Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman. Karin Bucha

Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman - Karin Bucha


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hat er vergessen. Er freut sich, das Alleinsein genießen zu können. Tante Feodora hat er streng verboten, seinen Aufenthaltsort zu verraten. Er will nichts von Geschäften wissen. Er will einmal sich selbst gehören.

      Gleich nach dem Frühstück wird er das Gestüt besichtigen. Darauf ist er ganz besonders neugierig.

      Hagel ist ein guter Verwalter. Warum er nur nicht öfter hier herausgekommen ist? Seit Generationen haben die Kempens den ›Eichenwald‹ bewohnt. Erst nach seines Vaters Tod hat er seinen ständigen Wohnort in der Stadt in der großen Villa aufgeschlagen. Es schien ihm bequemer, von da aus die Geschäfte zu kontrollieren.

      Er verfügt zwar über dieselbe Vitalität wie sein Vater, aber er hat auch von der zarten, empfindsamen Mutter sein Erbteil bekommen. Das drängt ihn oft in die Einsamkeit, zurück zur Natur. Genau wie seine Mutter jederzeit naturverbunden war.

      Zwar spielte sie auch in der Stadt in der Gesellschaft eine große Rolle, dann war sie ganz Dame, liebenswürdig und allgemein verehrt und gern gesehen.

      Er ist tiel in seine Gedanken eingesponnen, daß er mcht merkt, wie Viola sich über den Kiesweg zaghaft der Terrasse nähert. Der Bürgermeister selbst war bei ihr und hat ihr barsch befohlen, sich sofort bei Herrn Kempen zu melden.

      Ihr Herz klopft wie ein Hammer in der Brust. Ihr Gesicht ist bleich und die Augen sind vor Erregung grün. In aller Eile hat sie sich in dem reichlich abgetragenen Rock zwei Löcher geflickt. Nun versucht sie diese krampfhaft zu verdecken.

      Tilo hebt den Kopf.

      »Nanu«, sagt er und springt überrascht auf, dabei gießt er sich die Sahne über die hellen Flanellhosen.

      Vor Schreck preßt sie beide Hände an den Mund.

      »Oh, daran bin ich schuld!« Und schon kniet sie vor Kempen nieder, nimmt die Serviette vom Tisch und beginnt den Flecken trocken zu reiben.

      »Laß das, Kind«, herrscht er sie an und sofort erhebt sie sich, das Gesichtchen in glühende Röte getaucht. Er setzt die Glocke in Gang und gleich kommt Brigitt, die Wirtschafterin, angelaufen.

      »Sie wünschen, Herr Kempen?« Dabei fällt ihr Blick auf das todblasse Gesicht Violas. »Was hast du hier zu suchen?« fährt sie das zusammenzuckende Mädchen an. »Mach sofort, daß du wegkommst. Bettelvolk!«

      Viola ist dem Umfallen nahe. Mit tiefgesenktem Kopf dreht sie sich um und fühlt sich im gleichen Moment herumgerissen.

      »Du bleibst hier, Viola«, hört sie Kempen ruhig sagen, und die Stimme dringt ihr mitten ins Herz. »Und Sie, Brigitt, kümmern sich gefälligst nicht um meine Angelegenheiten. Viola bleibt von heute ab in meinem Hause.«

      Brigitts Unterkiefer klappt hilflos herunter. Ihr Blick wandert von dem verschlossenen Gesicht ihres Herrn zu dem bleichen Violas. Dann sieht sie wieder auf Kempen, gewahrt die Zornesfalte auf seiner Stirn und stammelt:

      »Natürlich, selbstverständlich. Viola bleibt bei uns.« Mit Händen, die ihr nicht recht gehorchen wollen, beginnt sie den Tisch abzuräumen. Ihr Gesicht trägt einen mürrischen, unzufriedenen Ausdruck, den Tilo nicht an der sonst freundlichen, mütterlichen Frau gewohnt ist. Auch die bösen Blicke, die sie Viola verstohlen zuwirft, entgehen ihm nicht.

      Na, einen leichten Stand wird das Mädchen in seinem Hause nicht haben. Er reckt sich. Es soll einer wagen, sich ungebührlich zu benehmen!

      »Hast du schon gefrühstückt?« wendet er sich an die zitternde Viola, die sich immer weiter zurück an die Brüstung gedrängt hat.

      »Doch, etwas.«

      »Bringen Sie noch ein Gedeck, Brigitt, Viola soll sich erst sattessen, und frischen Kaffee dazu. Ich trinke auch noch eine Tasse mit.«

      »Jawohl«, murmelt Brigitt und ist froh, die Terrasse verlassen zu können.

      »Nun komm, Viola, nimm Platz«, fordert er das Mädchen auf. Als es zaghaft seinem Wunsche nachkommt und die äußerste Kante des Sessels einnimmt, lacht er herzlich auf. »Hast du Bange, ich würde dich auffressen? Ist es nicht schön hier? Gefällt es dir?«

      Ihre großen Augen in dem bleichen Gesicht wandern scheu umher und dann leuchten sie auf. Alles sieht sie, den zarten Rasen, die duftenden Rabatten, die vielen bunten Blumen und dahinter die Eichen.

      Sie preßt die Hände im Schoß zusammen, diese rauhen, verarbeiteten Hände, die zärtlich das Kätzchen streicheln konnten.

      »O ja, es ist wunderschön hier«, flüstert sie leise und begeistert. Tilo läßt keinen Blick von ihr. Jetzt sind ihre Augen nicht, mehr grün, sondern von einem wundersamen Blau. Seltsam, wie sich dieses junge Gesicht mit den Augen verändern kann. Jede Gemütsbewegung steht in den feinen Zügen geschrieben.

      »Muß ich nicht eigentlich Sie sagen? Der Bürgermeister hat mir gesagt, daß du bereits neunzehn Jahre bist.«

      »Sie brauchen nicht Sie zu mir zu sagen«, erwidert sie, und das kommt aus ihrem Munde, als würde sie ihm damit eine ganz besondere Gnade erweisen. Ja, sie hat den Kopf mit dem unbändigen blau-schwarzen Haar sogar etwas steifer in den Nacken gelegt.

      »Also sage ich weiter du zu dir. Es gefällt mir auch viel besser«, meint er und betrachtet sie belustigt, wie sie mit ihrer Verlegenheit fertig zu werden versucht.

      »Aber auslachen dürfen Sie mich nicht«, stößt sie nach einem tiefen Atemzug hervor. »Das – das kann ich nicht ertragen.«

      Also doch stolz! Kleiner schwarzer Teufel! Wieder lächelt er vor sich hin. Jetzt

      hat er sie auch einen schwarzen Teufel genannt.

      Brigitt kehrt zurück. Auf dem Tablett trägt sie eine schwersilberne Kanne. Sie stellt hart ein Gedeck vor Viola nieder. Dem Herrn schenkt sie Kaffee ein. Violas Tasse bleibt leer. Rasch verschwindet sie wieder. Tilo will sie schon aufbrausend zurückrufen, besinnt sich aber anders und bedient Viola selbst.

      Diese rührt sich nicht. Sie betrachtet aufmerksam ein Paar gut geformte Hände und den goldenen Ring an der linken. Schöne, zupackende Hände. Hände, in die man am liebsten das heiße Gesicht legen möchte.

      »Nun greif tüchtig zu, Viola«, ermuntert Tilo sie. Sie fährt zusammen und er bemerkt ihre Verstörtheit.

      »Ich – Ich kann nicht«, stößt sie erregt hervor und die dichten Wimpern legen sich über die verräterischen Augen.

      »Doch, du kannst«, beharrt Tilo freundlich. »Wenn du nur willst. Ich glaube, daß dir alles hier fremd ist. Aber du wirst dich daran gewöhnen «

      Viola schweigt. Ihre Hände verkrampfen und lösen sich abwechselnd in ihrem Schoß. Sie möchte auf und davon, wenn sie nicht den Spott in den herrischen Augen ihres Gegenübers fürchtete.

      Im selben Augenblick wird die zwischen ihnen eingetretene Stille durch ein klägliches Miauen unterbrochen.

      Viola geht es wie ein Schlag durch den Körper. Jetzt hat sie jeden Tropfen Blut aus dem feinen Gesichtchen verloren.

      »Hast du etwa die Katze mitgebracht?«

      Ja, Viola hat sie mitgebracht und bei ihrem Kommen gleich neben der breiten Treppe fürsorglich ins Gras gebettet.

      »Nun?«

      Langsam hebt Viola den Kopf. Trotzig hat sie die Zähne in die Unterlippe gebissen Sie fühlt Tilos forschenden Blick und zögernd kommt es aus ihrem Mund:

      »Ja, Herr – ich habe sie mitgebracht.« Und dann springt sie jäh auf und läuft dem kleinen Tier entgegen, das seinen Weg über die Stufen auf die Terrasse gefunden hat. Sie kniet sich nieder und nimmt das Kätzchen in den Arm. Sie wendet den Kopf Tilo zu. Nichts von Trotz liegt mehr in ihren Augen, nur eine stumme Bitte.

      »Darf ich – darf ich Putzi etwas von der Milch geben?« fragt sie stockend, und gnädig nickt er. Er reicht ihr sogar eine von den kostbaren Untertassen.

      »Danke!« Mit zitternder Hand gießt Viola Milch hinein und stellt sie vor dem Tier nieder, das sich sofort darüber hermacht.

      Ganz


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