DUNKLE ZEITEN. Dane Hatchell

DUNKLE ZEITEN - Dane Hatchell


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machte sich zuerst kaum Sorgen, als der Staub auf der Oberfläche niederging. Zunächst wurde es leicht diesig am Himmel, aber es wurde nicht vollkommen finster, wie einige religiöse Fanatiker es vorhergesagt hatten. Die Büchse der Pandora blieb geschlossen, die Hölle brach nicht über die Erde herein. Sogar der Flugverkehr ließ sich ohne Unterbrechung fortsetzen. Aktive Vulkane hatten schwerwiegendere Auswirkungen auf den Handel.

      Der Mond nahm aufgrund des Staubprismas bei Nacht allerdings einen leicht anderen Farbton an. Er erhielt einen zartgelben Anstrich, den man nie zuvor gesehen hatte. Der Staub wirkte sich auch auf die Wolken am Himmel aus, sodass der fallende Regen in ähnlicher Weise blassgelb wurde.

      Die Forschung benötigte etwas Zeit, um eine einzigartige Mikrobe zu isolieren, die man im Niederschlag entdeckt hatte. Eine Gruppe französischer Genetiker schaffte es zuerst. Das Kleinstlebewesen ähnelte einem Virus, da es sich in keiner Weise selbst replizieren konnte. Man konnte heilfroh darüber sein, dass die DNS der außerirdischen Mikrobe mit keiner, auf der Erde vorkommenden vereinbar war. Somit war auch nicht zu befürchten, dass sich irgendein neuer Hybriderreger auf der Welt ausbreiten und alles Leben zerstören könnte.

      So zumindest lautete der ursprüngliche Befund. Zum jetzigen Zeitpunkt wusste allerdings niemand mehr, was man erwarten musste.

      Kapitel 5

       Sechs Monate später

      Es war vierzehn Uhr an einem warmen Mittwochnachmittag im Oktober. Das Sonnenlicht fiel hell zwischen den Jalousien hindurch und auf die Tische im hinteren Bereich von Pop's Lounge. Die Feierabendklientel trudelte nach und nach ein. Die Happy Hour zog immer einen interessanten Querschnitt in die Kneipe … College-Studenten, die sich nach dem Unterricht ein paar Bier genehmigten … Geschäftsleute in Anzügen, die den Stress eines turbulenten Arbeitstags abbauen wollten … der einsame Wolf, die einsame Wölfin … Menschen, die sonst keine Anlaufstelle hatten … solche, die zwar eine Anlaufstelle hatten, dort aber nicht hinwollten.

      Rico trat ein, blieb aber in der Tür stehen. Als er sich umschaute, rekapitulierte er kurz die Ereignisse im Frühjahr. In gewisser Weise könnte man glauben, das alles sei eigentlich nie passiert, sondern nur ein Film aus einer vagen Erinnerung … ein Traum vielleicht. Der Angriff der Untoten zählte gewiss zu den Dingen, die er gern vergessen hätte und ungeschehen machen wollte. Dies ließen jüngste Nachrichtenmeldungen allerdings nicht zu. Denn die Wissenschaft hatte endlich eine Antwort auf die Frage gefunden, wieso die Toten auferstanden waren, doch dass er sich heute wieder in Pops Lokal blicken ließ, lag eher an den Mutmaßungen anderer.

      Er hatte den Motorradhelm auf seiner Harley-Davidson Sportster liegen lassen, seinen Rucksack aber mitgenommen. Es war seine persönliche Maschine, versehen mit einem Aufkleber auf dem stand: »Eigentum der Polizei Killeen«. Er besaß sie seit drei Jahren, und noch nie hatte sich irgendjemand daran gestört.

      Pop starrte gespannt auf den Fernsehbildschirm und putzte gedankenverloren einen Bierseidel ab, als Rico an den Tresen kam.

      »Hey Pop, wie geht's dir?« Er wartete, bis der Wirt ihn wahrnahm und ihn von Kopf bis Fuß gemustert hatte.

      Der neugierige Ausdruck wich jetzt aus seinem Gesicht und seine Augen traten leicht hervor.

      »Rico … bist du das wirklich?«

      »Jepp, stramme sechsundachtzig Kilo Lebendgewicht. Ich treibe mich neuerdings häufiger im Fitnessstudio herum.« Rico klopfte sich auf den Bauch.

      »Du siehst großartig aus, Junge. Das hast du also getrieben seit …« James zögerte einen Moment. »… seit deinem letzten Besuch hier. Komm, setz dich doch.«

      Rico nahm Pops Hand entgegen und schüttelte sie. Dann ließ er den Rucksack auf den Boden fallen und nahm auf dem hölzernen Barhocker vor dem Alten Platz.

      »Was zu trinken?«

      »Äh …«

      »Geht auch aufs Haus.«

      »Danke, Pop, aber ich habe dem Alkohol abgeschworen.«

      »Ach, dann eben was Alkoholfreies oder einfach nur Wasser?« Pop setzte Rico einen Plastikbecher voller Eiswürfel vor und wartete darauf, eine der zahllosen Tasten des aufwendigen Getränkespenders zu drücken.

      »Dann ein Ginger Ale bitte.«

      »Kommt sofort.«

      »Danke.« Rico wartete, bis der Becher voll war. »Weißt du, ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich monatelang nicht mehr hergekommen bin. Als ich das letzte Mal hier war, hat es mein Leben grundlegend verändert.«

      »Da sagst du was … Für jeden von uns hat sich vieles geändert.«

      »Also, ich meine nicht diese toten Säcke, die angegriffen haben, sondern ich spreche von deiner Moralpredigt, bevor das alles passiert ist. Alles, was du über mich und mein Leben gesagt hast, stimmte damals. Es waren Dinge, die ich schon wusste, aber es ist so, als hätte ich sie dadurch, dass du sie ausgesprochen hast … erst umsetzen können. Deine Worte haben mich dazu gebracht, über meine Grenzen hinauszugehen und mein Leben wieder in die Hand zu nehmen. Ich habe damit begonnen, mich gesund zu ernähren, habe das Saufen sein lassen und meine Freizeit mit Sport verbracht, anstatt nur träge vor der Glotze zu liegen und Mary Etta nachzuweinen. Jetzt wollte ich einfach mal reinschauen, um dir dafür zu danken … und natürlich um zu sehen, wie es dir geht – wegen der Nachrichten und so weiter.«

      James lächelte verlegen. »Ich habe nichts getan, das warst ganz allein du, und mach dir bloß keine Gedanken meinetwegen. Ich bin kerngesund.«

      Dessen war sich Rico nicht so sicher. Denn Pop sah ein wenig abgehärmter aus, als der Officer erwartet hätte. Sicher, er war ein alter Mann und wurde gewiss nicht jünger – doch daran lag es nicht. Sieben Tage die Woche eine Bar zu betreiben würde zweifelsohne selbst jungen Leuten zusetzen, vielleicht war es einfach nichts weiter als das.

      »Du bist bestimmt im Bilde darüber, was gerade in Frankreich vor sich geht, oder?« Rico wusste nicht so recht, wie er das Gespräch beginnen sollte, ohne zu neugierig zu wirken. Außerdem wollte er, dass Pop von sich aus davon anfing, anstatt sofort in die Defensive zu gehen.

      »Ja, das bin ich. Die Vorstellung, dass wir die Froschfresser gebraucht haben, um herauszufinden, was die Toten aufgeweckt hat … Wofür zahlen wir denn die ganzen Steuergelder? Meine Fresse, unsere Regierung hat die ganze Zeit beteuert, dass an diesem Weltraumstaub nichts gefährlich wäre.«

      »Wenigstens lagen sie mit der Einschätzung richtig, die Asteroiden würden nicht auf die Erde treffen. Wegen der Wolke, die sie nach sich zogen, zerbricht sich jetzt alle Welt den Kopf.«

      »Ach, das kümmert mich überhaupt nicht. Abgesehen von dem gelben Regen, den sie verursacht hat, und der Tatsache, dass kurz zuvor Gestorbene von den Toten zurückkehrten, wird nichts weiter geschehen. Leute, die im Anschluss daran den Löffel abgegeben haben, sind schließlich nicht wiederauferstanden. Es war genau so, wie sie gesagt haben, nur ein dummer Zufall. Eines Tages kommen sie auch noch dahinter. Ich habe sogar von einem Wissenschaftler gehört, der meinte, seiner Ansicht nach sei so auch das Leben auf der Erde entstanden … außerirdische Mikroben, die sich mit dem Boden vermischt und DNS produziert haben sollen.«

      »Aber die Mikroben, die man in dem Staub fand, konnten sich ja nicht fortpflanzen. Ihre DNS passte nicht zu unserer. Sie hätten eigentlich außerstande sein sollen, die Toten wiederzuerwecken. Jetzt ist sogar schon die Rede von einer Mutation. Was soll werden, wenn dieses außerirdische Zeug wieder mutiert? Und … was denkst du über all die Menschen, die gebissen oder gekratzt wurden, als die Toten zurückgekehrt sind?« Das war die Millionen-Dollar-Frage. Rico wollte wissen, ob James auch unter irgendwelchen Symptomen litt, über die die anderen klagten.

      Der Blick des Wirtes fiel langsam auf seinen Arm. Rico bemerkte, worauf er sich fokussierte. Eine rote Schwiele, die einen halben Zoll breit und drei lang war, zog sich über seinen Bizeps.

      »Bist du dort gekratzt worden?«, fragte er ihn.

      »Ja,


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