DUNKLE ZEITEN. Dane Hatchell

DUNKLE ZEITEN - Dane Hatchell


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      Der Boden war mittlerweile blutbesudelt. Einer seiner Gäste saß an die Theke gelehnt auf seinem Hintern. Würde er infolge des Bisses verbluten? Die Kreatur hatte ihm mehrere Finger, vielleicht sogar einen Teil der Hand abgerissen.

      Die dafür verantwortliche Leiche gab wenigstens einstweilen Ruhe und verzehrte im wahrsten Sinne des Wortes ihr Fingerfood. Sie kaute Knochenstücken und Fleisch von der jetzt blutigen Hand des muskelbepackten Mannes ab. Der Verwesungsgeruch schwebte wie Nebel durch den gesamten Schankraum.

      Als James zuletzt nach Rico gesehen hatte, war dieser in ganz schönen Nöten gewesen, seine Waffe nachzuladen – als er ein ganzes Magazin auf einen Mann geleert hatte, der eigentlich tot sein sollte, aber gerade eben über ein Dutzend Treffer aus unmittelbarer Nähe in die Brust eingesteckt hatte. Dennoch ließ er nicht nach. So etwas gab es im wirklichen Leben einfach nicht. Was ging hier bloß vor sich, und wie zum Donnerwetter sollten sie das Ganze heil überstehen? Weil sich seine Gedanken mittlerweile überschlugen und die Zeit immer mehr drängte, wurde Pop schwindlig. Dann rief jemand plötzlich inmitten des Durcheinanders aus, was auch er schon die ganze Zeit dachte: »Sie sind tot! Sie können Sie nicht erschießen, weil sie schon längst tot sind!«

      Rico gab noch einen Schuss ab. Aber Pop kam nicht mehr dazu, hinzuschauen.

      Ihm war schlecht. Wie konnte man einen Toten umbringen? Er wusste es nicht, aber eines war ganz sicher: Wenn er einen Arm der Leichen verletzen konnte, dann war er auch imstande, anderweitigen Schaden anzurichten, und ein Sack voller gebrochener Knochen und Fleischbrei am Boden würde wohl niemandem mehr etwas tun. Er knüppelte noch ein paar Mal auf die Leiche ein, wobei er sich wünschte, eine Axt statt eines Schlägers zu haben. Erneut holte Pop aus … und traf. Ob er einen Homerun geschafft hatte, konnte er nicht sagen, aber das neunte Inning neigte sich dem Ende entgegen, und er stand kurz vor dem Strikeout: Noch einmal danebenhauen, und er war geliefert. Die Realität geriet langsam mehr und mehr aus den Fugen. Sein Kopf schwirrte wie auf einer Wildwasserbahn im Vergnügungspark. Die Knie wurden ihm weich, während ihm gleichzeitig schwarz vor Augen zu werden drohte. Rico feuerte schon wieder.

       Bumm!

      Ein einzelner Schuss.

      Dann wurde alles still. Das Geschrei hörte auf – abgeschnitten, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Das Chaos dauerte zwar noch an, verschwamm jedoch nun in Zeitlupe.

      ***

      Rico spürte erneut den vertrauten Rückschlag seiner Waffe, während er eine weitere Salve abgab. Dieses Mal wählte er ein kleineres Ziel aus. Die Schweinerei hinterher würde zwar schlimmer sein, doch momentan war dies die Geringste seiner Sorgen. Er traf genau. Die Kugel schlug in den Kopf seines Angreifers ein, das linke Auge zerplatzte in einer Wolke aus Staub und schwarzgrauem Brei. Der Zombie brach zusammen, und war zum zweiten Mal im Laufe seiner bemitleidenswerten Existenz gestorben.

      Rico ließ sich zum tief Durchatmen hinreißen, erleichtert nach seinem endgültigen Sieg in diesem Kampf. Der Krieg war allerdings noch nicht vorbei. Er durfte nicht nachlassen, ertappte sich aber dabei, unterbewusst infrage zu stellen, ob das Ding jetzt wirklich tot war. Er drehte sich langsam zu der verrottenden Leiche um und wartete auf irgendein Zeichen von Bewegung. Diese stellten sich jedoch nicht ein, also schaute er wieder weg, um sich einen kurzen Überblick der Lage zu verschaffen. Die vormals entspannten Gesichter der Gäste waren nun allesamt von Entsetzen gezeichnet. Alle hatten sich in Schale geworfen, um ihre beste Seite hervorzukehren – um zu zeigen, wie toll sie waren, und einen Partner für Sex zu ergattern. Jetzt hätte es sich ebenso gut um die Gäste einer Begräbnisfeier handeln können.

      Rico fuhr mit der Pistole im Anschlag herum. Wegen der ruckartigen Bewegung drehte sich nun alles, als säße er auf einem außer Kontrolle geratenen Karussell. Sein Kopf brummte vor Reue, weil er einen Drink zu viel zu sich genommen hatte. Er verlagerte sein Gewicht, um nicht umzukippen, und zwang sich dazu, nicht mehr alles doppelt zu sehen. Als sein Blickfeld langsam aufklarte, ging Pop gerade mit einem der Monster auf Tuchfühlung. Blut und schwarzgraue Masse klebten an seinem Baseballschläger. Ein Mann mit einer Tribal-Tätowierung und ein anderer vom Typ Technik-Nerd standen wie zum Schutz zwischen dem Zombie, dem der Wirt gerade Saures gab, und den Gästen an der Wand. Der dritte Zombie kniete nach wie vor auf dem Boden und kaute gleichgültig weiter. Der blutende Muskelprotz am Tresen lebte immer noch. War irgendjemand im Lokal überhaupt auf die Idee gekommen, einen Notarzt zu verständigen? Wie schwer hatte er sich verletzt? Zu wenig Zeit und zu viele Fragen. Es oblag offenbar ihm allein, diesen Wahnsinn zu beenden und die Kontrolle zu übernehmen.

      Der Techniktyp wandte nun seinen Blick von dem Gewaltakt ab und schrie verzweifelt: »Helfen Sie uns!«

      Pop stürzte jetzt mit dem Schläger an seiner Schulter vorwärts und schwang ihn. Die beiden Männer wahrten Abstand, damit er genügend Platz hatte. Sein Hieb verfehlte die Kreatur allerdings um wenige Zoll, doch er schwenkte seine Waffe wieder zurück und traf die Leiche daraufhin von der Seite.

      Er könnte sich genauso gut an einem Sandsack abarbeiten, dachte Rico. »Geh aus dem Weg!«, rief er James zu und trat mit erhobener Pistole vor.

      Aber Pop war im vollen Lauf, nichts deutete darauf hin, dass er Rico überhaupt gehört hatte. Der eine Arm des Toten hing schlaff an der Seite seines Körpers hinab.

      »Pop, lass es gut sein, ich erledige das schon!« Rico näherte sich ihm, doch der Schläger ging mit erneuter Wucht nieder. Der Alte traf zwar wieder, doch seine Knie zitterten, als würde er gleich zusammenbrechen.

      Die zwei Männer, die aussahen, als wollten sie ihm zur Hilfe kommen, sprangen nun erschrocken auseinander, als Rico vortrat und zielte. Der Brillenträger stellte sich allerdings bei dem Versuch aus dem Weg zu gehen, mehr als ungeschickt an: Er prallte dabei gegen einen Barhocker und fiel direkt vor dem Menschenfresser, der sich an den Fingern des Bodybuilders gütlich getan hatte, auf den Boden.

      Rico gab noch einen Schuss ab. Die Kugel schlug in den Hinterkopf des Zombies ein, woraufhin er kraftlos zusammensackte und auf die kaputte Schulter fiel, die Pop vorhin mit seinem Schläger malträtiert hatte. Als der Polizist den knienden Toten aufs Korn nahm, war es schon zu spät: Der Mundvoll Finger musste ihn wohl nicht ganz satt gemacht haben, denn er ließ sich jetzt auf den Techniktypen fallen und biss diesem ins Gesicht. Blut sprudelte aus der Nase des Mannes hervor. Es knirschte laut, als die Zähne den Knorpel durchtrennten, als knistere die Luft. Der Zombie verheerte den Kopf immer noch weiter.

      Ein Kerl an der Wand krümmte sich schnaufend wie eine Dampflok. Nachdem er sich übergeben hatte, fiel er kraftlos auf seine Knie. Sein übel riechender Auswurf genügte allerdings nicht, um den abstoßenden Gestank von verdorbenem Fleisch zu verdrängen.

      Rico nahm seine Pistole herunter und drückte sie an die Schläfe der knienden Kreatur.

      Dann betätigte er den Abzug.

      Endlich lagen alle drei Zombies wirklich tot am Boden. Es war vorbei!

      Der Mann mit der zerfetzten Hand lehnte nun nicht mehr am Tresen, sondern war auf dem Boden zusammengesackt. Er war zwar noch bei Bewusstsein, aber kreidebleich geworden. Der Nicht-mehr-Brillenträger lag ebenfalls auf dem Rücken. Seine Brust zuckte, Blut quoll ihm aus dem Mund und strömte über sein ohnehin schon knallrotes Gesicht. Die Nase war nur noch ein eingedrückter, unkenntlicher Wust. Blutblasen bildeten sich dort, wo eigentlich die Nasenlöcher hätten sein sollen, und zerplatzten, sobald er sich wieder aufbäumte. Er drehte seinen Kopf zur Seite und hustete qualvoll. Jetzt spritzte Blut über Ricos Dienststiefel.

      Kapitel 3

      Sanfte Saxofonklänge waberten aus der Stereoanlage des Lokals. James hatte sein Schwindelgefühl mittlerweile überwunden und betrachtete nun den Schaden, während er seine Hände massierte. Ein paar Frauen schluchzten leise, während sich andere bemühten, sie zu trösten. Zwei Gäste beugten sich über den Computerfreak, der noch lebte, verständlicherweise aber unter Schock stand und aus zahlreichen Bisswunden in seinem Gesicht blutete. Dass sein linkes Ohr halb fehlte, verlieh ihm einen irgendwie elfenhaften Anstrich.

      Rico


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