Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman. Karin Bucha

Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman - Karin Bucha


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was ein paar solche Fetzen ausmachen. Wie ein ganz anderer Mensch kommst du mir vor.«

      »Wirklich?« strahlt Viola glücklich und gänzlich ohne Eitelkeit.

      »Wo – wo werde ich denn wohnen?« erkundigt Viola sich nach einer Weile.

      »Das möchte ich auch wissen, Viola. Deshalb muß ich wohl mit dem Herrn sprechen.«

      So kommt es, daß Viola im Wagen bei ihren vielen Paketen warten muß, während Brigitt ins Haus hastet.

      Viola versinkt in Nachdenken. Jochen, der Pferdeknecht, war es, der zuerst das Wort vom schwarzen Teufel aufgebracht hat. Als sei es heute gewesen, so deutlich erinnert sie sich des damaligen Vorganges. Bis zu der Stunde, da das geschah, wußte sie selbst nichts von Ihrem leidenschaftlichen Temperament und ihrem Jähzorn.

      Auf Hinrichs Hof hatte sie gearbeitet. Als sie über den Hof ging, hörte sie Fluchen, Pferdegetrappel und Kettenklirren. Sie stand im Nu in derTür zum Pferdestall. Sie war ihrer kaum mehr mächtig, als sie dem untersetzten Mann, der sie mit einem Faustschlag hätte zu Boden strecken können, die Peitsche aus der grausamen Hand riß, mit der er den Gaul schlug, daß er versuchte, die Wand hochzugehen. Niemals mehr wird sie dieses Bild vergessen.

      Sie schlug unbarmherzig auf Jochen ein, sie hörte nicht seine Hilferufe, seine Flüche, die die Leute zusammentrommelte. Erst als man sie zurücknß und sie das Blut über Jochens Gesicht laufen sah, kam sie wieder zu sich.

      Totenblaß, am ganzen Körper bebend, taumelte sie ins Freie.

      »Verdammter schwarzer Teufel! « hörte sie die sich überschlagende Stimme Jochens. »Wenn du mir in die Hände fällst, ich schlage dich tot.«

      Vor dieser drohenden Stimme war sie geflohen, weit aus dem Dorf bis auf die Weide, wo die Lämmerf nedlich grasten. Dort warf sie sich ins Gras, versuchte der maßlosen Erregung Herr zu werden und starrte aus groß3en Augen ins Leere.

      Sie hatte nur der armen, gemarterten Kreatur helfen wollen. Aber Jochen hatte es anders hingestellt und alle glaubten sie ihm. Seither verfolgte sie der Name: »Schwarzer Teufel«.

      Drinnen steht Brigitt vor Tilo Kempen.

      »Wo soll Viola wohnen?« fragt sie und wartet geduldig seine Antwort ab.

      Kempen hat sich selbst damit beschäftigt. Er sieht ratlos aus und nagt an der Unterlippe, wie immer, wenn er sich über etwas nicht sofort schlüssig werden kann.

      »Tscha, Brigitt, das weiß ich auch nicht«, meint er nach Minuten des Nachdenkens. Dann besinnt er sich auf etwas anderes. »Sagen Sie mal, Brigitt, warum begegnen Sie dem armen Mädel mit soviel Abneigung? Hat es Ihnen etwas zuleide getan? Hat es Sie persönlich beleidigt?«

      Verlegen irrt Brigitts Blick beiseite. Dann richtet sie sich etwas höher auf. Sie war immer eine unerschrockene Frau, warum soll sie nicht etwas zugeben, was wahr ist.

      »Das weiß ich auch nicht, Herr Kempen.«

      Alle Leute im Dorf begegnen dem Mädel mit Abneigung. Ich schäme mich, daß ich das Theater mitgemacht habe. Ich glaube – ich glaube, wir alle waren schlecht – nur das Mädel ist gut.«

      »Nana«, beschwichtigt er die zerknirschte Wirtschafterin, deren Treue und Anhänglichkeit jahrzehntelang erprobt ist.

      »Ich freue mich«, spricht er freundlich weiter, »daß Sie zur Einsicht gekommen sind. Wäre das nicht etwas zum Verwöhnen, so ein junges elternloses Ding? Könnten Sie nicht Ihre Warmherzigkeit an Viola austoben?«

      Sie sieht ihn verwirrt an. »Ja, soll Viola denn für immer hier bleiben?«

      »Ja, Viola bleibt hier.«

      »Und – und wenn Sie zurück in die Stadt kehren?«

      Jetzt lächelt er über ihren Eifer. »Dann werden Sie sich um Viola bemühen, als wäre es Ihre Tochter. Wollen Sie mir das versprechen?«

      Schnell nimmt sie die ihr gereichte Hand.

      »Gern, Herr Kempen. Mir scheint, Viola ist trotz ihrer fast neunzehn Jahre noch ein richtiges Kind.« Sie schüttelt den Kopf. »Merkwürdig, wie ein Menschenkind sich soviel Reinheit und Unschuld des Herzens in der Umgebung bewahren konnte, in der sie aufgewachsen ist.«

      »Wie meinen Sie das, Brigitt?«

      Sie errötet bis unter den Scheitel. »Auf den Höfen geht es nicht wie in einem Mädchenpensionat zu. Sie wird manches gesehen und erlebt haben. Ich kenne doch die Leute hier. Es herrscht mitunter ein –«, sie stockt und dann entschlupft es ihr rasch, »nun, ein manchmal unflätiger Ton.«

      »Also nehmen Sie Viola unter Ihren persönlichen Schutz, Brigitt. Vorläufig bin ich ja noch da und werde mich mit ihr etwas befassen.«

      »Reiten kann sie ja wie ein Teufel.«

      Überrascht dreht Tilo sich um, da er schon das Zimmer verlassen wollte. »Wieder der Ausdruck ›Teufel‹?«

      »Nun ja, man sagt doch so. Sie fürchtet sich vor keinem Tier. Sie hat es fertiggebracht, mit dem störrischsten Pferd fertig zu werden, wenigstens hat man es mir erzählt. Zuerst hat man darüber gelacht, dann gestaunt und zuletzt als etwas Selbstverständliches betrachtet. Auf der Fahrt habe ich mir meine Gedanken darüber gemacht. Ein Mensch, der so mit der Natur und der Kreatur verbunden ist, kann nicht schlecht sein.«

      Kempen legt ihr die Hand auf die Schulter.

      »Ich glaube, Brigitt, das war die längste Rede Ihres Lebens. Es freut mich, daß Sie sich besonnen haben. Ich selbst halte Viola auch nicht für einen Teufel, eher für einen Engel, der schweigend gelitten hat.«

      Brigitt stimmt in seinen Scherz ein. »Einen Engel mit schwarzem Haar habe ich aber noch nicht gesehen.«

      »Ich auch nicht, Brigitt. Aber man lernt nie aus im Leben.« Jetzt geht erendgültig. An der Tür sagt er: »Lassen wir uns überraschen, was noch kommen wird.«

      Brigitt läuft hinter ihm her. »Herr Kempen –« Sie ist ganz außer Atem. »Wo soll Viola denn wohnen?«

      »Bringen Sie sie unter, wo Sie wol-

      len, aber gut. Ich verlasse mich ganz auf Sie.«

      Endlich hat sie die Lösung gefunden. Daß sie daran noch nicht gedacht hat.

      Wieder macht sie sich auf die Beine und erreicht Kempen in der Halle.

      »Ich hab’s, Herr Kempen«, keucht sie, als sie ihn doch noch abgefangen hat. »Neben meiner Wohnung sind zwei bisher unbenutzte Fremdenzimmer. Wenn ich Viola nun eins davon gebe?«

      Er muß über ihre Betriebsamkeit lachen. Es ist ungeheuer gewinnend, und wieder einmal fragt Brigitt sich, warum er noch nicht geheiratet hat. Jede würde sich die Finger nach ihm lecken.

      »Eines?« fragt er gedehnt. »Zwei, Brigitt, alle beide läßt du für Viola instandsetzen. Aber recht nett und freundlich. Das Mädel soll sich hier wohl fühlen.«

      »Ich danke auch vielmals«, strahlt Brigitt.

      »Wofür danken Sie mir? Ich habe Sie doch gar nicht beschenkt?«

      »Doch – doch«, entgegnet sie mit Heftigkeit. »Scheußlich habe ich mich zu der Kleinen benommen. Jetzt freue ich mich, ihr die Mitteilung machen zu können. Das ist wie ein Geschenk für mich persönlich.«

      »Brigitt, Brigitt«, droht er ihr gutgelaunt mit dem Finger. »Beginne nicht zu übertreiben und vergiß nicht, die ›Kleine‹ wird demnächst neunzehn Jahre alt.«

      Sie sieht hinter seiner schlanken, elastischen Gestalt her. Neunzehn Jahre alt, überlegt sie; er müßte blind sein, würde er nicht die eigenartige Schönheit des ins Haus geschneiten Mädchens erkennen. Diesen Überlegungen folgt ein tiefer Seufzer. Nein! Zu der Sorte Menschen gehört Kempen keinesfalls. Was er tut, tut er aus seiner angeborenen Ritterlichkeit heraus. Bis jetzt war eine Frau für ihn ein Lebewesen, da zum Verwöhnen, wie er es zum Beispiel mit der verstorbenen gnädigen Frau getan hat, oder zu respektieren, wie er es mit seiner Tante Feodora


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