Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman. Karin Bucha

Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman - Karin Bucha


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keine Angst, im Dorf einzukaufen«, sagt sie mutig, und keiner weiß, was sie diese Entscheidung an Mut kostet. Ob Tilo es weiß? Er lächelt geheimnisvoll in sich hinein.

      Ihr Stolz, ihr unbändiger Stolz gibt ihr auch Mut – denkt er und abermals fühlt er sich mit ihr verbunden.

      »Gut«, wendet er sich an Brigitt. »Viola hat entschieden. Sie können sofort losfahren.«

      Brigitt möchte ihm vorhalten, daß sie im Haushalt nötig gebraucht wird, doch sie wagt keinen Widerspruch. Dieser schwarze Teufel – denkt sie wütend – erst hält sie ein ganzes Dorf mit ihren Teufeleien in Atem und nun beginnt sie den Herrn um den Finger zu wickeln.

      »In zehn Minuten«, sagt sie und eilt davon.

      Pünktlich nach zehn Minuten wird Viola geholt. Sie läßt auch jetzt die kleine Katze nicht los. Tilo nimmt sie ihr mit einer entschlossenen Bewegung ab. Er bemerkt ihre weitaufgerissenen Augen, in denen Verzweiflung aufglüht.

      »Keine Angst, Viola«, begütigt er sie. »Das Tier behalte ich bei mir. Geh, ich glaube, der Wagen ist vorgefahren.«

      »Danke!« würgt Viola wie erlöst hervor und jagt davon. Jetzt weiß sie Putz in guten, in den allerbesten Handen. Nie wird ein Tilo Kempen sein Wort brechen.

      Sie hetzt um das Haus herum. Vor dem Portal steht der offene Wagen. Brigitt sitzt mit mürrischem Gesicht darin. Die Pferde scharren leicht und der Kutscher schnalzt mit der Zunge.

      Behende klettert sie in den Wagen und nimmt neben Brigitt Platz. Bescheiden drückt sie sich in die Ecke.

      »Fahr los, Heiner«, befiehlt Brigitt, und weichgefedert, auf Gummi, rollt der Wagen die Abfahrt hinab.

      Violas Herz flattert wie ein gefangenes Vögelchen in der Brust. Sie ist wie benommen. Was hat sich seit gestern nicht alles ereignet? So viel kann ihr kleines Herz, das sie nach außenhin verhärtet hat, kaum fassen. Scheu wagt sie einen Blick in das Gesicht der behäbig aussehenden Frau, die starr geradeaus blickt. Viola weiß, daß ihr dieser Auftrag unangenehm ist, daß sie diese Fanrt mit allem Widerwillen angetreten hat.

      Viola wäre auch lieber weit, weit weg. Der finstere Ausdruck, der auf den Zügen der Wirtschafterin liegt, ängstigt sie so sehr, daß sie verzweifelt nach einer Gelegenheit sucht, aus dem Wagen zu springen.

      Der Wagen rollt die Hauptstraße entlang. Die Dorfjugend steht mit weit offenen Augen und sieht auf das elegante Gefährt und auf Viola, die aufrecht, mit bleichem, aber undurchsichtigem Gesicht im Fond sitzt.

      »Teufel, schwarzer Teufel!« dröhnt es ihr entgegen. Viola rührt sich nicht. Brigitt hat ein Lächeln der Genugtuung auf den Lippen und blickt auf Viola. Sie sieht ein feines Profil, einen bebenden Mund. Sie bemerkt auch, wie die ganze schmale Gestalt zittert.

      Da schämt sie sich, wie selten in ihrem Leben.

      Alle mütterlichen Gefühle werden wach. Sie legt ihre große warme Hand auf Violas eiskalte Finger.

      »Begeh keine Dummheit, Kind. Ich bin bei dir. Man darf dir nichts tun.«

      Viola wendet ihr das Gesicht zu. Brigitt sieht ein paar todtraurige Augen. Was alle Strenge nicht fertiggebracht hat, die plötzlich aufwallende Güte der Frau bringt alle aufgespeicherte Bitterkeit zum Lösen. Tränen rinnen unaufhörlich unter den dichten Wimpern hervor, wie ein Sturzbach ist das, der unaufhaltsam hervorquillt.

      Kurzentschlossen zieht Brigitt das junge Mädchen zu sich heran und bettet den schmalen Kopf an ihren gewaltigen Busen.

      »Immer weine dich aus, Kind. Weinen erleichtert«, flüstert sie und streicht dabei über das blauschwarze wirre Haar, das weit über die Schultern bis auf den Rücken fällt. Brigitt glaubt, noch nie so wunderschönes Haar gesehen zu haben.

      Der Wagen rollt an den Jungens und Mädels vorüber und läßt sie verstummt, mit offenen Mündern zurück.

      Viola hat sich ein zweites Menschenherz erobert.

      *

      An Brigitts Hand, sittsam mit nach außenhin zur Schau getragener Gleichgültigkeit, betritt Viola Bormans Textilwaren- und Konfektionsgeschäft, auf das sein Inhaber sehr stolz ist. Er führt nicht nur derbe, solide Waren, sondern auch moderne, zum Teil sogar kostbare Garderobe, von den reichen Frauen und Töchtern des Ortes und der Umgebung bevorzugt.

      Brigitt steuert sofort auf die abgegrenzte Abteilung für Damengarderobe zu. Der älteste Sohn Bormanns, ein blasser junger Mann mit übertrieben freundlichen Manieren und aufgeblasenem Wesen, kommt Brigitt langsam entgegen. Er erkennt Viola und lachelt hinterhältig.

      »Was willst du denn hier?« fragt er spöttisch.

      Viola spürt den warmen Druck von Brigitts Hand, und der Stolz legt den Panzer der Unverwundbarkeit um sie. Herausfordernd und kühl ist ihr Blick, mit dem sie Bormann mißt.

      »Das wirst du gleich erfahren.«

      Bormann macht nicht gerade einen geistreichen Eindruck. Es scheint ihm die Sprache verschlagen zu haben. Als er endlich Luft bekommt, brüllt er los.

      »Was fällt dir ein, mich mit du anzureden?«

      »Dasselbe möchte ich auch fragen«, erwidert Viola gelassen. Sie löst ihre Hand aus der Brigitts und geht auf den Ständer mit den Kleidern zu.

      Bormann sieht aus, als wolle er hinter Viola herstürzen und sie zurückreißen. Da greift Brigitt ein.

      »Kleiden Sie Fräulein Viola von Kopf bis Fuß ein«, sagt sie nicht ohne boshaftes Lächeln. Diesmal gilt es aber nicht Viola, sondern dem maßlos wütenden jungen Mann. »Geld spielt keine Rolle. Es muß aber das Beste sein.«

      »Wir führen nur beste Ware«, brummt Bormann. Er hat sich entschlossen, die Niederlage von Viola, dem schwarzen Teutel, hinzunehmen. Wenn Brigitt, Kempens Wirtschafterin, selbst mit dem Mädchen erscheint, dann geschieht das auf höheren Befehl. Und der Name Kempen ist wie ein Zauberstab.

      Brigitt nickt zu Viola. »Na, was würde dir Freude machen?«

      Viola wirft aus ihren großen geheimnisvollen Augen einen dankbaren Blick auf Brigitt. Sie hat ein Donnerwetter befürchte, und nun muß sie feststellen, daß der Lümmel gezähmt ist.

      »Ich weiß nicht«, flüstert sie leise. »Würden Sie das für mich tun?«

      »Nun wähle doch aus, Kind«, ermuntert Brigitt, und schon hat sie ein reinseidenes Kleid, einfach, aber elegant im Schnitt, in der Hand. Erschrocken wehrt Viola ab.

      »Das – das ist doch viel zu kostbar für mich«, stammelt sie.

      »Ich glaube, das würde Herr Kempen nicht behaupten. Probier es mal an «

      »Bitte!« Mit eisiger Miene öffnet Bormann die Tür zur Ankleidekabine. »Ich schicke dir – Ihnen«, verbessert er rasch, »eines unserer Mädchen «

      Viola läßt sich wie eine Puppe aus- und ankleiden. Brigitt wählt und kauft nach Herzenslust. Ordentliche Freude hat sie an diesem Auftrag gewonnen, den sie zuerst aus tiefstem Herzen ablehnte.

      Zum Schloß verläßt Viola in einem schlichten weißen Leinenkleid mit roten Knöpfen und breitem roten Gürtel, leicht rote Sandalen an den Füßen, das Geschäft, während der Lehrling und eine der Verkäuferinnen Pakete um Pakete zu dem wartenden Wagen bringen.

      Keiner verliert kein Wort über den reichen Einkauf. Auch nicht über Violas verändertes Aussehen. Um den Wagen herum hat sich die Dorfjugend versammelt. Keiner wagt jedoch dem Mädchen im neuen Gewand ein Schimpfwort nachzurufen. Mit vollendeter Grazie steigt Viola ein, den Kopf in den Nacken gelegt, den Blick starr geradeaus gerichtet.

      Als sie den Wald erreicht haben, sinkt sie etwas in sich zusammen. Ängstlich gehen ihre Blicke zwischen den Paketen und Brigitt hin und her.

      »Ich habe Angst. Was wird Herr Kempen sagen?« ringt sie sich die Worte ab.

      Brigitt lacht nur.

      »Er wird mit uns zufneden sein «, entgegnet sie selbstsicher. »Soweit kenne


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