DUNKLE ZEITEN. Dane Hatchell
als sei sie nicht zu Spielchen aufgelegt. Wie schwer ihr die Abhängigkeit zusetzte, verbargen ihre Züge nicht, denn sie war offensichtlich gerade auf Entzug und brauchte dringend Geld. Die Frage war, wie weit würde sie dafür gehen?
Ich habe keinen Bock auf solchen Scheiß. Rico spürte, wie sich eine gespenstische Erinnerung in ihm anbahnte. Er spannte seinen ganzen Körper an, um sie wieder zu verdrängen. Er drehte sich um und wollte einfach gehen – in der Hoffnung, damit sowohl dem Jetzt als auch der Vergangenheit entfliehen zu können.
»Den Vierteldollar brauchen Sie nicht mehr oder?«, rief sie ihm hinterher.
Ihr verzweifelter Tonfall versetzte seinem Herzen einen Stich. »Wollen Sie ihn haben?« Als sich Rico wieder zu ihr umdrehte, sah er die Münze im Wechselgeldauswurf des Getränkeautomaten liegen.
Die junge Frau biss sich auf die Unterlippe und schaute ihm begierig in die Augen. Nach ein paar Sekunden winkte sie gleichgültig mit der Hand ab. »Nein, nehmen Sie ihn.«
Es waren lumpige fünfundzwanzig Cent. Dieser Mensch brauchte deutlich mehr als das, um sich wieder aus der Bredouille zu holen. Selbst wenn Rico in seine Hosentasche gegriffen hätte, um ihr das nötigte Geld zu geben, könnte es nicht in Ordnung bringen, was in ihr kaputt war, sondern die Maschine lediglich vorübergehend schmieren, bis der Rost der Sucht das Getriebe erneut befiel. Dann würde sie sich noch etwas weiter abgenutzt haben und dem endgültigen Defekt noch nähergekommen sein. Er konnte einfach nichts tun, um sie zu retten. Streng genommen könnte sie sich, wenn er ihr jetzt Geld schenkte, sogar eine Überdosis spritzen und durch sein Mitgefühl sterben. Er musste dringend stärker werden, in der Vergangenheit hatte er dies auf die harte Tour gelernt. Als er sich wieder umdrehte und wirklich ging, würden ihn keine Gewissensbisse mehr plagen.
»Sie wissen nicht, was Ihnen entgeht«, gab sie ihm mit auf den Weg.
Rico winkte abfällig ins Leere, ohne sich die Mühe zu machen, noch einen Blick über die Schulter zu werfen, während er eilig verschwand.
Seiner Abneigung gegenüber der Erwerbstätigkeit dieser Frau zum Trotz kam er nicht umhin, darüber nachzugrübeln, weshalb sie vor diesem Motel herumlungerte. Es befand sich mitten im Nirgendwo. Gewiss war sie klug genug, zu begreifen, dass sich in größeren Städten wesentlich mehr Geld verdienen ließ. Rico wusste, es aus diesem Blickwinkel zu betrachten, war ätzend, aber das änderte nun einmal nichts daran, dass es stimmte.
»Ich heiße June Melon«, hörte er sie noch leise hinzufügen, »falls Sie es sich doch noch anders überlegen.«
Ich bin mir sicher, wenn der Preis stimmt, darf ich dich nennen, wie ich will, dachte er, als er um die Ecke bog und zu seinem Zimmer zurückkehrte.
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