilft selbst der feudalste Name nichts, mein Kind.«
*
Wenn sich Almut auf der Wettersburg noch nicht gelangweilt hatte, so kam sie in der nächsten Zeit schon gar nicht dazu. Es gab immer Abwechslung, zumal sie jetzt die beiden Grafen auf ihren Ritten begleitete. Auch die Gräfin machte an schönen Wintertagen mit.
Auch die Schlittenfahrten waren reizvoll, an denen sich Adele stets beteiligen mußte. Hauptsächlich dann, wenn Herr Hinrichs das Gefährt lenkte. Denn seit dem Tage seines kühnen Angriffs hielt es Almut für ratsam, nicht mehr allein mit ihm zu fahren, was ihn sehr reserviert werden ließ.
Und doch traute ihm das Mädchen nicht – Vorsicht war immer etwas, das nie schaden konnte.
Die Spaziergänge am Strand entlang, zu denen sie Adele immer »mitschleifte«, waren ebenfalls ein Genuß für beide. Nie konnte sie es über werden, dem Spiel der Wellen zuzuschauen, die mit ihrem ständigen Auf und Ab verhinderten, daß das Wasser selbst bei stärkerem Frost zufror.
Man amüsierte sich köstlich, als Almut eines Abends den Wunsch äußerte, den ersten Strumpf ihres Lebens zu stricken. Adele tat ihr den Gefallen, machte ein Strickzeug fertig und drückte es vergnügt in die feinen Mädchenhände.
»So, mein Kind, nun beiße dir deine Spielzähnchen daran aus. Bin nur neugierig, wie lange dein Eifer anhalten wird.«
Es machte den vier anderen Menschen Vergnügen, das Mädchen beim Stricken zu beobachten. Das Gesichtchen glühte vor Eifer, das Zünglein fuhr über die Lippen, als könne es damit das schwierige Werk erleichtern. Die feinen Finger mühten sich in herzlichem Ungeschick, mit den widerspenstigen Nadeln nebst Maschen fertig zu werden.
Und eines Abends war der erste Strumpf fertig. Die Fehler darin durfte man allerdings nicht zählen. Doch das Kind, das den Strumpf tragen sollte, würde wohl kaum daran Anstoß nehmen.
»Dieses kleine Meisterwerk muß unbedingt begossen werden«, kam der Hausherr mit einer Anregung, die allgemein gutgeheißen wurde. Stephan erschien auch bald mit einem Kühler, aus dem zwei silberhalsige Flaschen heraussahen. Stolz zeigte ihm Almut ihr Machwerk, das er kritisch in Augenschein nahm.
»Haben wir das gut gemacht, Stephan?«
»Ganz wie wir es erwarten durften, gnädiges Fräulein.«
Es zuckte um den Mund der fünf Menschen, die sich über ihren Getreuen köstlich amüsierten. Nachdem er die Sektgläser gefüllt und in würdiger Haltung das Zimmer verlassen hatte, machte sich das unterdrückte Lachen Luft.
Man prostete sich immer wieder zu, und so konnte eine fidele Stimmung nicht ausbleiben.
»Nun fehlt nur noch Musik«, meinte Graf Veit. »Aber nicht durch den Rundfunk, wo sie um diese Zeit fürchterlich zu jazzen pflegen. Leider ist unsere Familie herzlich unmusikalisch, wenigstens wir drei sind es. Doch wie steht es mit den beiden Damen?«
»Zeige deine Kunst, Almut«, ermunterte Adele, doch das Mädchen sah sie zweifelnd an.
»Ich würde dich blamieren, Möpschen.«
»Mich? Was habe ich damit zu tun, wenn du ein Fiasko erleidest?«
»Weil du für meinen musikalischen Unterricht verantwortlich bist.«
»Gott soll mich bewahren –! Nun ziere dich nicht, sondern gehe mutig an die Arbeit. Ob sie gut oder schlecht war, darüber werden wir dann urteilen.«
Zögernd erhob sich Almut, ging in Marbods Begleitung zum Flügel. Er öffnete den Deckel, zündete die Kerzen an, legte Noten bereit und schob den Sessel zurecht. Dann setzte er sich wieder in seinen Sessel am Kamin.
»Was wird gewünscht?« fragte Almut, nachdem sie am Flügel Platz genommen hatte.
»Etwas Lustiges«, verlangte der Hausherr. »Am liebsten Jägerlieder. Noten dazu sind genügend da.«
»Danke, wird auch ohne gehen –«
Und schon klangen die alten Lieder auf, gut und schwungvoll gespielt. Fröhlich jubilierte die junge Stimme mit, es war für die Zuhörer ein wirklicher Genuß.
»Damit ist mein Repertoire an diesen Liedern erschöpft«, verkündete sie schließlich. »Weitere Wünsche werden gnädigst entgegengenommen.«
Man zollte ihr ehrlichen Beifall, bis die Gräfin zögernd sagte: »Daß Sie etwas können, mein liebes Kind, habe ich bereits gemerkt. Fragt sich nur, ob Sie gleich vom Blatt spielen können.«
»Wenn das Stück nicht zu schwer ist, Frau Gräfin.«
»Dann hätte ich eine Bitte. Mein ältester Sohn – der vor drei Jahren starb –«
»Muttchen«, sprach Marbod bittend dazwischen, doch sie winkte mit einem Lächeln ab.
»Laß nur, mein Junge, ich möchte das Lied so gern hören, dessen Text unser musikalischer Veit vertonte. Gib Almut die Noten, sie wird das Lied gewiß wunderbar singen mit ihrer so herzwarmen Stimme.«
Schweigend trat Marbod zu Almut, die ganz blaß geworden war. Behutsam wie ein Heiligtum legte er ein Notenblatt in die schlanken Mädchenhände. Ihr wurde dabei ganz eigen zumute.
Der die Noten geschrieben, war bereits drei Jahre tot. Also gab es auch in diesem Hause, wo alles so glückhaft froh erschien, bitteres Leid, das die drei Menschen fest im Herzen verschlossen. Verehrte Almut die Gräfin nebst ihrem Gatten schon längst, so bewunderte sie diese nun.
Und der junge Graf?
In diesem Augenblick wurde ihr klar, daß sie ihn liebte – ihn, der den Ehering am Finger trug. Diese so urplötzliche Erkenntnis ließ sie erbeben bis in die tiefste Faser ihres Herzens hinein. Großer