Die kalte Braut. Stefan Bouxsein

Die kalte Braut - Stefan  Bouxsein


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Wände sind im gleichen Rot wie die Lederbezüge der Barhocker. Der Barkeeper stellt mir einen Whiskey hin und nickt mir zu. Am anderen Ende des Tresens sitzt ein Mann. Er schaut mich an, hebt sein Glas und prostet mir zu. In der Ecke steht ein Piano, der Pianist schlägt leise Töne an. Ich trage mein weißes Brautkleid und kippe meinen Whiskey in einem Zug herunter. Es brennt wohltuend in meiner Kehle. Ich zwinkere dem Mann zu. Er rutscht nervös auf seinem Barhocker hin und her, nippt an seinem Bier und schaut mich gierig an. Der Barkeeper bringt mir einen neuen Whiskey. Der Pianomann spielt ein neues Lied. Ein Deckenstrahler wirft ein kleines Licht auf mein weißes Brautkleid. Ich winke den Mann von der anderen Seite zu mir. Behäbig rutscht er von seinem Hocker, nimmt sein Glas in die Hand und kommt zu mir. Er schwankt schon leicht und stellt sich mir vor. Sein Name ist Georg. Sein Name ist mir aber egal. Er ist ein Mann, alles andere ist unwichtig. Georg fängt an zu erzählen, aber ich höre ihm nicht zu. Ich lege meine Hand auf seinen Oberschenkel und lasse meine Hand höher wandern. Georg wird still und fängt an zu schwitzen. Meine Hand packt fester zu, während meine Lippen sich zu einem Lächeln formen. Ich schaue Georg tief in die Augen. Georg macht mir ein Kompliment. »Komm, Georg«, sage ich, nehme ihn bei der Hand und führe ihn zu einer Tür hinter dem Tresen. Georg folgt mir willig und der Barkeeper macht uns Platz. Ich schließe die Tür hinter uns und lege Georg eine Augenbinde um. Dann führe ich ihn an der Hand die Treppe hinunter. Georg atmet schwer und stinkt nach Bier. Wir erreichen den feuchten Kellerraum, Georg folgt mir blind. Ich nehme seine Hände und führe sie nach oben zu der Eisenstange. Schnell lasse ich die Handschellen an Georgs Handgelenken einrasten. Flink öffne ich sein Hemd und seine Hose und zerschneide hastig den Stoff seiner Kleidung mit einer Schere, bis er nackt vor mir steht. Georg lässt alles geschehen, ohne zu murren. Erst als ich die Peitsche schwinge und der Riemen auf seinen Rücken knallt, gibt Georg einen Laut von sich. »Sei still«, zische ich und lasse die Peitsche wieder auf seinen Rücken knallen. Georg beißt sich auf die Zunge und erträgt sein Leiden mit leisem Wimmern. Fünf Hiebe auf den Rücken und drei auf den Po. Ich erfreue mich an den roten Striemen und betrachte mein Werk. Es sieht gut aus. Georg steht tapfer neben seinen Genossen. Otto, Martin, Rüdiger, Olaf, Rolf und Georg stehen angekettet und ausgepeitscht in Reih und Glied. Ich gehe wieder zurück in die Bar. Es ist kein neuer Mann hereingekommen und der Pianist spielt nicht mehr. Der Barkeeper spült die Gläser. Ich bezahle meine Whiskeys und verlasse die Bar.

      

      Sabine Lehmann schaute Siebels an und zuckte mit den Schultern. »Nur ein Traum, nicht mehr und nicht weniger.«

      »Oder ein Schrei der Seele?«

      Sabine Lehmann ging darauf nicht ein. Sie zupfte an den Ärmeln ihres Jogginganzuges und vermied den Blickkontakt mit Siebels.

      »Ich habe mit Ihrem Vater gesprochen. Er ist auf dem Weg nach Frankfurt. Er will sich ein Hotelzimmer nehmen. Ich denke, er wird Sie bald besuchen.«

      »Danke«, hauchte sie leise.

      Als Siebels sein Büro betrat, saß ein Mann in einem dunklen Anzug auf seinem Platz.

      »Guten Tag. Kann ich Ihnen behilflich sein?«, erkundigte sich Siebels.

      »Herr Hauptkommissar Siebels?«

      »Ja. Und wer sind Sie?«

      Der Mann stand auf und reichte Siebels die Hand. »Timm. Jens Timm. Verfassungsschutz.«

      Siebels schaute verdutzt. »Sind Sie sicher, dass Sie zu mir wollen?« Siebels sah einen Zettel auf seinem Monitor kleben. Eine Nachricht von Till. Er war auf der Schießanlage beim Training.

      »Es geht um Ihren Fall. Den Mord an Sven Müller.«

      »Hoffentlich macht er keinen Mist«, brummte Siebels leise vor sich hin.

      »Er ist wohl tot«, bemerkte Timm irritiert.

      Siebels war durcheinander. Er hatte keinen blassen Schimmer, was dieser Timm hier wollte. Eigentlich wollte er dabei sein, wenn Till seine Schießübungen absolvierte. Jetzt hatte er diesen Timm am Hals.

      »Sven Müller ist tot, das ist amtlich, ja. Verraten Sie mir den Grund für Ihren Besuch?«

      »Sie hatten letzten Freitag im Zuge Ihrer Ermittlungen ein Gespräch mit Jeremy Boyle. Anscheinend ermitteln Sie im Umfeld von Paulsen und Partner.«

      »Wir haben eine verdächtige Person verhaftet und diese Person arbeitete als Partnerin von Paulsen. Wo ist das Problem?«

      »Ich habe vor, offen mit Ihnen zu reden. Vielleicht können wir von Ihren Ermittlungen profitieren. Was ich Ihnen jetzt erzähle, unterliegt der Schweigepflicht.«

      »Was heißt Schweigepflicht?«

      »Alle Informationen, die Sie von mir erhalten, tauchen nirgendwo in Ihren Berichten auf. Keine Aktenvermerke, keine Gesprächsnotizen und selbstverständlich überhaupt keine Gespräche außerhalb Ihres Ermittlungsteams in dieser Sache. Meines Wissens gehört nur Till Krüger zu Ihrem Team. Ist das richtig?«

      »Theoretisch ja. Praktisch arbeiten wir in diesem Fall bereits eng mit Charly Hofmeier zusammen, einem Kollegen, der rein formal zur EDV und Spurensicherung gehört. Und natürlich Staatsanwalt Jensen.«

      »Jensen lassen wir zunächst außen vor. Der braucht in diesem Stadium noch nichts davon zu wissen. Wenn Sie Herrn Hofmeier informieren müssen, tun Sie das.«

      Jensen sollte also nicht involviert werden. Die Sache fing an, Siebels zu gefallen. Siebels setzte sich auf den Stuhl von Till und zündete sich genüsslich eine Zigarette an. »Ich bin ganz Ohr.«

      Jens Timm steckte sich ebenfalls eine Zigarette an und paffte nachdenklich Rauchschwaden in die Luft. Dann fing er an zu erzählen. »Jeremy Boyle arbeitet für uns. Wir haben ihn als Partner bei Paulsen eingeschleust.«

      »Ein verdeckter Ermittler?«, fragte Siebels ungläubig.

      »Richtig. Er ist ein hervorragend ausgebildeter Mann. Wir haben ihn extra für diesen Job rekrutiert und zwei Jahre lang intensiv darauf vorbereitet, bevor wir ihn bei Paulsen eingeschleust haben. Deswegen war ich auch sehr nervös, als ich von Ihrem Besuch bei Jeremy erfuhr.«

      »Ist das Unternehmen von Paulsen demokratiefeindlich?« Siebels konnte sich noch keinen Reim auf die ganze Geschichte machen.

      »Nicht wirklich. Paulsen und Partner hält sich strikt an alle Gesetze. Aber die Organisation Paulsen und Partner strebt nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Ziele an und untersteht einer übergeordneten Organisation. Die Mutterorganisation ist in Amerika beheimatet. Sie wurde Anfang der sechziger Jahre in New York von einer Clique mächtiger Männer gegründet. Association for American Business Development, hieß der Verein bei seiner Gründung. Mittlerweile nennt sich die Organisation: Association for Human Development and Psychologic World Consulting. Kurz: World Consulting. Heute sind die Mitglieder dieser Organisation in den USA wie ein riesiger Krake an allen nur erdenklichen Schalthebeln der Macht vertreten. Sie sitzen in der Spitze von großen Unternehmen, in Parteien, in Bundesämtern und überall dort, wo es einflussreiche Positionen gibt. Sie wirken massiv auf politische Entscheidungen ein und verfügen über enorme wirtschaftliche Kraft. Seit Ende der neunziger Jahre baut World Consulting auch aggressiv ein europäisches Netz aus. Sie haben jetzt gut vernetzte Organisationen in Schweden, England, Frankreich, Österreich, Italien, Spanien, Griechenland und Deutschland. In Deutschland ist Paulsen und Partner für die Umsetzung der Ziele verantwortlich.«

      »Und was für Ziele sind das?« Siebels verstand nicht, worum es bei der ganzen Sache ging.

      »Das Ziel von World Consulting ist die Weltherrschaft«, sagte Timm trocken.

      »Aha. Das klingt mir eher nach einem schlechten Film.«

      »Leider ist es die Realität. In den USA hat die Organisation genug Geld und Macht, um Präsidentschaftskandidaten auszuwählen und deren Wahlkampf zu finanzieren. Das ist keine Theorie, das ist seit einiger Zeit übliche Praxis.«

      Siebels drückte seine Zigarette aus. »Gab es schon einen von World Consulting aufgestellten amerikanischen Präsidenten?«, fragte er neugierig.

      Timm


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