Dr. Norden Staffel 2 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Dr. Norden Staffel 2 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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in eines der Behandlungszimmer zu bringen. Diese Vorzugsbehandlung hatte er allerdings nicht nur seinem Duft zu verdanken, sondern auch Wendys Jugenderinnerungen, die mit dem unvermuteten Auftauchen von Hanno Thalbach eine unerwartete Erfrischungskur bekommen hatten.

      *

      Fast gleichzeitig kamen Dr. Norden und sein Sohn Danny, der vor einigen Monaten als Junior in die Praxis eingestiegen war, an den Tresen.

      Schnuppernd hob Daniel Norden die Nase und sah seinen Sohn irritiert an.

      »Hier riecht es wie auf einem Bauernhof«, stellte er fest.

      »Hast du etwa ein neues Deo?«, grinste Danny seinen Vater frech an.

      Nur mit Mühe konnten sich die beiden Damen hinter dem Tresen ein amüsiertes Lachen verkneifen.

      »Ein gewisser Herr Thalbach ist nach der Begegnung mit einem Kuhfladen gestürzt und hat sich das Knie verletzt«, erklärte Janine glucksend.

      »Er wartet in Behandlungsraum drei auf einen Arzt«, fügte Wendy hinzu und warf einen Blick auf den Terminkalender.

      »Das kannst du erledigen, Dad.« Danny zeigte sich großzügig und wollte schon nach der nächsten Patientenkarte auf seinem Stapel greifen, als Wendy ihm einen Strich durch die Rechnung machte.

      »Tut mir leid, so einfach ist das nicht. Stephan Hagedorn hat extra einen Termin bei deinem Vater ausgemacht. Es geht um die Beratung wegen einer Fernreise, und du bist meines Wissens kein Spezialist in Sachen Tropenmedizin.«

      »Ich bin aber auch kein Veterinär«, murrte Danny beleidigt.

      »Nur weil einer riecht wie ein ganzer Kuhstall, ist er noch lange kein Rindvieh«, lachte Wendy leise und sah dem Junior nach, wie er sich zähneknirschend auf den Weg in das Behandlungszimmer machte, in dem Hanno Thalbach schon auf ihn wartete.

      Daniel hingegen schickte seiner Assistentin einen dankbaren Blick.

      »Nicht, dass ich mich nicht gern um den Patienten gekümmert hätte. Aber Strafe muss sein!« Er zwinkerte Wendy verschwörerisch zu und griff nach der Karte von Stephan Hagedorn, den er direkt im Anschluss höchstpersönlich im Wartezimmer abholte. Auf dem Weg ins Sprechzimmer plauderten sie miteinander.

      »Die meisten meiner Patienten reisen nach Thailand oder China. Laos steht eher selten auf dem Programm«, erklärte Dr. Norden, als er von dem ungewöhnlichen Reiseziel erfuhr.

      »Das liegt wohl daran, dass es in diesem gebirgigen Land keine herausragenden Attraktionen gibt«, erklärte Stephan Hagedorn bereitwillig.

      »Was reizt Sie dann, dorthin zu fahren?«

      »Das ist leicht zu beantworten. Außerhalb der Ballungszentren gibt es eine schier unglaubliche Ursprünglichkeit und Natürlichkeit. Es gibt keine Autobahnen, keine Industrie, eine einzige Zugverbindung und auch keine Wolkenkratzer. Das möchte ich einfach mit eigenen Augen sehen.« Stephans Begeisterung war ansteckend.

      »Klingt wirklich verlockend«, bemerkte Daniel Norden. »Es ist toll, dass Ihre Frau so ein Abenteuer mitmacht. Dafür ist nicht jeder Mensch zu haben.«

      Das Strahlen auf Stephans Gesicht verblasste ein wenig.

      »Meine Frau kommt nicht mit«, gestand er offen. »Wir haben uns vor einem halben Jahr getrennt. Seither lebe ich allein, mein achtzehnjähriger Sohn ist bei meiner Frau geblieben. Aber wir haben einen guten Kontakt. Raphael ist wie ich begeisterter Marathon-Läufer. Ich trainiere ihn nach wie vor.«

      »Oh, das tut mir leid.« Dr. Norden war ehrlich erschrocken. »Es lag nicht in meiner Absicht, an Wunden zu rühren.«

      Zu seiner Erleichterung lächelte Stephan Hagedorn beschwichtigend.

      »Keine Sorge, das tun Sie nicht«, versicherte er mit Nachdruck. »Die Entscheidung war schon lange gefallen. Aber wie das halt so ist: Die Umsetzung dauert oft viel länger, als es für alle Beteiligten gut ist.«

      »Vor allen Dingen, wenn Kinder im Spiel sind.« Während des Gesprächs hatte Daniel die Empfehlungen der Deutschen Impfkommission herausgesucht und das umfangreiche Werk aufgeschlagen.

      Stephan sah ihm dabei zu, war aber mit den Gedanken woanders.

      »Tja, da haben Sie ein großes Wort gelassen ausgesprochen. Aber Raphael hat das besser weggesteckt, als wir dachten. Da fällt mir das Alleinsein schon schwerer. Es ist wirklich kein Honigschlecken, und ich würde diese Reise lieber mit einer Partnerin machen als allein.« Ein Schatten huschte über sein freundliches Gesicht. »Aber so einfach ist das heutzutage nicht mit der Partnersuche. Schon gar nicht in unserem Alter. Deshalb reise ich dieses Mal wohl allein.«

      »Wann geht denn Ihr Flug?« Diese Frage stellte Daniel Norden mitnichten aus Neugier, sondern ganz konkret wegen der anstehenden Impfungen.

      »In zwei Monaten.«

      »Wer weiß, vielleicht findet sich ja bis dahin eine nette Begleiterin«, tat er seine Hoffnung kund und legte Stephan Hagedorn die Empfehlungen der Kommission vor, um die nötigen Schutzimpfungen zu besprechen.

      »Ach, ehrlich gesagt habe ich die Hoffnung schon fast aufgegeben«, seufzte Stephan und beugte sich über den Impfplan. »Dann wollen wir mal sehen. Glauben Sie wirklich, dass das alles nötig ist?«, fragte er, und Dr. Norden begann mit einer ausführlichen Beratung, die keine Fragen offen ließ.

      *

      »Puls und Blutdruck sind wieder normal«, erklärte Dr. Jenny Behnisch ihrer jungen Patientin Teresa Berger, die Dr. Norden nach einem Kreislaufzusammenbruch in die Klinik eingewiesen hatte. Die Klinikchefin stand neben der Behandlungsliege und blickte beruhigend lächelnd auf die erschreckend magere, blasse Frau hinab. »Wie fühlen Sie sich?«

      »Eigentlich ganz gut«, erwiderte Teresa missmutig. Sie machte keinen Hehl daraus, dass sie ganz und gar nicht mit dem Klinikaufenthalt einverstanden war. »Ich hab ja gesagt, dass mein Freund maßlos übertreibt. Wegen so eines kleinen Schwächeanfalls in die Klinik? Pffft …« Unwillig verdrehte sie die Augen gen Himmel, während Jenny das Krankenblatt studierte.

      »Offensichtlich ist mein Kollege Norden derselben Meinung wie Ihr Freund«, entnahm sie den Informationen. Sorgfältig, wie Daniel war, hatte er jedes Detail seiner umfangreichen Untersuchung festgehalten. »Darf ich mir mal Ihren eingewachsenen Zehnagel ansehen?« Jenny Behnisch gab dem Pfleger, der ihr bei der Untersuchung assistierte, ein stummes Zeichen, und er trat an die Krankenliege, um Teresa behilflich zu sein.

      Murrend schlüpfte sie aus dem unförmigen Clog und zeigte den entzündeten Zeh.

      »Nicht erschrecken!«, kam sie einem überraschten Ausruf Jennys zuvor. »Das Schwarze ist nur Zug­salbe. Die hab ich im Medikamentenschrank gefunden und dachte, das kann nicht schaden.«

      »Und ich dachte schon, der stirbt ab!«, entfuhr es dem Pfleger Manuel.

      Für diese Bemerkung erntete er einen strafenden Blick der Chefin.

      »Wenn Sie sich nicht sofort dranmachen und die Wunde säubern, stirbt Ihre Karriere, bevor sie überhaupt begonnen hat.«

      »Natürlich, Chefin!« Schnell machte sich der junge Mann an die Arbeit und entfernte die Reste der schwarzen Paste, die Dr. Norden wegen Teresas Schmerzen übrig gelassen hatte. Obwohl Manuel dabei so behutsam wie möglich vorging, stöhnte Teresa mehr als einmal auf vor Schmerz.

      Als der Pfleger seine Arbeit beendet hatte, trat Jenny an die Liege und begutachtete den entzündeten Zeh eingehend.

      »Das sieht aber gar nicht gut aus«, kam sie dann zu demselben Schluss wie ihr Freund und Kollege Daniel Norden. »Die Wunde muss auf jeden Fall revidiert werden.«

      »Was heißt das?«, erkundigte sich Teresa mit einem ängstlichen Blick auf die Klinikchefin.

      »Das heißt nichts anderes, als dass die Kollegen die Wunde öffnen, säubern und desinfizieren. Mit etwas Glück klingt die Entzündung bald ab, und Sie können wieder apartes Schuhwerk tragen«, bemerkte Jenny mit einem amüsierten Blick auf die unförmigen Clogs, die auf dem Boden standen.


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