Leni Behrendt 6 – Liebesroman. Leni Behrendt
»Keine Spur –«, lachte Almut. »Einfach süß warst du, Möpschen. Selbst unser Stephan, unter dessen Kopfkissen bestimmt ›Knigges Umgang mit Menschen‹ liegt, hätte an deinem Benehmen nichts auszusetzen gehabt.«
»Das beruhigt mich ungemein. Was willst du anziehen?«
»Irgend etwas. Es gibt hier ja niemand, dem ich den Kopf verdrehen möchte.«
»Sollte dir auch schwerfallen«, lachte Adele behaglich. »Bei diesen Menschen hier beißt du sozusagen auf Granit. Da kannst du deine nichtsnutzigen Augen noch so spielen lassen. Stephan ist sowieso zu würdig, Graf Veit zu alt, und Graf Marbod trägt den Ehering. Ein Mann wie er wird seiner Frau nicht einmal in Gedanken untreu.«
Einige Minuten später stand sie dann da – bildschön, gepflegt, elegant gekleidet von Kopf bis Fuß. Eine wahre Augenweide – und gefährlich für unbewehrte Männerherzen –
Im Frühstückszimmer wurde froh der Morgengruß getauscht. Der Hausherr sah die Gäste schmunzelnd an.
»Nun, meine Damen, ist’s Köpfchen klar – oder –?«
»Kein Oder, Herr Graf. Habe bereits zu Almut gesagt, daß ich mich heute um dreißig Jahre jünger fühle.«
»Aber meine Gnädigste, dann lägen Sie ja noch in den Windeln.«
»Ihre Altersschätzung ehrt mich, Herr Graf. Ja, ja – man kann auch auf der Donnerwettersburg galant sein.«
Lachend nahm man am Tisch Platz. Ließ sich das Frühstück schmecken, plauderte, Neckereien flogen hin und her, dazu lachte die Sonne durch die Fenster – eine gemütlichere Tischrunde war kaum denkbar.
»Wie wäre es mit einem frischfröhlichen Ritt, gnädiges Fräulein?« fragte Marbod. »Hätten Sie Lust dazu?«
»Sehr! Schade, Möpschen, daß du dich nicht auf den Gaul klemmen kannst.«
»Für mich liegt nun mal das Paradies der Erde nicht auf dem Rücken der Pferde –«
»Sondern als Delikatessen auf einem gutgedeckten Tisch«, ergänzte Almut neckend, worauf die pomadige Antwort erfolgte: »Jedem das Seine, mein Kind.«
Wie schon so oft amüsierte man sich wieder köstlich über die schlagfertige Art des Fräuleins. Wie das personifizierte Behagen saß es da, sich an den guten Dingen labend, mit denen der Tisch bestellt war.
Als sie dann neben Marbod und den Pferden stand, war sie wieder ganz die alte Almut Fahrenroth – keck, fröhlich, entzückend anzuschauen wie nur je. Diesmal hatte der Graf an ihrer Kleidung nichts auszusetzen. Die Pelzjacke war hochgeschlossen, den Kopf bedeckte ein reizendes Mützchen.
Sie ritten davon. Zuerst langsam, dann im Trab – bis Almut dem Pferd den Kopf freigab. Doch schon griff Marbods Faust eisern in die Zügel!
»Nichts da, mein Fräulein Tollkühn. Der Weg ist viel zu glatt, um ungestraft einen gestreckten Galopp zu wagen.«
Also ritt sie sittsam an seiner Seite dahin. Sie plauderten dabei wie zwei gute Kameraden. Sie wie ein übermütiges Kind, er diesen Übermut nachsichtig belächelnd. Das war Almut nur recht. Mochte er von ihr halten, was er wollte – nur die Wahrheit durfte es nicht sein.
Sie ritten zur Försterei, wo der Förster seinem Brotgeber eilfertig entgegenkam. Als er Almuts ansichtig wurde, stutzte er – um dann sozusagen vor Erstaunen platt zu sein.
»Ja, gnädiges Fräulein, wo kommen Sie denn her?«
»Herr Förster, wie ungalant. Sie haben mich doch bei der Abfahrt vom ›Wilden Jäger‹ freundlichst eingeladen. Da bin ich also nun: Im Wald – im frischen grünen Wald – im Wald –!« sang sie übermütig, was dem Mann ein herzliches Lachen entlockte.
»Grün ist der Wald bestimmt nicht.«
»Na denn: Im Wald – im weißen Märchenwald«, lockte die jubelnde Stimme die Försterin vor die Haustür, die Almut gleichfalls im »Wilden Jäger« kennengelernt hatte.
»Ja, mein Fräulein, sehe ich denn recht?«
»Jawohl, Frau Försterin. Ich habe mir erlaubt, der liebenswürdigen Einladung Ihres Gatten Folge zu leisten«, meldete sie in militärischer Haltung, doch die hübsche, muntere Frau ließ sich nicht verblüffen.
»Dann herzlich willkommen! Gäste können uns in unserer Einsamkeit nur angenehm sein.«
»Uns auf der Wettersburg auch, Frau Försterin«, lächelte Marbod. »Daher geben wir diesen munteren Zeisig um alles nicht her.«
»Aber wie ist die Dame nur nach der Wettersburg gekommen?«
»Auf unsere Einladung hin«, kam die Antwort reserviert, so daß Almut, die ihr Erlebnis im Schnee gerade zum besten geben wollte, betroffen schwieg.
Die Försterin bat ins Haus, was gern angenommen wurde. In dem großen, gemütlichen Wohnzimmer stürmten ihnen Jagdhund und Dackel entgegen, die von dem Hausherrn energisch verscheucht wurden.
Die Tür schloß sich hinter den Herren, und die Försterin sah Almut bittend an.
»Mich entschuldigen Sie wohl auch, gnädiges Fräulein –«
»Bitte, Frau Försterin, lassen Sie sich nicht stören.«
Als diese das Zimmer verlassen hatte, sah sich Almut darin um. Urgemütlich so ein echtes Jägerzimmer, mit herrlichen Geweihen an den Wänden. Und an der einen Wand dieselben Bilder, die sie bereits bei Schellucks gesehen.
Jetzt hatte Almut Muße, die junge Gräfin in Ruhe zu betrachten. Schön war dieses junge Antlitz, schön und hochmütig zugleich, aber alles wirkte so farblos an ihm, das Lächeln direkt seelenlos.
Und an so viel farbloser Schönheit konnte er Gefallen finden? Mit wehen Augen schaute sie auf das Bild. Und je länger sie es betrachtete, um so bitterlicher weinte ihr Herz.
Sie schrak zusammen, als die Försterin unerwartet eintrat.
»Sie betrachten die Bilder, gnädiges Fräulein? O ja, sie sind unser ganzer Stolz. Es ist nämlich eine Auszeichnung, die Bilder der gräflichen Familie als Geschenk zu erhalten. Uns hat man zu unserer Hochzeit damit eine große Freude gemacht.«
Werde ich nun endlich etwas über die junge Gräfin erfahren? – wartete Almut mit bangklopfendem Herzen. Doch nein, wieder nicht. Denn die Försterin sprach bereits von etwas anderem, während sie eine gestickte Decke über den Tisch breitete, einen Teller mit feinem Gebäck darauf stellte und Gläser herbeiholte.
Nun traten auch die Herren ein. Der Förster holte eine Flasche aus dem Gewehrschrank, die Gattin nahm aus der Röhre des großen Kachelofens einen Kessel mit siedendem Wasser.
»Nun, gnädiges Fräulein, wie weit soll der Rum reichen?« fragte er lachend. »Bis zur Hälfte oder noch darüber?«
»Was soll das denn geben?«
»Einen Grog von Rum.«
»Geben Sie Fräulein Fahrenroth einen Grog von Rotwein«, schaltete sich nun der Graf ein. »Wir müssen ja nach Hause reiten, und ihr Gaul ist kein Lamm.«
Gern wären der Förster und seine Frau auf die frohen Stunden im »Wilden Jäger« zurückgekommen, doch etwas in der Haltung ihres Brotgebers hielt sie davon ab. Nur eine Frage konnte die neugierige kleine Frau sich nicht verkneifen: »Sind Sie per Auto nach der Wettersburg gekommen, gnädiges Fräulein?«
Ehe Almut es bestätigen konnte, gab der Graf schon Antwort: »Das tat die leichtsinnige junge Dame. Da Schneesturm einsetzte, blieb das Auto kurz vor der Wettersburg stecken. Doch couragiert, wie Fräulein Fahrenroth nun einmal ist, schlug sie sich mit ihrer Begleiterin bis zum Ziel durch, wo Stephan die Damen in Empfang nahm. Da er sie für Fremde hielt, meldete er uns die Ankunft unserer Gäste erst am nächsten Morgen.«
Nachdem man sich an dem heißen Getränk genügend gelabt hatte, brachen die Gäste auf. Und als sie durch den Wald ritten, fragte Almut: »Warum umgingen