Dr. Norden Staffel 2 – Arztroman. Patricia Vandenberg
angerichtete Dessertteller servierte. »Hmmm, das sieht ja lecker aus.«
»Ich liebe gutes Essen!«, seufzte Wendy verzückt und griff nach Löffel und Gabel, um sich die süße Sünde schmecken zu lassen. Apfelkücherl mit hausgemachtem Walnusseis, Bayerisch Creme an Himbeersauce und ein luftiger Karamellflan sahen einfach zu köstlich aus.
Statt selbst zu essen, betrachtete Hanno seine Begleiterin mit einer Mischung aus Begeisterung und Amüsement.
»Du bist eine der wenigen Frauen, die ohne Reue mit gutem Appetit essen. Es macht richtig Spaß, dir zuzuschauen.«
»Das sieht man meiner Figur auch an«, bemerkte Wendy ungerührt. »Übrigens ein Vorteil des Singlelebens. Ich kann genüsslich in einem Ohrensessel sitzen und dick und kugelrund werden, ohne mir Gedanken darüber machen zu müssen, wie ich aussehe. Geschweige denn darüber, wie ich besser aussehen könnte«, lächelte sie vergnügt. Dabei spießte sie ein Stück Apfelring auf die kleine Gabel und verspeiste es mit sichtlichem Genuss.
»Du bist weder dick noch kugelrund und gefällst mir außerordentlich gut, ob du nun willst oder nicht«, sprach Hanno das aus, was er dachte. »Diese weiblichen Hungerhaken konnte ich sowieso noch nie leiden. Mal abgesehen davon, dass du sehr wohlproportioniert bist und alles am rechten Fleck sitzt.« Sein Blick streifte Wendys schönes, volles Dekolleté, und es kostete ihn alle Mühe, sich nicht mit Blicken daran festzusaugen.
Wendy bemerkte es und wechselte vorsichtshalber das Thema.
»Ich gehe mal davon aus, dass du dir deinen Lebenstraum mit dieser Frau erfüllt hast, mit der du damals nach Heidelberg gegangen bist?«, fragte sie und kratzte den letzten Rest Walnusseis vom Teller.
Hanno, der seine Mahlzeit inzwischen beendet hatte, lehnte sich zurück und ließ die Gedanken schweifen.
»Das ist richtig. Und ich will ehrlich zu dir sein: Ich habe diese Entscheidung nie bereut. Helena und ich haben eine wunderschöne, harmonische Ehe geführt.« Unvermittelt war seine Stimme traurig geworden.
Wendy wurde hellhörig. Sie legte ihr Besteck zur Seite und musterte ihr Gegenüber aufmerksam.
»Das klingt danach, als wäre es vorbei.«
Hanno nickte, sein Lächeln war eine Spur schmerzlich.
»Helena ist vor vier Jahren gestorben.« Er gönnte sich einen letzten melancholischen Augenblick, dann kehrte er ins Hier und Jetzt und zu Wendy zurück. Hanno beugte sich ein Stück vor und griff nach ihren Händen, die auf dem Tisch lagen. »Es hat einige Zeit gedauert, bis ich ihren Tod verwunden hatte. Aber heute ist es vorbei«, versprach er fast feierlich.
»Es ist gut, dass du der Trauer Raum gegeben hast«, erwiderte Wendy sanft und zog ihre Hände nicht zurück.
Hanno nahm es als gutes Zeichen.
»Aber genug von mir«, zog er einen verbalen Schlussstrich unter die Vergangenheit und lächelte warm. »Was ist mit dir? Wie ist es dir in der Zwischenzeit ergangen?«
»Oh, ich habe eine erwachsene Tochter, die längst ihrer eigenen Wege geht, und bin seit vielen Jahren überzeugter Single«, erwiderte Wendy lächelnd.
»Freiwillig?«, hakte Hanno überrascht nach. »Ich hätte nie damit gerechnet, dass eine tolle Frau wie du allein ist.«
Es war ihm anzumerken, dass dieses Kompliment von Herzen kam, und Wendy spürte die Hitze auf ihren Wangen.
»Ach, weißt du, diese ganzen Liebesdinge sind mir viel zu kompliziert.« Mit Schaudern dachte sie an ihre zwei letzten Begegnungen mit den Herren der Schöpfung. Der eine war ein liebenswerter Lügner und Betrüger gewesen und der andere ein humorloser, ungerechter Amtmann. »Nein, das ist nichts für mich. Dazu liebe ich mein unkompliziertes, unspektakuläres Leben viel zu sehr.«
Diese Antwort schien Hanno nicht wirklich zu gefallen.
»Und du glaubst nicht, dass dir ein bisschen Abwechslung und Spannung guttun würden? Ein bisschen Aufregung?«, fragte er mit einem schelmischen Lachen.
Wendy entzog ihm ihre Hände und lehnte sich zurück.
»Machst du mir etwa einen Antrag, Hanno?«, fragte sie ungläubig und zweifelte ein weiteres Mal an ihrer Wahrnehmung. Dieser Abend in dem schicken Restaurant und in Begleitung dieses derart charmanten Mannes war so anders als alles, was sie in letzter Zeit erlebt hatte. Die Versuchung war groß, die alten Überzeugungen über Bord zu werfen. »Was hast du vor?«, erkundigte sie sich misstrauisch.
Das Lachen auf Hannos Gesicht wurde noch breiter.
»Das klingt ja furchtbar schwerwiegend«, amüsierte er sich. »Aber keine Angst: Ich bin aus dem Alter heraus, in dem ich einen Sohn zeugen, ein Haus bauen oder einen Baum pflanzen muss. Heute wünsche ich mir nur deshalb eine Partnerin, weil es zu zweit einfach schöner ist allein. Weil ich gern jemanden an meiner Seite habe, den ich verwöhnen, mit dem ich Spaß haben kann.« Er sah Wendy auf eine eigentümliche Art und Weise an, wie sie schon lange nicht mehr angesehen worden war. »Und falls es dich beruhigt: Ich habe gar nichts vor. Ich freue mich einfach nur daran, mit dir zusammen zu sein. Deine Gesellschaft ist etwas ganz Besonderes. Du bist eine ungewöhnlich interessante Gesprächspartnerin.« Er hielt inne und zögerte.
Feinfühlig, wie Wendy war, ahnte sie, dass das noch nicht alles war. Gleich darauf erfuhr sie, dass sie recht hatte.
»Deshalb würde ich mich freuen, wenn wir den Kontakt nicht mehr verlieren würden.«
»Wie stellst du dir das vor? Immerhin lebst du in Heidelberg«, fragte sie postwendend. Auch sie fühlte sich außergewöhnlich wohl in Hannos Gesellschaft. Der Abend war wie im Flug vergangen. Und doch wusste sie nicht, wohin das alles führen sollte. Was sie eigentlich wollte.
Hanno schien ihre Gedanken lesen zu können.
»Du tust ja gerade so, als wäre Heidelberg auf dem Mond«, amüsierte er sich. »Ich würde dir gern mein Zuhause zeigen. Es ist ein altes Fachwerkhaus, das dir bestimmt gefällt. Warum kommst du nicht einfach am Wochenende mit, wenn ich zurückfahre? Ich zeige dir meine Wahlheimat. Heidelberg hat eine grandiose Altstadt mit einer imposanten Burg.«
»Außerdem befindet sich dort die älteste Hochschule auf dem Gebiet des heutigen Deutschland, die Wissenschaftler und Besucher aus aller Welt anzieht«, trumpfte Wendy mit ihrem Wissen über die deutsche Großstadt am Neckar auf und beeindruckte Hanno damit sichtlich.
»Alle Achtung«, lobte er, und wenn möglich leuchteten seine Augen noch mehr. »Sag bloß, dass du schon mal da warst und mich nicht besucht hast?«
Sein betrübter Gesichtsausdruck brachte sie zum Lachen.
»Nein, ich war noch nie dort. Aber ich kenne Bilder. Es ist bestimmt sehr schön«, räumte sie zögernd ein.
Hanno ahnte, dass er nicht mehr weit von seinem Ziel entfernt war. Er beugte sich vor und sah ihr tief in die Augen.
»Dann tu mir den Gefallen und komm mit«, bat er sie fast flehend. »Nur dieses eine Wochenende. Das wäre wunderschön.«
Wendy haderte mit sich, und so spielte er schließlich den letzten Trumpf aus, den er im Ärmel hatte.
»Du kannst mich alten, kranken Mann doch nicht allein reisen lassen.« Mit schmerzverzerrtem Gesicht griff er nach dem verletzten Knie, das Danny Norden am Vormittag fachgerecht versorgt hatte. »Stell dir vor, mir passiert etwas. Du würdest deines Lebens nicht mehr froh werden.«
Dieser Überzeugungskraft hatte Wendy nicht viel entgegenzusetzen. Selten zuvor hatte jemand versucht, sie mit so viel Charme zu einem Wochenendausflug zu überreden.
»Mal abgesehen davon, dass du von deinem Knie die ganze Zeit nichts gespürt hast, hast du natürlich absolut recht«, ließ sie durchblicken, dass sie seine List durchschaut hatte. »Ich werde darüber nachdenken«, gab sie sich schließlich geschlagen. »Aber nur, wenn du mir versprichst, dass du dir nicht zu viele Hoffnungen machst, was uns betrifft.«
»Alles kann, nichts muss«, machte Hanno einen Vorschlag und winkte dem