DUNKLE ZEITEN. Dane Hatchell

DUNKLE ZEITEN - Dane Hatchell


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auf wenige Säulen beschränkt und Dieselfahrer berüchtigt dafür, wütend zu werden, wenn heiße Öfen die ein oder zwei Plätze blockierten, an denen es den leichteren Treibstoff gab.

      Wenigstens würde er drinnen bestimmt jemanden finden, der ihm sagen konnte, wo er genau war.

      Er wuchtete die Harley im Sitzen auf ihren Ständer, stieg ab und sah sich um. Jetzt spürte er zum ersten Mal nach seiner langen Reise Müdigkeit. Seine Pobacken fühlten sich leicht taub an, und er hatte Kreuzschmerzen. Er versuchte, seine Verspannungen zu lösen, indem er den Rücken durchdrückte und im Kreis ging.

      Wenn ich es mir genau überlege, will ich es gar nicht herausfinden, dachte er achselzuckend. Anscheinend war geschlossen. Bekanntermaßen klappten einige Kleinstädte in Texas die Gehsteige hoch, sobald die Sonne unterging. Vielleicht sind aber auch einfach nur einige der Leuchtstoffröhren drinnen ausgebrannt.

      Nur ein Teil der befahrbaren Fläche vor dem Tankstellenrestaurant war gepflastert … das überschaubare Zementquadrat rings um die beiden einsamen Zapfsäulen herum. Der Rest des Platzes bestand mehr oder weniger aus Sand. Falls man ihn je mit Steinen oder Muscheln aufgeschüttet hatte, so lagen diese nun unter der lockeren Erde verborgen. Rico stellte sich vor, wie ein kräftiger Wind einen heftigen Sandsturm aufwirbeln und diesem kleinen Eiland der Zivilisation übel mitspielen könnte.

      Er zog seine Kreditkarte aus der Brieftasche, bemerkte aber auf den ersten Blick, dass man das Plastik am Zapfhahn nirgendwo durchziehen konnte. Folglich musste er also hineingehen und zuerst zahlen.

      Die Tankstelle war sehr klein, obwohl sie inmitten der asphaltierten Ödnis des Highways auffiel wie der Monolith in 2001: Odyssee im Weltraum. Auf dem gelben Schild über dem Lokal stand Duckys Imbissrestaurant und Minimarkt. Rechts neben dem Namen des Gebäudes hing das kitschige Bild eines Alligators mit offenem Maul. Dank des Mondlichts erkannte Rico auch in der nächtlichen Dunkelheit, dass die Reklame, deren Farbe die Sonne ausgebleicht hatte, schon sehr alt und vor recht langer Zeit möglicherweise einmal ein strahlendes Kunstwerk gewesen war. Jetzt wurde sie allerdings nur noch von Dreck zusammengehalten, eine ironischerweise unbedachte Werbemaßnahme.

      Rico schüttelte seinen Kopf, steckte die Karte wieder in seine Brieftasche und zählte ein paar Geldscheine ab. Ein Krokodil neben einem Namen, der an eine Ente denken lässt? Wer wohl auf diese geistreiche Idee gekommen ist?

      Rico wirbelte Staubwolken auf, während er eilig über den Parkplatz zum Gebäude ging.

      Er schaute auf das heruntergekommene Motel gegenüber und spielte kurz mit dem Gedanken, dort zu übernachten. Auf irgendwelche Bequemlichkeiten legte er überhaupt keinen Wert, aber sauber musste es unbedingt sein – und frei von Ungeziefer. Er mochte zwar den großen, starken Bullen markieren, konnte aber absolut keine Spinnen und Kakerlaken ertragen. Die Vorstellung, heiß zu duschen und sich in ein weiches Bett zu legen, machte ihn hingegen gerade umso reisemüder.

      Das Rasthaus sah zumindest geöffnet aus. Davor standen kreuz und quer ein paar Kleinwagen und Pick-ups, als sei ein betrunkener Parkdienst dort am Werk gewesen. Rico lachte leise über seinen eigenen Scherz – die Vorstellung, an einem solchen Ort übernehme ein Angestellter das Abstellen der Wagen! Eines war sicher: Niemand aus Texas hohen Kreisen würde in einer solchen Absteige verkehren. Gouverneur George Bush wäre zum Schlafen bestimmt lieber bei seiner Limousine geblieben, anstatt sich in dem Motel aufs Ohr zu hauen. Rico überlegte, ob irgendeines dieser Fahrzeuge wohl schon in diesem Jahrhundert gebaut worden war. Die Zeit und die texanische Sonne hatten den Farben zumindest ziemlich übel mitgespielt. Weder flaschenweise Politur noch Wachs hätten diesen Lacken wieder neues Leben einhauchen können. Zumindest brannten einige wenige Lichter im Gebäude, und während sich Rico der Tankstelle näherte, stellte er erleichtert fest, dass drinnen auch jemand hinter der Theke stand.

      Als er die Tür öffnete, fühlte er etwas Klebriges an seinen Fingern. Beim Schließen quakte eine Ente hinter ihm, sodass dem Angestellten nicht entgehen konnte, dass gerade jemand hereingekommen war. Hör besser auf, zu telefonieren oder in der Nase zu bohren, du hast Kundschaft, dachte Rico und schaute sich nach etwas um, an dem er unauffällig seine Hände abwischen konnte.

      »Willkommen bei Duckys«, begrüßte ihn der Mann hinter der Theke mit einem so breiten Südstaatenakzent, wie Rico ihn noch nie zuvor gehört hatte. »Was darf's denn sein?«

      Rico nickte zuversichtlich, auch weil er davon ausging, dass sein eigener Tonfall für einen Texaner nicht ganz so gedehnt klang. »Akzeptieren Sie auch Kreditkarten?« Er schnappte sich eine Serviette neben der Kaffeemaschine und fuhr sich damit über die Hände.

      »Das tun wir ganz sicher nicht, Mister.« Der Mann lächelte, wobei er zeigte, dass ihm mehrere Frontzähne fehlten. »Ach je, Sie sind bestimmt nicht aus der Gegend, oder?«

      »Woran haben Sie das denn erkannt?«, fragte Rico, als er die Theke erreichte.

      »Hab sie hier bisher noch nie gesehen, und ein Gesicht vergesse ich niemals.«

      »Was Sie nicht sagen«, erwiderte Rico und zwang sich, statt weiterhin unhöflich auf die Zahnlücken zu starren, das Angebot des Lokals an Warmspeisen ins Auge zu fassen. »Das hier ist eher kein Restaurant, oder?«

      »Wie meinen Sie das, Mister?« Der Mann lächelte einen Tick verhaltener.

      »Ach nichts«, antwortete Rico, während er die dürftige Auswahl neben der Theke betrachtete.

      Als der Besitzer von einem Tankstellenrestaurant gesprochen hatte, hatte er den Mund eindeutig ein wenig zu voll genommen. Die Waren entsprachen eher jenen, herkömmlicher Raststätten – Bier, Erfrischungsgetränke, Junkfood, überteuertes Motoröl, eine Mikrowelle zum Erhitzen von Würstchen und ein Käsespender für Nachos, also alles Mögliche – handelte sich aber in puncto Verköstigung im Verhältnis zu anderen Imbissen eine dicke negative Bewertung ein. Sicher, im Seitenbereich des Lokals standen eine Handvoll kleiner Tische mit ein paar Stühlen, doch die Essensauslage belief sich auf einen Platz neben der Theke von der Größe einer Badewanne. Dort wurden unter Heizlampen hinter Glas verschiedene Speisen mit Garantie auf Sodbrennen warmgehalten. Das einzig Genießbare zum Aussuchen schienen die Corn Dogs zu sein. Alles andere brutzelte wahrscheinlich schon seit irgendwann am Morgen unter den Lampen vor sich hin.

      Rico seufzte. »Also gut, ich hätte gern vier Corn Dogs und …« Er zögerte, weil ihm plötzlich ein blinkendes Werbeschild für Shiner Bock ins Auge fiel. »Welche Biersorten haben Sie da?«

      »Was schwebt Ihnen denn vor? Wir haben viele … Miller, Coors, Budweiser und eben Shiner Bock.«

      Rico drehte sich nach den Kühlregalen um und holte tief Luft. Er hatte eigentlich mit dem Trinken aufgehört, um sich zu beweisen, dass er sein Leben selbst bestimmte. Dieses Ziel war nun erreicht, und er wusste, dass er es weiterhin konnte. Nach seinem Besuch bei Pop hatte er gedacht, es ein wenig locker anzugehen und die einfachen Freuden wieder zu genießen. Andererseits war es womöglich noch zu früh dazu, und er wäre besser damit beraten, noch eine Weile verstreichen zu lassen, bis er wieder Alkohol anrührte. »Wissen Sie was? Belassen wir es doch lieber bei Limonade. Außerdem ziehen Sie mir bitte drei Gallonen Normalbenzin ab. Mehr schluckt meine Harley nämlich nicht.«

      »Kein Problem, Mister.« Er begann, mit seinen schmutzigen Fingern auf einem abgenutzten Taschenrechner aus Plastik herumzutippen, dem ungefähr genauso viele Tasten fehlten wie dem Mann Zähne. »Das macht dann einundzwanzig Dollar und dreißig Cent.«

      »Sieht so aus, als bräuchten sie einen neuen Taschenrechner.« Rico schaute hoch und las das Namensschild des Angestellten. »Kevin.«

      »Na, aber hallo. Woher kennen Sie denn meinen Namen?«

      Rico tippte sich mit einem Zeigefinger an die Stirn und kniff ein Auge zu.

      Kassen-Kevin schaute ihn an wie jemanden, der übers Wasser wandeln konnte.

      Rico gab ihm den Betrag und wartete dann auf sein Wechselgeld. »Wissen Sie zufällig, ob das Motel so spät am Abend noch Gäste aufnimmt? Ich glaube nämlich, für heute reicht es mir mit der Fahrerei.«

      »Klar


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