Die kalte Braut. Stefan Bouxsein

Die kalte Braut - Stefan  Bouxsein


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Sprechanlage.

      »Mein Name ist Siebels, Kriminalpolizei Frankfurt. Ich möchte zu Herrn Paulsen.«

      »In welcher Angelegenheit?«

      »Das sage ich dann dem Herrn Paulsen, wenn es recht ist.«

      »Warten Sie bitte einen Moment.«

      Siebels wartete und nahm sich vor, sich auf keinen Fall hier abschütteln oder vertrösten zu lassen. Aber das brauchte er auch nicht, mit einem Summen öffnete sich das Tor. Am Eingang der Villa erwartete ihn die Frau. Sie trug ein elegantes schwarzes Kostüm, eine ordentliche Schicht Make-up und Schuhe, die zum Laufen mehr als ungeeignet waren.

      »Ich bin die persönliche Assistentin von Herrn Paulsen, Astrid Lotz ist mein Name«, stellte sich die Hausdame vor und bat Siebels, ihr zu folgen. Trotz der High Heels lief sie recht sicher durch einen marmorgefliesten Gang und öffnete eine Tür zu einem kleinen Raum. »Gedulden Sie sich bitte noch einen Moment, nehmen Sie Platz. Herr Paulsen kommt sofort zu Ihnen. Darf ich Ihnen etwas anbieten? Kaffee, Tee?«

      »Einen Tee bitte, wenn es keine Umstände macht.«

      »Aber natürlich. Geben Sie mir Ihre Jacke, ich hänge sie an die Garderobe.«

      Astrid Lotz verschwand mit der Jacke von Siebels und Siebels betrachtete sich den Wandschmuck in dem kleinen holzgetäfelten Warteraum. An den Wänden hingen gerahmte Fotos, die allesamt einen Mann in den Fünfzigern zeigten. Paulsen beim Händeschütteln mit dem Altkanzler, Paulsen im Smoking vor der Alten Oper, Paulsen mit der Oberbürgermeisterin bei dem ersten Spatenstich für ein neues Einkaufszentrum, Paulsen in der Paulskirche. Paulsen lächelte auf jedem Foto siegessicher und erfolgsverwöhnt, sein volles weißes Haar stets im Kontrast zu seiner gebräunten Haut.

      Siebels hörte erst die Absätze auf dem Marmor, dann sah er Frau Lotz mit dem Tee an der Türschwelle.

      »Kommen Sie, Herr Paulsen hat jetzt ein paar Minuten Zeit. Den Tee bringe ich in sein Arbeitszimmer.« Siebels folgte den klackernden Schritten und stellte verwundert fest, dass sich Frauen in solchen Schuhen nicht nur vorwärtsbewegen, sondern dabei auch noch ein Tablett mit zwei Teetassen balancieren und die Tür zum Zimmer ihres Chefs öffnen konnten. Im Chefzimmer verstummten die hohen Absätze dann aber auf dickem Teppich.

      Paulsen saß hinter einem überdimensionalen Schreibtisch aus poliertem Mahagoni und sah aus wie auf den Fotos. Siebels reichte ihm die Hand und stellte sich als Hauptkommissar bei der Mordkommission vor.

      »Vielen Dank, Astrid. Kümmern Sie sich bitte noch um das Bankett heute Abend«, ignorierte Paulsen zunächst seinen Besucher und schaute verträumt dem leicht hüftbewegenden Gang seiner Assistentin hinterher, bis die Tür von außen geschlossen wurde.

      Paulsen reichte seinem Besucher die Hand. »Was verschlägt denn die Mordkommission zu mir, muss ich mir Sorgen machen?«

      Siebels wollte gerade etwas darauf entgegnen, doch ein plötzliches lautes Babygeschrei aus der Innentasche seines Sakkos verhinderte das. Der neugierige Blick von Paulsen verwandelte sich in einen verdutzten. Hastig zog Siebels sein Handy aus der Tasche und nahm das Gespräch an. »Ach du bist es, ja, im Moment ist es gerade ungünstig. Was? Ähm, Windeln, ja, kein Problem, bringe ich mit. Ich melde mich nachher noch mal.« Mit leicht errötetem Kopf schaltete Siebels sein Handy aus.

      »Interessanter Klingelton«, bemerkte Paulsen.

      »Ja«, fasste Siebels sich kurz. »Entschuldigen Sie die Unterbrechung, der Grund meines Besuches heißt Sabine Lehmann.«

      »Frau Lehmann? Ist ihr etwas zugestoßen?« Paulsen gab sich besorgt.

      »Wie man es nimmt. Sie steht unter Mordverdacht.«

      »Frau Lehmann? Aber das ist doch absurd. Wen soll sie denn umgebracht haben?«

      »Ihren Lebensgefährten.«

      »Hm, ich wusste gar nicht, dass es einen gibt. Aber das geht mich ja auch nichts an. Wie sicher ist denn Ihr Verdacht?«

      »Ziemlich sicher. Können Sie mir etwas über Ihre Mitarbeiterin erzählen?«

      Paulsen kratzte sich nachdenklich am Kinn. »Sie ist sehr fleißig und zielorientiert. Wenn ich mich recht erinnere, hat sie vor vier Jahren angefangen, für meine Organisation zu arbeiten. Sie kam direkt von der Universität, mit einem Prädikatsexamen in Jura.«

      Siebels dachte an Detlev Wurmbach, der 2005 Selbstmord begangen hatte. Wenn Sabine Lehmann vor vier Jahren bei Paulsen eingestiegen war, konnte sie die Nachfolgerin von Wurmbach gewesen sein. Jedenfalls kannte sie ihn, zumindest wusste sie, dass er sich das Leben genommen hatte.

      »Können Sie mir ein wenig über die Tätigkeit von Frau Lehmann als Partnerin von Paulsen und Partner erzählen?«

      »Ich weiß zwar nicht, wie Ihnen das bei Ihren Ermittlungen weiterhelfen soll, aber ich kann Ihnen natürlich einen Überblick geben. Mein Unternehmen hat sich auf die Beratung von vermögenden Mandanten spezialisiert. Das können Privatleute sein, das können aber auch Unternehmen oder Kommunen sein. UVI-Consulting bedeutet Unternehmensberatung, Vermögensberatung, Immobilienberatung. Als Berater steht mir eine Vielzahl von hoch qualifizierten Leuten zur Seite. Jeder von ihnen arbeitet als mein Partner, aber auf selbstständiger Basis. Damit das einheitlich funktioniert, habe ich ein System entwickelt, an das sich alle Partner strikt halten müssen. Ich suche mir nur junge Leute, die direkt von der Universität kommen und einen sehr guten Abschluss im Gepäck haben. Wer mein Partner sein will, verpflichtet sich vertraglich, sich ständig weiterzubilden. Dazu habe ich in Kronberg ein eigenes Seminarzentrum. Ein Neueinsteiger muss sich zunächst ein halbes Jahr bewähren. Wenn wir uns danach auf eine weitere Zusammenarbeit einigen, kommt es zu einer Partnerschaft. Sabine Lehmann hat das alles so durchlaufen und ich war stets zufrieden mit ihr.«

      »Wie viele solcher Partner gibt es denn?«

      »Es werden ständig mehr. Mein System hat sich als sehr erfolgreich erwiesen. Zurzeit habe ich etwa 80 Partner. Zwei Drittel davon in Deutschland, die anderen in Österreich und in der Schweiz.«

      »Und die kommen alle regelmäßig nach Kronberg zur Weiterbildung?«

      »Ja, dazu sind sie verpflichtet. Natürlich nicht alle auf einmal. Es gibt viele verschiedene Seminare. Allein wegen der sich ständig ändernden Gesetzgebung zum Beispiel im Aktien- oder Steuerrecht werden kontinuierlich neue Seminarinhalte erarbeitet und an meine Partner vermittelt.«

      Siebels verspürte die Lust auf eine Zigarette und schaute sich nach einem Aschenbecher um. Als er keinen entdeckte, versuchte er sich wieder auf sein Gespräch zu konzentrieren. Irgendwie kam ihm die ganze Geschichte nicht ganz koscher vor mit dem Partnerprogramm.

      »Sind diese Seminare kostenpflichtig für Ihre Partner?«

      Paulsen schaute Siebels erst einen Moment an, bevor er Antwort gab.

      »Ja, das sind sie. Aber sie sind für die Partner eine gute Investition. Mit dem vermittelten Wissen können sie ein Vielfaches verdienen. Was viel kostet, ist auch viel wert. Das wissen meine Partner sehr gut.«

      Siebels dachte an Wurmbach und an die 200 000 Euro Schulden, die er hinterlassen hatte. Aber heute wollte er den Namen Wurmbach Paulsen gegenüber noch nicht erwähnen.

      »Gibt es auch Partner, die aus dem Vertrag mit Ihnen wieder aussteigen?«, fragte Siebels nach und erntete einen misstrauischen Blick von Paulsen.

      »Selbst das hat es schon gegeben. Aber nur in Ausnahmefällen. Eine Partnerin ist ausgeschieden, weil sie an Krebs erkrankt ist, ein anderer war der Meinung, für den Rest seines Lebens genug Geld verdient zu haben.«

      Der muss die teuren Seminare geschwänzt haben, dachte sich Siebels und schaute auf die Uhr. Es war Zeit sich zu verabschieden, wenn er pünktlich zu dem Treffen mit dem Bruder des verstorbenen Partners Detlev Wurmbach kommen wollte.

      »Eine letzte Frage noch. Sie führen doch sicher so eine Art Liste, ein Ranking, über die Leistungsbilanz Ihrer Partner?«

      »Selbstverständlich«, antwortete Paulsen mit kaltem Blick.


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