Die kalte Braut. Stefan Bouxsein

Die kalte Braut - Stefan  Bouxsein


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Thema beschäftigt waren. Als die Genehmigung unter Auflagen erteilt wurde, wurde ihr Beratervertrag verlängert. Sie sollte sich dann schwerpunktmäßig mit der Öffentlichkeitsarbeit befassen. Es befinden sich auch einige Presseberichte zum Flughafenausbau in dem Ordner.«

      »Den Ordner finden wir im Wagen von Müller, einem Enthüllungsjournalisten«, dachte Siebels laut nach. »Vielleicht fehlen ja ein paar brisante Unterlagen in dem Ordner? Darum könnt ihr zwei euch kümmern, während ich mit Jeremy Boyle spreche. Till, du durchsuchst noch mal seine Wohnung. Schau speziell nach Unterlagen, die zu dem Fraport-Ordner gehören könnten. Charly, du suchst nach dem gleichen Material auf dem PC von Müller.«

      »Scheinbar habt ihr mich wieder voll in euer Team aufgenommen. Ich habe da aber auch noch einige Anfragen von den Kollegen aus der Wirtschaftskriminalität auf meinem Tisch«, klagte Charly.

      »Das machst du doch nebenbei, oder? Wenn das erledigt ist, habe ich auch erst mal keine Verwendung mehr für dich.«

      »Das ist aber nett von dir.«

      Die drei wollten sich gerade vom Tisch erheben, als Schneider mit einem voll beladenen Tablett auf sie zukam. Schneider kümmerte sich um das regelmäßige Training der Beamten auf der modernen Schießanlage im Präsidium. »Herr Krüger«, sprach er Till an. »Sie sind wieder mal überfällig. Wann gedenken Sie denn vorbeizukommen?«

      »Ich war krank!«

      »Jetzt sind Sie aber wieder gesund?«

      »Ja, so einigermaßen.«

      »Das ist gut. Denn wenn Sie Ihre Trefferquote nicht deutlich erhöhen, lasse ich Sie entwaffnen. Dann schieben Sie den Rest Ihres Lebens Innendienst.« Ohne eine Antwort abzuwarten, ging Schneider weiter und setzte sich an einen der anderen Tische.

      Till gehörte zwar zu den besten Schützen im Präsidium, zielte aber bei dem vorschriftsmäßigen Training mit Vorliebe auf die falschen Ziele und verteidigte seine Fehlschüsse dann immer mit viel Wortwitz.

      »Mach bloß keinen Quatsch«, ermahnte ihn Siebels. »Wenn Schneider die Faxen mit dir dicke hat, macht er seine Drohung noch wahr.«

      »Erschießt er immer noch die friedlichen Omas beim Überqueren der Straße und lässt die Bankräuber links liegen?«, erkundigte sich Charly.

      »Ich erledige immer nur Oma bin Laden, den anderen Omas mache ich nix«, wehrte sich Till. »Aber vielleicht sollte ich beim nächsten Training auch mal Jensen el Virus abknallen?«

      »Dann tippst du den Rest deines Lebens Berichte«, seufzte Siebels.

      Im Gegensatz zu Sabine Lehmann und Peter Bockelmann betrieb Jeremy Boyle seine Geschäfte nicht von seiner Wohnung aus, sondern unterhielt ein separates Büro. Das lag in einem Altbau im Frankfurter Westend. Siebels studierte die Messingschilder am Eingangstor. Im Erdgeschoss praktizierte der Arzt Dr. Hagner, im ersten Stock residierte die Anwaltskanzlei Pepper & Pepper, im zweiten Stock lag das Büro von Jeremy Boyle, Paulsen und Partner und der dritte Stock beherbergte eine Modelagentur.

      Siebels drückte den Klingelknopf von Boyle und wartete auf eine Stimme in der Sprechanlage. Die blieb aber stumm, mit einem leisen Summen öffnete sich die Tür. Siebels nahm die frisch gebohnerte Treppe, der Aufzug wurde von einer Putzfrau gerade ausgewischt. Jeremy Boyle erwartete seinen Besucher an der Eingangstür zu seinem Büro. Er war Ende zwanzig, trug einen dunkelblauen Nadelstreifenanzug und einen Bürstenhaarschnitt. Scheinbar hatte er jemand anderen erwartet, denn er schaute verdutzt, als Siebels in seinem Blickfeld erschien.

      »Herr Boyle?«

      »Ja, das bin ich. Was kann ich für Sie tun?« Boyle sprach mit leichtem amerikanischen Akzent.

      »Mein Name ist Siebels, Kriminalpolizei. Haben Sie einen Moment Zeit?«

      »Aber wirklich nur einen kleinen Moment. Worum geht es?«

      »Darf ich hereinkommen?«

      »Wenn es länger dauert, kommen Sie besser ein andermal wieder.«

      »Es geht um Sabine Lehmann.«

      »Ja, und?«

      »Sie wurde verhaftet.«

      Boyle überlegte einen Moment. Dann bat er Siebels doch in sein Büro herein. Er schloss die Tür, blieb dann aber gleich dahinter im Vorraum zum Büro stehen.

      »Was ist passiert?«

      »Haben Sie noch nichts davon gehört? Herr Paulsen hat Ihnen doch sicher davon berichtet, oder?«

      »Nein. Ich bin erst vor drei Stunden von einer Geschäftsreise aus New York zurückgekehrt. Hat Herr Paulsen ein Problem?«

      »Sieht nicht so aus. Frau Lehmann hat anscheinend ihren Lebenspartner erschlagen.«

      »Oh, wow. Aber das ist dann die Privatsache von Frau Lehmann. Warum kommen Sie zu mir?«

      »Es ist nicht ganz klar, warum Frau Lehmann die Tat begangen hat. Jetzt möchte ich ihr Umfeld etwas näher kennen lernen.«

      »Ich gehöre aber nicht zu dem Umfeld von Frau Lehmann. Wir haben auch gar keinen Kontakt miteinander.«

      »Auch nicht auf den Seminaren in Kronberg?«

      »Ja, okay, da haben wir uns manchmal getroffen. Aber das war rein beruflich.«

      »Kannten Sie den Lebenspartner von Frau Lehmann?«

      »Nein. Wie gesagt, wir hatten nur beruflich hin und wieder Kontakt.«

      »Wie war da ihr Eindruck von Frau Lehmann? War sie gut in ihrem Job?«

      »Warum wollen Sie das alles wissen?«

      »Reine Neugier. Ich habe einen Mordfall aufzuklären.«

      Das Handy von Jeremy Boyle läutete. Er drehte Siebels den Rücken zu und nahm das Gespräch an. Es dauerte nur wenige Sekunden. Dann widmete Boyle sich wieder seinem Besucher.

      »Frau Lehmann war sehr fleißig. Aber ich glaube, ihr hat dieses gewisse Etwas gefehlt, das man in unserem Job braucht, wenn man wirklich erfolgreich sein will.«

      »Eine gewisse Skrupellosigkeit?«, hakte Siebels nach.

      »Wenn Sie es so ausdrücken wollen, ja. Das Business ist hart und viele wollen ein Stück vom Kuchen abhaben. Man muss schnell sein und man muss gut sein und man muss viel arbeiten.«

      »Sie sind gebürtiger Amerikaner?«

      »Nein, ich bin in Heidelberg geboren und aufgewachsen. Als Zehnjähriger bin ich in die Staaten gegangen und habe später dort studiert.«

      »Und wie sind Sie bei Paulsen und Partner gelandet?«

      »Ein amerikanischer Geschäftspartner von Herrn Paulsen hat den Kontakt hergestellt und mich empfohlen. Mir hat das System gefallen, mit dem Herr Paulsen arbeitet. Außerdem lebe ich gerne in Deutschland. Ich muss jetzt aber los. Ein dringender geschäftlicher Termin wartet auf mich.«

      Siebels gab Boyle noch seine Karte und verabschiedete sich. Er lief um drei Ecken zur Bettinastraße, wo sein BMW stand. Bevor er losfuhr, rief er Charly an. Der sollte mal checken, ob Jeremy Boyle tatsächlich vor etwas über drei Stunden aus New York angekommen war. Siebels traute diesem Mann nicht.

      8

      Till durchstöberte die Schubladen und Schränke in der Wohnung von Sven Müller. Charly war mit ihm in die Wohnung gekommen, hatte sich den Rechner und die Discs geschnappt und war damit zurück ins Präsidium gefahren. Till fand ein Sammelsurium von schriftlichen Notizen, Ausdrucken und Belegen. Aber nichts davon schien in einem Zusammenhang mit dem Fraport-Ordner zu stehen. Stattdessen fand er einen Umschlag, der Fotos enthielt. Neugierig betrachtete sich Till die drei Bilder. New York 1995 stand mit Bleistift auf den Rückseiten geschrieben. Auf der Vorderseite waren jeweils zwei Männer zu sehen. Auf einem Foto lächelten beide in die Kamera. Auf einem anderen schüttelten sie sich die Hände, im Hintergrund standen mehrere Männer in dunklen


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