Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman. Karin Bucha

Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman - Karin Bucha


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      In einer Ecke von Brigitts Wohnzimmer stapeln sich die für Viola bestimmten Pakete. Sie selbst geht in dem gemütlichen Raum mit erstaunten Augen umher. Alles findet sie wunderschön. Von den duftigen Gardinen angefangen, über die heilen, polierten Möbel, bis zu dem farbenfreudigen Teppich.

      Mit zarter Hand streicht sie über den tiefen Tisch, über die weichen Polster der Sessel.

      Sie sagt es auch sofort Brigitt, als diese erscheint.

      »Wohnen hier im ›Eichenwald‹ alle Angestellten so schön?«

      Brigitt lächelt. »Jedes Hausmädchen, jeder Diener bewohnt ein nettes, freundliches Zimmer, und ihnen steht ein Badezimmer zur Verfügung. Meine Wohnung ist größer, schließlich lebe ich bald ein Menschenalter hier und habe schon Tilos Eltern gedient.«

      Viola geht nachdenklich umher, berührt hier und da einen Gegenstand, der ihr besonders gefällt. Dabei sagt sie leise:

      »Tilo Kempen ist ein feiner Mann, ein richtiger Herr, nicht wahr?«

      »Das ist er«, betont Brigitt. »Er trägt das stolze, herrische Blut seines Vaters in den Adern, aber von seiner Mutter her ist er mit dem Verständnis für alles Menschliche behaftet. Auch die verstorbene gnädige Frau war ein besonderer Mensch. Sie ist auch an der Härte ihres Mannes zugrunde gegangen.«

      Viola hebt die Augen zu Brigitt. »Warum zugrunde gegangen?«

      Brigitt wird verlegen und macht sich am Tisch zu schaffen, indem sie die Decke zurechtrückt, dabei liegt sie tadellos.

      »Ach, das sind längst vergessene Dinge, über die man lieber nicht spricht.«

      »Sind es – es schmutzige Angelegenheiten?« fragt Viola hartnäckig.

      Brigitt fährt herum. »Wie kommst du darauf?«

      »Zumindest handelt es sich um ein Geheimnis«, spricht Viola unbeirrt weiter, »sonst wären Sie nicht so verwirrt.«

      »Bin ich das?« Brigitt versucht ein sorgloses Lachen. »Dann irrst du dich, Kind. Die Kempens waren alle ehrenhafte Leute, alle, und Tilo Kempen ist der Beste von ihnen.«

      »Ja – der Beste«, murmelt Viola vor sich hin. Ihr kleines Herz quillt schier über vor Dankbarkeit, sobald sie nur an ihn denkt.

      »Du könntest inzwischen die Pakete auspacken«, läßt Brigitt sich nach einer Weile vernehmen. »Später richten wir gemeinsam dein Zimmer ein. Jetzt werde ich unten benötigt.«

      Ehe Viola ihre Zustimmung geben kann, hat sie sich davongemacht. Grübelnd bleibt Viola zurück. Etwas stimmt hier nicht! Warum ist Brigitt so verwirrt geworden? Natürlich, daß sie die Menschen, denen sie treu gedient hat und die sie scheinbar immer gut behandelten, in Schutz nimmt. Es spricht nur für Brigitt.

      Ihr Blick fällt auf eines der Pakete, das sie selbst zugeschnürt hat. Sie nimmt es auf und löst das Papier. Ihr abgetragener Rock mit der Bluse aus grobem Leinen kommen zum Vorschein und damit ihr sorgsam gehütetes Geld.

      Sie versenkt es in die Tasche des weißen Kleides, öffnet vorsichtig die Tür und späht den Ftur entlang. Auf leisen Sohlen, sich in dem fremden Haus langsam vorwärtstastend, erreicht sie endlich den Seiteneingang, der in den Park führt. Hier beginnt sie zu laufen und nimmt sich erst etwas Zeit, als sie den Wald erreicht hat. Auf Seitenpfaden gelangt sie ins Dorf und huscht wenig später in das kleine Haus, das von der Gemeindeschwester bewohnt wird. Sie verbringt in diesem winzigen Haus ihren Lebensabend, nachdem sie ein Menschenalter unermüdlich für das Wohl und We-

      he der Gemeindemitglieder tätig gewesen ist.

      »Tag, Schwester Apponella«, grüßt sie etwas atemlos und geht rasch hinüber zu dem Lehnstuhl, in dem die alte Frau leicht geschlummert hat.

      »Du bist es, Viola? Schön, daß du einmal zu mir kommst. Du warst sehr lange nicht bei mir.« Die zittrige, brüchige Stimme der Alten klingt freundlich und wohlwollend. »Und was treibt dich zu mir? Hat man dich wieder einmal gekränkt?«

      Viola läßt sich zu Füßen der Alten nieder. »Viel hat sich seit meinem letzten Besuch bei Ihnen geändert. « Und mit vor Eifer geröteten Wangen erzählt das Mädchen, was sich zugetragen hat. Immer wieder taucht der Name Tilo Kempen darin auf. Die Alte nickt dazu und brummelt vor sich hin.

      Nachdem Viola geendet, greift sie in ihre Tasche. »Da, Schwester Apponella, das sollen Sie haben. Ich brauche es nicht mehr.« Dabei legt sie der Alten ihren sorgsam gehüteten Schatz in den Schoß. »Sie werden es besser brauchen können als ich. Kaufen Sie sich etwas dafür.«

      »Nein, nein!« Die ehemalige Gemeindeschwester, die vor Jahren Viola auf den Stufen des Gemeindehauses gefunden hat, schiebt das Geld zurück in Violas Hand. »Ich brauche es nicht, wirklich nicht. Deine mühsam zusammengetragenen Pfennige -«

      » Aber es ist gar nicht so wenig, Schwester«, wirft Viola betrübt ein.

      »Behalte es, wer weiß, wie gut du es noch brauchen kannst. Und sei nicht böse deshalb, Kind. Ich bin alt und anspruchslos. Was ich zum Leben nötig habe, besitze ich.«

      Sehr enttäuscht erhebt Viola sich. »Nein, böse bin ich nicht, Schwester. Ich – ich wollte Ihnen eine Freude machen, weil ich – weil ich doch so glücklich bin.«

      Die verblaßten, schon getrübten Augen betrachten Viola nicht ohne Stolz. »Schön siehst du aus, Kind. Man erkennt dich beinahe nicht wieder.«

      »Ach«, macht Viola, die sich plötzlich gar nicht mehr richtig über all die vielen, schönen Dinge freuen kann.

      »Auf Wiedersehen, Schwester«, sagt sie leise, »Wenn ich Zeit habe, sehe ich wieder zu Ihnen rein.«

      »Wiedersehen, mein Kind!«

      Viola steht im Sonnenschein und hält das Geld in der Tasche umklammert. Auf einmal läuft sie los und steht wenig später im Grünwarenladen von Otto Steiner, einem phlegmatischen, dickbäuchigen Mann, der gegen alle Menschen voller Mißtrauen ist. Hätte er nicht eine fleißige, geschäfts-tüchtige Frau, er wäre nicht der wohlhabende Mann.

      In dem Dämmerlicht, hervorgerufen durch die Markise, erkennt er nicht gleich Viola. Blinzelnd kommt er näher, erkennt Viola und fragt barsch: »Was willst du denn hier?«

      »Einkaufen«, erwidert Viola trotzig und geht zu dem breiten Schaufenster, wo Früchte und Gemüse aufgebaut sind. Mit sicherem Griff wählt sie die schönsten Äpfel, Bananen und Apfelsinen.

      »Hast du auch Geld?« erkundigt er sich und kommt zu ihr gewatschelt.

      »Würde ich sonst hier sein?«

      »Woher hast du denn das Geld?«

      »Das geht Sie garnichts an«, erwidert Viola gelassen und wählt ruhig weiter. »Was kostet das zusammen?« Ruhig legt sie aus einem der Körbe noch einen Strauß süßduftender Veilchen bei.

      Steiner nennt den Preis und Viola zählt ihm das Geld auf. »Würden Sie wohl die Sachen rüber zur Gemeindeschwester tragen?«

      »Zu wem?« fragt Steiner erstaunt.

      »Nun, zu Schwester Apponella. Aber es muß sofort geschehen.«

      »Was ist denn mit dir los?« Steiner mustert sie so ungeniert, daß es ihr die Rö-

      te ins Gesicht treibt. »Hast du wohl das Geld –«

      Viola wirft den Kopf in den Nacken. »Gestohlen, nicht wahr, das wollten Sie doch sagen? Beruhigen Sie sich. Ich habe noch nie gestohlen und werde es auch nie tun.« Sie sagt das völlig beherrscht, aber in ihren Augen glitzert es, ganz grün sind sie. Sie muß alle Beherrschung aufwenden, dem widerlichen Menschen nicht das Obst an den Kopf zu werfen.

      »Wie ist das nun?« Hochmütig mißt sie das schwammige Gesicht des Mannes. »Wollen Sie mir die Sachen verkaufen und zur Schwester tragen lassen? Oder soll ich ins nächste Geschäft gehen?«

      Viola scheint mit der neuen Hülle auch einen anderen, neuen Menschen angezogen zu haben. Jedenfalls hat er das immer


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