G.F. Barner Staffel 5 – Western. G.F. Barner

G.F. Barner Staffel 5 – Western - G.F. Barner


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      *

      Zeit, dachte Ross Walkey. Sie brauchen Zeit. Ich muß sie ihnen verschaffen. Und wenn es nur eine Minute ist.

      Er zog plötzlich das Pferd herum und ritt direkt auf den Küchenwagen zu. Dort stand der Kaffeekessel, und Walkey sah zum Feuer hinüber. Einige der dort sitzenden Männer hoben die Köpfe.

      »He, Ross, alles ruhig?«

      »Alles ruhig«, erwiderte er rauh. Er mußte seine Stimme in der Gewalt behalten. »Verdammter Durst.«

      Er nahm einen der Becher, die auf dem Bord standen. Dann füllte er sich Kaffee ein und trank. Hinter ihm erzählte Santiago von seinen Kindern. Ross trank, und der Gedanke kam, daß diese Kinder keinen Vater mehr haben würden. Plötzlich schmeckte der Kaffee bitter wie Galle.

      Es war ein Fehler gewesen, zum Feuer zu reiten, nun wußte Ross Walkey es.

      Verflucht, dachte er, verflucht noch mal, wenn ich jetzt schreie, wenn ich sie warne?

      Da steht Powell, ich brauche nur zu schreien. Und dann? Sie würden schießen, sobald ich etwas mache. Brad sieht mich doch. Sag ich was, bin ich der erste, der ins Gras beißt.

      Brad knallt mich ab.

      Er stellte den Becher zurück. Dann zog er das Pferd herum und ritt neben den Wagen her zu den Pferden. Der Schatten der Wagen nahm ihn auf, als er das Halteseil erreichte, das er schon angeschnitten hatte. Ross bückte sich. Die Hand griff zum Seil, packte die Schlaufe. Er zog sie auf, blickte aber sichernd zum Ende des Küchenwagens. Sie sahen nicht her, sprachen über den alten Bill und seinen Wagen.

      Das Seilende in der Faust, drehte Walkey sein Pferd mit der Brust nach Westen. Das war die Richtung, in die er reiten mußte.

      Noch einmal kam der Gedanke zu schreien, sich zu ducken und damit für Harris hinter der Plane des Küchenwagens zu verschwinden.

      Es war zu spät, Walkey wußte es. Vor zehn Minuten hätte er es tun müssen, nicht jetzt. Er hatte gezaudert, und die Zeit war verstrichen. Vielleicht hatte Ross Walkey auf ein Wunder gehofft, das nicht gekommen war.

      Als er das Seil nahm und anritt, als die andere Hand zum Hut griff, kam das Würgen wieder.

      Ross, dachte er, Ross, du bist der größte Lump unter der Sonne.

      Der Zwiespalt der Gefühle zerriß ihn fast. Dann biß er die Zähne zusammen und nahm den Hut ab.

      Jetzt, dachte Walkey.

      Und dann kam der peitschende, belfernde Knall des Schusses.

      *

      Das Peitschen brach wie ein Blitz aus heiterem Himmel über Powell herein. Er hatte den brüllenden Knall in den Ohren, als die Kugel seine linke Seite traf.

      Powell wurde gegen Honkey geschleudert. Sie prallten zusammen, und er hatte im Knallen des zweiten Schusses Honkeys Schrei in den Ohren. Sie kippten beide am Klappbrett des Küchenwagens vorbei und lagen im nächsten Moment am Boden.

      Brüllend, belfernd, die Stille mit einem irren, peitschenden Heulen zerfetzend, hämmerten die Schüsse von der Wand des Canyon Creek herunter. Es war, als wäre die Hölle plötzlich aufgebrochen. Kugeln hämmerten in die Seite des Küchenwagens. Jaulend prallten Querschläger von Steinen ab. Männer schrien entsetzt auf. Hufe knallten keine 20 Yards von Powell entfernt gegen den Boden.

      Im Dröhnen und Krachen der Schüsse, den hochstiebenden Funken des Feuers und dem schrillen, erschreckten Trompeten der Pferde im Canyon links von Powell, stand der Schrei Lorenzos: »Unter die Wagen – unter die Wagen!«

      Dann schrie irgendwer spitz und gräßlich. Ein Körper taumelte gegen den Küchenwagen und sank zusammen.

      Powell hörte nur den trommelnden Hufschlag, der nun dort einsetzte, wo ihre Reitpferde gestanden hatten. Schmerz fraß sich in seine Seite, als er sich herumwälzte und den Revolver herausriß.

      Honkey fluchte wild.

      »Mein Arm, Hölle und Pest, mein Arm, Rick. Die Pferde – Rick, unsere Pferde!«

      Allmächtiger, dachte Powell entsetzt, als er sie davonrasen sah, wie sind sie vom Halteseil losgekommen?

      Im selben Moment sah er den Reiter. Es traf ihn noch schlimmer als der Hieb, der in seine linke Hüfte gefahren war.

      Der Reiter war Ross Walkey. Er lag geduckt auf dem Hals seines Pferdes. Er war schon fast 40 Yards entfernt und jagte, vom Mondlicht beschienen, mit sämtlichen Pferden davon.

      Ross, dachte Powell, Ross?

      Dann begriff er es und riß beide Arme nach vorn. Der Revolver schwang hoch, aber die Entfernung wuchs rasend schnell. Ross Walkey brachte sie um ihre Pferde, jagte mit ihnen davon, während mindestens fünf Gewehre immer noch ihre Kugeln auf schreiende, Deckung suchende Pferdejäger streuten. Es mußte eine ganze Bande sein, und Ross gehörte dazu.

      So ist das, dachte Powell, Ross, der Lump. Warte, Bursche, noch bist du nicht zu weit entfernt, noch nicht.

      Powell hielt höher. Und dann schoß er, bis nichts mehr kam außer dem Klicken, das ihm die leergefeuerte Trommel verriet. Im Mondlicht sah er das Pferd von Walkey in bockenden, wilden Sätzen plötzlich nach rechts jagen.

      Ross Walkey hing seltsam schief im Sattel. Er schien sein Pferd nicht mehr lenken zu können. Nun rutschte er immer tiefer, während das Pferd auf die Schluchtkante zujagte, dicht unter der Wand anhielt, als wollte es umdrehen. Dann knickte es ein. Ross Walkey krachte mit dem Gaul zu Boden.

      Nun kam trommelnder Hufschlag aus Süden wie anschwellender Donner, in den sich das belfernde Krachen der Schüsse mischte.

      »Die Herde!« schrie Honkey gellend los. »Junge, die Herde rast gegen den Zaun. Alles unter die Wagen, die Herde kommt!«

      »Honkey!« keuchte Powell scharf. »Hinter das Rad.«

      Er stieß sich ab, sah den Alten kommen und neben ihm in Deckung fliegen. Was dann kam, war nur noch dröhnendes, polterndes Grollen. Es flog auf sie zu, löschte in Sekundenschnelle das Feuer, raste weiter, hob sich über Deichseln hinweg, fegte hart an den Wagen vorbei und dröhnte weiter, daß der Boden zitterte und Staub sich wie dichter, erstickender Nebel über das Camp legte.

      Sie hatten keine Sicht mehr. Selbst das Rad, hinter dem Powell lag, verschwamm vor seinen Augen. Durch die graue dichte Wand des Staubes peitschten Schüsse. Etwas wirbelte heran, als ein Reiter keine zwei Schritte neben Powell vorbeipreschte. Es war wie ein Lichtpunkt im Nebel, der sich senkte, krachend und splitternd gegen den Aufbau des Küchenwagens knallte. Was dann kam, waren kleine, feurige Zungen, die über Plane, Kasten und Vorratskisten rasten.

      Irgendwo im Dunst neben Powell fegte das Pferd davon. Schüsse krachten wieder, das Trommeln wurde leiser und leiser. Es klang, als wäre ein Zug an ihnen vorbeigefahren, dessen Dröhnen sich nun im trockenen Bett des Canyon Creek verlor.

      »Boß!«

      »Hier«, sagte Powell, spuckte aus und stemmte sich in die Höhe. »Lorenzo?«

      Im sich lichtenden Staubschleier tauchten die ersten Männer auf.

      »Decken!« schrie Powell. »Löscht die Flammen, schnell! Der Küchenwagen brennt! Die Wassertonne, ist sie heil?«

      »No«, kam die Antwort schrill zu ihm herüber, während Männer auf den Wagen hechteten und die Plane herab­rissen. »Sie läuft aus. Sie haben in die Wassertonne geschossen, Boß.«

      Lorenzo taumelte heran, hielt sich die Schulter und knirschte mit den Zähnen vor Grimm.

      »Boß, Juan ist tot. Martino hat es getroffen. Noch zwei andere am Feuer, Boß. Wer war das? Wer, verflucht?«

      »Sieh nach, was denen geschehen ist, die nicht mehr unter die Wagen gekommen sind«, antwortete Powell. Er fühlte sich so schwach, daß er sich gegen die Klappe des Wagens lehnen mußte, um nicht wieder umzusinken. »Lorenzo, unsere Pferde sind alle weg.«

      Es war vorbei, er wußte es


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