DIE GRENZE. Robert Mccammon

DIE GRENZE - Robert Mccammon


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T-Shirt. Er hatte ein wenig geschlafen in dieser Nacht, vielleicht ein paar Stunden. Selbst im Schlaf hatte er auf die Sirene gelauscht, die bedeutete, dass die Grauen zurückkamen, aber es war nun schon vier Nächte her, seit er herausgefunden hatte, dass er der Meister der Erdbeben war. Er fühlte sich, als lägen seine Nervenenden offen und als wären alle Muskeln verdreht. Als er das erste Mal aus dem Bett aufgestanden und mit der Laterne ins Bad gegangen war, hatte er sein T-Shirt hochgezogen und seine Brust im Spiegel betrachtet, dann seinen Rücken, soviel er davon sehen konnte.

      Der Doc hatte recht.

      Er glaubte nicht, dass er am Leben sein sollte.

      John Douglas hatte ihn gestern Nachmittag für eine weitere Untersuchung auf die Krankenstation beordert. Er wollte erst nicht, weil er wusste, wie er aussah, aber er ging trotzdem. Sie spritzten ihm erneut eine Kochsalzlösung, während ein Mann mit einer Schrotflinte in der Nähe stand. Nur eine Vorsichtsmaßnahme, hatte JayDee gesagt. Nicht, dass ich dir nicht vertraue.

      Er maß Ethans Blutdruck. Alles in Ordnung. Dann, als JayDee Ethan bat, sein Hemd auszuziehen, damit er den Herzschlag überprüfen konnte, gab der Doc ein Geräusch von sich, das zwischen Ersticken und einem heftigen Atemzug lag. Für einen Moment schien es, als würde er sich die Hand auf den Mund pressen, damit keine weiteren Geräusche mehr herauskommen konnten, aber dann fasste sich JayDee wieder und sagte mit fester Stimme: »Du hast dich selbst gesehen, vermute ich.«

      »Ja, Sir.«

      »Dreh dich um, bitte.«

      »Mein Rücken sieht genauso aus«, sagte Ethan.

      »Lass uns einen Blick darauf werfen.«

      Ethan gehorchte. Die blauen Flecken sahen jetzt noch schlimmer aus. Sie waren immer noch so schwarz wie ein Begräbnis zu Mitternacht, aber jetzt waren sie ineinandergelaufen. Es gab keinen unverletzten Bereich mehr auf seiner Brust, seinem Bauch oder seinem Rücken. Die Seiten seines Körpers waren violett und grün gesprenkelt und es sah aus, als griffen die beiden riesigen Prellungen von Vorder- und Rückseite ineinander.

      »Verdammt«, sagte der Mann mit der Schrotflinte, dessen Name, soweit Ethan wusste, Lester war.

      JayDee näherte sich Ethan vorsichtig. »Ich werde dein Herz abhören«, sagte er, als ob er um Erlaubnis bat, und Ethan nickte. »Okay«, sagte JayDee, als er fertig war. Das Stethoskop steckte noch immer in seinen Ohren. »Jetzt … würde ich gern deine Lunge abhören. Atme einfach tief ein, wenn ich dich bitte, und dann langsam aus. In Ordnung?«

      »Sie sind der Doktor«, sagte Ethan.

      JayDee machte sich wieder an die Arbeit. »Tief einatmen. Tut das weh?«

      »Ein bisschen.«

      Er ging auf Ethans Rückseite. »Und noch einmal atmen, bitte. Hast du noch mehr Blut ausgehustet?«

      »Nein, Sir.«

      »Noch einmal tief einatmen, bitte.« Als JayDee fertig war, ging er wieder um Ethan herum und sah ihm ins Gesicht. »Les«, sagte er leise, während er das Stethoskop abnahm und beiseitelegte, »du kannst uns jetzt allein lassen.«

      »Bist du sicher?«

      »Ja, ich bin mir sicher. Geh nur.« Er wartete, bis Les die verzogene Tür so gut es ging hinter sich geschlossen hatte. Risse, die vom Erdbeben stammten, durchzogen die Wände. JayDee sagte: »Du kannst dich wieder anziehen«, was Ethan tat. »Setz dich.« JayDee deutete auf einen Stuhl, aber Ethan sagte: »Ich stehe lieber.«

      »Nun, dann setze ich mich.« JayDee ließ sich langsam auf den Stuhl sinken. Etwas knarrte; entweder der Stuhl oder seine müden Knochen. Der Doc streckte die Beine aus, starrte Ethan an und rieb sich sein glattrasiertes Kinn.

      »Du weißt, was ich sagen werde«, wagte sich JayDee vor.

      Ethan zuckte mit den Schultern, aber er wusste Bescheid.

      »In Zeiten wie dieser braucht ein Mann einen ordentlichen Schluck guten Rye Whisky«, sagte JayDee. »Das war mein Lieblingsdrink. In der abendlichen Stille, vor einem schönen Kaminfeuer … ein wenig Frank Sinatra aus den Boxen der Stereoanlage … das war lange vor deiner Zeit, ich weiß … und alles auf der Welt war in Ordnung. Deborah … meine Frau, Gott segne ihre Seele … saß gern bei mir, lauschte der Musik oder las. Oh, das hört sich für dich vielleicht langweilig an. Tut es das?« Diesmal gingen seine weißen Augenbrauen nicht hoch, die Frage verlangte keine Antwort. »Nun, es war ein gutes Leben«, fuhr er fort. »Ein verdammt gutes Leben.« Er lächelte traurig und schief. »Was würde ich nicht dafür geben, dieses Leben zurückzuhaben, und es kann gern so langweilig wie möglich sein. Seit zwei Jahren … haben wir die Hölle auf Erden. In vielen Formen, zu furchtbar, um sich daran zu erinnern.« Sein Lächeln, das nicht wirklich ein Lächeln war, verblasste und der Ausdruck in seinen Augen schärfte sich.

      »Erzähl mir von White Mansion«, sagte er. »Ich meine … Dave hat mir schon einiges erzählt. Aber ich will es von dir hören. Okay? Warte … bevor du etwas sagst … Dave und Olivia waren vor ein paar Tagen in der Bibliothek der Highschool, um nach Karten zu suchen, die uns helfen könnten herauszufinden, wo dieses White Mansion liegt. Dave glaubt, es könnte der Name einer Stadt sein. Irgendwo.« Er ließ dieses Wort ein wenig sarkastisch klingen. »Sie haben einen Straßenatlas gefunden. Sie wollen nicht erzählen, was dort passiert ist, aber Olivias Knie ist verletzt. Während sie hier war, begann sie zu zittern und zu weinen, und sie war in völliger Auflösung. Ich habe ihr ein Beruhigungsmittel gegeben. Das war das Beste, was ich tun konnte. Dave will auch nicht darüber sprechen. Deshalb möchte ich, dass du weißt, Ethan … etwas Schreckliches ist ihnen da unten widerfahren … während sie … sagen wir mal … in deinem Auftrag unterwegs waren. Es muss furchtbar gewesen sein … denn ich habe in Daves Gesicht gesehen, wie schlimm es für ihn war. Und wenn man das in seinem Gesicht lesen kann … Junge, dann war es ein ganz großer Haufen böser Scheiße

      Ethan nickte. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Das Beste, was er zustande brachte, war: »Ich habe sie nicht gebeten, das zu tun.«

      »Nein, hast du nicht. Aber … weißt du … es ist diese Sache mit White Mansion. Und das Erdbeben, von dem du gesagt hast, du hättest es verursacht. Und dass Dave glaubt, dass du irgendwie von dieser Quelle unter dem Swimmingpool wusstest. Diese Sachen. Ein bisschen schwer zu schlucken für einen rationalen Menschen, nicht wahr?«

      »Ich schätze schon.«

      »Aber«, fuhr JayDee fort und runzelte die Stirn, »Dave hat in einem Punkt recht. Was ist noch rational? Was ergibt noch Sinn? Ich habe gesehen, wie etwas, das aussah wie ein Mann, explosionsartig zu etwas wurde, das mit schwarzen Stacheln bedeckt war, genau in dem gesicherten Raum, in dem wir dich untersucht haben, als du ankamst. Ich habe gesehen, wie das Gesicht eines Mädchens im Teenageralter implodiert ist und plötzlich ein Mund voller gieriger, scharfer kleiner Zähne zum Vorschein kam und mir den Kopf abbeißen wollte, bis Dave das Ding in Stücke gehackt hat. Ergibt das einen Sinn? Nun ja … vielleicht dann, wenn du ein Gorgone oder ein Cypher bist. Sieh mal, ich glaube, sie machen Waffen aus Menschen. Sie experimentieren mit ihnen. Mit uns. Sie haben ein echt riesiges Waffenprogramm, sie wollen sehen, was funktioniert und was nicht. Vielleicht machen sie das einfach, weil sie es können und weil das ihrer Art entspricht. Was denkst du, Ethan? Du hast gesagt, die Gorgonen und die Cypher kämpfen um die Grenze. Das hast du gesagt, richtig?«

      »Ja«, sagte Ethan leise.

      »Warum hast du das gesagt? Welche Informationen hast du, die Dave, Olivia, ich und alle anderen hier nicht haben?«

      Ethan antwortete für einen Moment nicht. Dann sagte er ebenso leise: »Ich weiß, dass es wahr ist. Es ist das, worum sie kämpfen. Die Grenze zwischen ihren …«

      »Was bist du?«, fragte JayDee plötzlich und zog seine Beine zurück, als ob sie in eine Gefahr geraten könnten, die von schwarzen Stacheln ausging oder einem Mundvoll kleiner, messerscharfer Zähne. »Du und ich, wir wissen beide … diese Verletzungen, die du hast … sie hätten dich umbringen müssen. Und die blauen Flecken sind schlimmer


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