Leni Behrendt 6 – Liebesroman. Leni Behrendt
Ihren Einzug in der Wettersburg irgendwie belächelt und sich darüber den Kopf zerbricht.«
*
Man trennte sich an diesem Abend eher als sonst, da man schon früh aufbrechen mußte, um die Kleinbahn zu erreichen. Als die beiden Damen in ihrem Zimmer waren, sah Adele ihre Schutzbefohlene prüfend an.
»Die Gräfin hat heute bestätigt, was mir schon längst aufgefallen ist. Du bist blaß, mein Kind. Was hat das für einen Grund?«
»Nun siehst auch du noch Gespenster«, tat Almut spöttisch ab. »Darf man denn nicht einmal blaß sein?«
»Das schon – aber dabei nicht so traurige Augen haben.«
Nun stieg Almut tiefe Röte bis zur Stirn hinauf. Die Augen irrten zur Seite, weil sie dem forschenden Blick Adeles nicht länger standhalten konnte.
Was nun – ja, was nun?
»Schau mal, Möpschen«, begann sie verlegen. »Das mit dem verstorbenen Sohn – das peinigt mich manchmal arg. Muß denn das Schicksal so hart sein, solch prächtigen Menschen so viel Schweres aufzuerlegen? Sie tun mir oftmals so bitter leid, daß ich weinen könnte.«
»Ach, das ist es –«, atmete Adele auf. »Ja, Kind, das Schicksal fragt eben nicht. Es haut unbarmherzig zu, wo es Lust hat. Sei froh, daß du so harte Schläge noch nicht kennengelernt hast. Und Gott möge dich davor bewahren, daß du niemals herbes Leid tragen mußt.«
Almut wandte sich hastig ab, um nicht die Tränen sehen zu lassen, die ihr in die Augen schossen.
»Oh, liebes Möpschen, wüßtest du –!«
Die Sonne war gerade aufgegangen, als man am nächsten Morgen in den geräumigen Schlitten stieg, der für vier Personen bequem Platz bot. Die Gräfin und Adele nahmen den Vordersitz ein, Almut und Marbod den Rücksitz.
Die Pferde stoben davon, das leichte Gefährt wie einen Spielball hinter sich her ziehend. Lustig klang das Schellengeläut durch den stillen Morgen.
Almut war schweigsam, während die andern lebhaft miteinander plauderten. Glücklich empfand sie die Nähe des Mannes, der neben ihr saß. Ab und zu beugte er sich vor, um die gelockerte Decke fester um sie zu ziehen.
Der Sonnenball, der sich wie eine leuchtend rote Scheibe vom Himmel abhob, entfernte sich immer mehr vom Horizont. Entzückt schaute Almut auf das wunderherrliche Bild. Viel zu rasch verging für sie die Fahrt.
An der Haltestelle der Kleinbahn stand nur eine Wellblechbude als Unterschlupf gegen Wetter und Wind. Darin war es so zugig, daß die Damen trotz der Pelze fröstelten. Zum Glück kam die Bahn bald, so daß man sich in dem wohltemperierten Abteil wieder erwärmen konnte.
Almut amüsierte sich köstlich über die kleine Bahn, die sich eilfertig die Schienen entlangschlängelte. Die Lokomotive machte einen Mordskrach, fauchte und heulte, sprühte aus dem Schornstein einen Funkenregen, der an den Wagenfenstern vorbeiflog.
»Das ist Ihnen doch bestimmt etwas Neues, gnädiges Fräulein«, lächelte Marbod. »Denn Sie sind sicherlich noch nicht in einem solchen Miniaturzüglein gefahren.«
»Nein, aber ich finde es herrlich. Gibt es denn hier keine Großbahn?«
»Gewiß. Doch wenn wir zur Kreisstadt müssen, ist diese Fahrt für uns näher und bequemer. Wir benutzen das Bähnlein ja auch nur im Winter, sonst bringt uns das Auto bedeutend rascher ans Ziel.«
»Was geschieht nun?« fragte die Gräfin, nachdem man das Abteil verlassen hatte. »Ich kann mich vorläufig den Damen nicht widmen und mein Sohn auch nicht, da es für uns so allerlei zu erledigen gibt.«
»Wir bummeln ein wenig herum, nicht wahr, Möpschen?«
»Mir schon recht. Und wo treffen wir uns?«
»Am besten im Hotel zur Möwe, das unweit von hier liegt. Bis dahin haben wir den gleichen Weg.«
An dem stattlichen Hotel, dessen Mauern so weiß glänzten wie ein Möwengefieder, verhielt man den Schritt.
»So, meine Lieben, hier müssen sich unsere Wege trennen. In dieser Querstraße steht das Haus, in dem ich eine alte kranke Dame besuchen möchte. Und wohin gehst du zuerst, Marbod?«
»Zum Landratsamt. Eine kurze Strecke haben wir beide noch denselben Weg.
Also, auf Wiedersehen, meine Damen, in diesem Hotel. Hoffentlich langweilen Sie sich nicht zu sehr. Gehen Sie am besten die Hauptstraße hinunter, die an Sehenswürdigkeiten noch am meisten zu bieten hat.«
Damit trennte man sich. Almut schob ihren Arm unter den Adeles, und so schlenderten sie langsam dahin. Die Sonne wärmte schon ganz nett. Kein Wunder, da man in weniger als drei Wochen Frühlingsanfang hatte.
Was sie zu sehen bekamen, glich allen anderen Städten. Geschäfte mit ihren Auslagen, zum Teil recht schmucke Häuser, Autos und vorüberhastende Menschen. Das alles langweilte Almut bald, so daß sie Adele den Vorschlag machte, langsam zum Hotel zu gehen.
In dem schmuck eingerichteten Raum des Hotels blieben sie vorläufig die einzigen Gäste. Sie wählten ihren Tisch an einem der großen Fenster, von dem aus sie die Straße übersehen konnten. Nachdem der Ober ihnen die Pelze abgenommen hatte, ließ Adele sich zufrieden in den Sessel sinken. Almut nahm ihr gegenüber Platz.
»Nun, Möpschen, jetzt fehlt nur noch ein kleiner Imbiß, dann schnurrst du vor Wohlbehagen«, neckte sie. »Was willst du essen?«
»Eine Brühe möchte ich, weiter nichts. Man wird ja auf der Wettersburg so genudelt, daß man am Essen keinen Spaß mehr hat.«
Ihre Aufmerksamkeit wurde auf die beiden Paare gelenkt, die soeben den Raum betraten. Sie wählten den Tisch neben dem der beiden Damen und ließen ihre Augen ungeniert über die ihnen Unbekannten schweifen.
Alle vier waren reichlich wohlgenährt, protzig gekleidet, und ihr Benehmen ließ auf keine gute Kinderstube schließen. Sie bestellten beim Ober ein Gabelfrühstück, dazu guten Wein, der bald seine Wirkung tat. Sie lärmten flegelhaft, als befänden sie sich in ihren eigenen vier Wänden. Zuletzt prosteten sie gar den beiden Damen am Nebentisch zu, die zwar freundlich nickten, jedoch in ihrer Haltung zum Ausdruck brachten, daß sie keine Annäherung wünschten.
»Wer ist denn das?« zeigte die eine weibliche Person zum Fenster hinaus.
»Wer denn?«
»Nun, der jüngere Herr, der bei dem älteren auf der Straße steht. Fabelhafte Erscheinung.«
»Das ist Graf Wetters«, antwortete einer der Herren.
»Von der Donnerwettersburg?«
»Ganz recht.«
»Du, von dem habe ich viel Interessantes gehört. Ist er sehr reich?«
»Reich gerade nicht, aber gutsituiert. Jedenfalls hat er immer einen Pfennig mehr in der Tasche.«
»Ist dir seine phantastische Ehegeschichte näher bekannt?«
»Wie meine eigene«, prahlte der Gefragte.
»Erzähle, aber bitte ausführlich –«
»Liegt mir nicht, rede immer im Telegrammstil. Also spitze deine Ohren, du neugierige Katze –.
Graf Wetters hatte zwei Söhne, Veit und Marbod, der dort steht. Veit, der ältere, war ein verträumter Idealist, sehr musikalisch, sehr klug – aber doch nicht klug genug, um sich in eine Dame seines Standes unsterblich zu verlieben. Sehr vornehm, sehr hochmütig und schwindsüchtig noch dazu, wie sich später herausstellte.
Sie wurde seine Braut, was ihn glückselig werden ließ. Doch diese Glückseligkeit ging flöten, als der Verblendete merkte, daß die Schöne sich nur mit ihm verlobt hatte, um damit in die Nähe seines Bruders zu kommen, den sie heiß liebte. Das hatte den armen Kerl so sehr getroffen, daß sein angeborenes Herzleiden rapide Fortschritte machte, an dem er ein halbes Jahr später auch einging.
Auf dem Sterbebett bat er seinen Bruder, die