Dr. Norden Staffel 2 – Arztroman. Patricia Vandenberg
Daniel mit einer Mischung aus Belustigung und Bedauern an. »Tja, das war’s dann wohl mit unserem heutigen Abenteuer. Ich fürchte, im Augenblick ist eher Albert Einstein denn Don Juan gefragt.«
Unwillig rollte Daniel mit den Augen.
»Hat das nicht Zeit bis später? Gerade heute dachte ich, dass ich mit meiner Verführungsnummer durchkomme«, fragte er in gespielter Verzweiflung und nahm seiner Frau den Hörer aus der Hand.
»Dési, deine Mami und ich …«, begann er. Weiter kam er nicht.
»Mein allerliebster, allerklügster Papi, du bist meine allerletzte Rettung«, säuselte das Mädchen so süß in den Hörer, dass Daniels Widerstand in Sekundenschnelle schmolz.
»Was kann ich für dich tun, mein Engelchen?«, fragte er und nahm Felicitas an der Hand, um mit ihr zum Wagen zu gehen.
Nur mit Mühe konnte sich Fee ein vergnügtes Kichern verkneifen. Natürlich war sie ein wenig enttäuscht darüber, dass aus dem gemeinsamen Abendessen in dem verschwiegenen kleinen Lokal vorerst nichts werden würde. Andererseits war sie der Überzeugung, dass gerade dieser Mangel an Gelegenheiten ihre Ehe so spannend und aufregend hielt. Die gegenseitige Anziehungskraft war ungebrochen, und sie hoffte mehr als alles andere, dass das auch in Zukunft so bleiben würde.
*
Als Marco vor dem Bauernhof seiner Freundin vorfuhr, sah er schon Teresas Bruder Anian, der vor der Tür stand und ihm feindselig dabei zusah, wie er den Wagen parkte.
»Was willst du denn hier?«, fragte der Teenager statt einer Begrüßung frech. »Und wo ist überhaupt Tessa? Was hat der Arzt gesagt?«
Schon wieder brodelte der Ärger in Marco. Da er aber nicht sofort einen Streit vom Zaun brechen wollte, mahnte er sich zur Ruhe. Er griff nach der Reisetasche, die er vorher zu Hause gepackt hatte, schlug die Wagentür zu und kam auf Anian zu.
»Deine Schwester musste in die Klinik«, erklärte er sehr ernst und hoffte, den jungen Mann damit zu beeindrucken.
In der Tat weiteten sich Anians Augen vor Schreck.
»Wieso Klinik? So schlecht ging’s ihr doch gar nicht.«
Marco maß den Bruder seiner Freundin mit einem nachdenklichen Blick.
»Deine Schwester ist eine sehr starke, tapfere Persönlichkeit. Sie macht das meiste mit sich selbst aus und macht nicht viel Wesen um ihre Person. Das solltest du eigentlich am besten wissen.«
»Was weißt du denn schon von mir?«, ließ eine pampige Antwort nicht lange auf sich warten. »Wieso bist du überhaupt hier? Das hättest du mir auch am Telefon sagen können.« Misstrauisch musterte Anian die Reisetasche.
»Weil Tess überhaupt nur in der Klinik geblieben bist, nachdem ich ihr versprochen habe, auf dich aufzupassen.«
Einen Moment lang rang Anian um Fassung. Dann warf er den Kopf in den Nacken und lachte schallend los.
»Auf mich aufpassen?«, fragte er, als er sich wieder beruhigt hatte. »Hör mal, Alter, ich bin sechzehn. Ich brauch keinen Babysitter mehr. Egal, was ihr beiden denkt.«
Marco atmete ein paar Mal tief ein und aus, um sich zu beruhigen. Auf keinen Fall wollte er gleich am Anfang einen gravierenden Fehler machen.
»Wir denken was anderes. Darf ich jetzt reinkommen?«
Breitbeinig stand Anian vor der altehrwürdigen und mit vielen Ornamenten verzierten Tür des Bauernhauses und starrte seinen Kontrahenten feindselig an. Er haderte sichtlich mit sich, sah aber schließlich ein, dass er keine Wahl hatte. Unwillig machte er gerade so viel Platz, dass Marco eintreten konnte.
»Hast du auch nichts vergessen?«, erkundigte er sich spöttisch, als er hinter dem Freund seiner Schwester her durch den breiten Flur ging und ihm über die knarzende Holztreppe nach oben folgte. »Handtuch, Zahnbürste und Kamm eingepackt?«
»Gut, dass du es sagst. Deo hab ich vergessen. Aber du kannst mir sicher welches leihen«, spielte Marco auf den intensiven Duft an, der von Anian ausging.
Seit Neuestem waren Mädchen nicht mehr eklig, sondern faszinierende, geheimnisvolle Wesen, die die jungen Männer nach allen Regeln der Kunst zu beeindrucken versuchten. Wie viele andere auch hatte Anian aber das rechte Maß nicht gefunden. Er übertrieb es mit dem Coolsein und wirkte mit seinen nach hinten gegelten Haaren und den betont lässigen Klamotten in Marcos Augen eher lächerlich denn attraktiv.
Der Blick, der ihn aus braunen Augen traf, war vernichtend.
»Sehr witzig!«, fauchte Anian und stürmte am Freund seiner Schwester vorbei, nicht ohne ihn dabei anzurempeln.
Fast sofort bereute Marco seine unbedachten Worte.
»Es tut mir leid, Anian«, rief er dem erbosten jungen Mann nach. Schließlich war er selbst einmal jung und unsicher gewesen und erinnerte sich noch genau daran, wie sich der junge Mann fühlte. »Komm schon, sei nicht sauer«, bat er. »Schau mal, die Situation ist für uns beide nicht leicht. Ich mache mir auch wahnsinnige Sorgen um Tess. Statt uns zu bekriegen, sollten wir das Beste aus der Sache machen.«
Anian stand an der Tür zu seinem Zimmer und schickte seinem Gegenspieler funkelnde Blicke.
»Das Beste für uns beide wäre, wenn jeder in seinem eigenen Zuhause bliebe«, stellte er unmissverständlich und erbarmungslos klar.
»Deine Schwester macht sich Sorgen um dich. Warum willst du das eigentlich nicht verstehen?«, fragte Marco ungeduldig.
Anian schnaubte abfällig.
»So, wie ich Tessa kenne, hat sie kein Wort gesagt. Wahrscheinlich hast du dich selbst eingeladen, um hier mal den großen Macker zu spielen.« Auf eine Antwort wartete er gar nicht erst. Er verschwand in seinem Zimmer und warf die Tür krachend hinter sich ins Schloss.
Einen Moment lang verharrte Marco reglos am Treppenabsatz und haderte mit sich. Am liebsten hätte er kehrt gemacht und wäre auf direktem Weg nach Hause gefahren. Doch er hatte Teresa versprochen, sich um Anian zu kümmern. Dieses Versprechen würde er nur brechen, wenn es keinen Ausweg mehr gab. Und davon waren sie beide noch weit entfernt. In dieser Hoffnung machte er sich auf den Weg in das hübsche Zimmer mit den kleinen Sprossenfenstern, die einen unbeschreiblichen Blick über Felder, Wiesen und Wälder gewährten. Marco liebte das Bauernhaus genauso wie Teresa. Die knarzenden Böden, den Geruch nach Holz und Wachs, die rustikalen Möbel. Gleichzeitig wusste er, dass das Anwesen zu groß war, als dass Teresa es auf Dauer allein bewirtschaften konnte. Eine Lösung musste her. Aber erst, wenn sie wieder gesund war.
*
»Ich kann es immer noch nicht glauben, dass ich dich wiedergefunden habe.« Als Hanno Thalbach seiner Jugendfreundin Wendy am Tisch eines stilvollen Restaurants gegenübersaß, machte er gar nicht erst den Versuch, seine Begeisterung zu verbergen. »Weißt du eigentlich, dass du immer noch eine sehr aparte Erscheinung bist? Genau wie damals …«
Wendy lachte und drehte verlegen das Weinglas in den Händen. In Gesellschaft dieses attraktiven Mannes fühlte sie sich wie im Märchen. Die luxuriöse Umgebung, in der sie fast ein wenig gehemmt war, ließ das Treffen noch unwirklicher scheinen. Sie selbst hätte niemals so ein edles Restaurant gewählt und war überwältigt von der Eleganz und Diskretion, mit der sie bedient wurden.
»Und du bist immer noch derselbe Charmeur wir früher.« Ein Lächeln auf den Lippen, hob Wendy ihr Glas und stieß mit Hanno an. Dann wurde sie ernst. »Trotzdem hat es damals nicht geklappt mit uns.«
»Das lag aber nicht an mir«, erklärte Hanno ernst. Sein intensiver Blick ließ Wendys Herz schneller schlagen. »Wenn du dich recht erinnerst, wollte ich damals das ganze Paket.«
»O ja«, bestätigte Wendy und nickte energisch. »Daran erinnere ich mich noch gut. Du hast von Heiraten und Kinderkriegen gesprochen. Von einem Einfamilienhaus im Grünen. Das hat mich in Panik versetzt. Ich war doch erst Anfang zwanzig damals.«
Auch Hanno erinnerte sich.
»Heute weiß ich auch,