Sind Frauen die besseren Mörder?. Sigrun Roßmanith

Sind Frauen die besseren Mörder? - Sigrun Roßmanith


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gehe ich nicht mehr ins Theater. Ich bin überzeugt, dass das Leben die besten Geschichten schreibt.

       Es gibt fast immer einen Grund

       Und er kommt zu dem Ergebnis: Nur ein Traum war das Erlebnis. Weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf!

      »Die unmögliche Tatsache«,

      Christian Morgenstern

       Gift und Geld

      Sie war charmant, freundlich. Sie gab vor, sich darüber zu freuen, dass sie endlich von einer Psychiaterin untersucht würde und verbündete sich sofort mit mir. Ungemein geschickt lobte sie mich, immer wieder betonte sie, Männer verstünden eben nichts von der Seele einer Frau. Sie konnte spannend erzählen, wich immer wieder vom Thema gekonnt ab, erzählte lustige Geschichten und wollte mir ständig sogenannte Geheimnisse anvertrauen, die ihrer Ansicht nach in die Begutachtung einfließen sollten. Sie erachtete mich als viel zu dünn und wollte mich gleich bekochen, mit einer guten Mehlspeise, wie sie meinte. Tatsächlich gab sie mir das Rezept, und es schmeckte vortrefflich. Meine Familie wusste Bescheid, wir nannten die Kreation »Blaue Speise«. Es war eine makabre Situation: Als Beschuldigte sprach Elfriede Blauensteiner mit mir übers Kochen. Ich fragte mich insgeheim, wie lange ich wohl leben würde unter diesen Umständen und kam zu dem Schluss, vermutlich länger, weil ich leider kein Vermögen besaß.

      Giftmörderinnen haftet immer eine Art von Engelsartigkeit an. In der Geschichte wurden auch viele als sehr schön beschrieben: unschuldig, ungemein anziehend und verführerisch. Alles verbindet man mit ihnen, wenn man sie sieht, alles, nur nicht Kaltblütigkeit. Raffinement, Beutelüsternheit und Machtgier erkennt man von außen genauso wenig wie das Lauern auf ein Opfer. Sie töten entweder aus Rache, oder weil sie sich bereichern wollen. Es kommt vor, dass sie dann auf den Geschmack kommen und zu Serientäterinnen werden. Ihre Opfer sind meistens Männer, die ihrerseits seltener Gift verwenden, wenn sie töten. Allerdings ist der Giftmord keine ausschließlich weibliche Domäne. Giftmörderinnen haben oft einen perfiden Plan, lassen sich Zeit und haben alles von Anfang an unter Kontrolle. Die schwarze Witwe Elfriede Blauensteiner hat man nicht zufällig mit Spinnen verglichen, die ihre Opfer umgarnen, bevor sie sie langsam, aber sicher töten.

      Sie hatte eine harte Kindheit, mit einer lieblos ungeliebten Mutter, die sie und die Geschwister mangelhaft versorgte und eher als Versorger in der Pension erachtete. Eine Schwester soll sogar wegen mangelnder Fürsorge verstorben sein, gab Blauensteiner an. Der Stiefvater brachte die Kinder mit »bösem Blick« zu Gehorsam. Und er luchste der jungen Blauensteiner in einem Spiel das von ihr erbettelte oder verdiente Geld ab. Er beutete sie aus. Er war aber nicht der einzige Mann in ihrem Leben, der das tat. Andere folgten ihm und behandelten sie auch mit Gewalt.

      Blauensteiner war besessen davon, vermögend zu werden und so den kargen Verhältnissen für immer zu entkommen. Sie verschaffte sich blitzschnell einen Überblick über die Vermögensverhältnisse ihrer potenziellen Opfer: Sie suchte sie ganz gezielt aus, gab Annoncen auf, in denen sie sich als rechtschaffene Witwe mit Eheabsicht darstellte. Scheinbar zufällig fügte sie ihre Maße bei und kurbelte schon von Beginn an die erotische Vorstellung der Verehrer an. Wie im Spital, wenn sie Schwerkranken ihre Pflege anbot. Sie war eine fantastische Köchin und umsorgte ihre vertrauensseligen Opfer nach allen Regeln der Kunst. Giftmörderinnen füttern, nähren – und töten. Die Opfer fühlen sich besonders gut aufgehoben, während sie unbemerkt Gift in die Speisen gemischt bekommen, an denen sie langsam und qualvoll zugrunde gehen. Blauensteiners letzter Ehemann zum Beispiel. Ein »herzensguter Mensch«, wie sie versicherte.

      Sie soll ihm ein Medikament untergemischt haben, das den Blutzucker senkt und gleichzeitig auch den Appetit ankurbelt. Das Opfer aß und aß, lobte die gute Köchin und verlor zwischendurch immer wieder das Bewusstsein wegen Unterzuckerung. Nicht einmal im Spital, in das sie ihn, fürsorglich wie sie war, brachte, keimte irgendein Verdacht. Zu Hause soll Blauensteiner den schwerkranken Mann dann Frischluftkuren ausgesetzt haben, bei winterlichen Temperaturen ließ sie das Fenster lange Zeit offen. Zusammen mit den kalten Duschen ergab das eine Lungenentzündung nach der anderen, die die ohnehin schon galoppierende Lebenszeit des Opfers noch mehr verkürzte. Lange dachte niemand an ein Verbrechen. Die Gerichtsmediziner mussten überhaupt erst Methoden finden, um das Zucker senkende Medikament in Leichen nachweisen zu können, worauf Blauensteiner auch einigermaßen stolz war. Während ihres letzten Schwurgerichtsprozesses äußerte sie vor der versammelten Presse, einem der Gerichtsmediziner damit zu seinem Dozententitel verholfen zu haben.

      Blauensteiner war eine Kämpfernatur. Selbstbewusst, herrisch, sensationssüchtig. Sie genoss die mediale Aufmerksamkeit um ihre Person. Sie wusste, wie man sich inszeniert. Damals hat mich das Gericht ersucht, Blauensteiner psychiatrisch zu untersuchen. Und wir haben uns nicht nur über Rezepte unterhalten. Blauensteiner konnte blitzschnell eine anheimelnde Atmosphäre schaffen, sogar in einer Untersuchungszelle. Im Gefängnis nannte man sie »Mutti«. Ich verstand die Opfer, die ihr auf den Leim gingen. Sie war eine köstliche, clevere, raffiniert agierende Frau, die dennoch nur eine schmale Bildung besaß. Zum Vergiften braucht es eben andere Qualitäten. Sie blühte förmlich auf, wenn sie vom Kasino sprach, in das sie gerne ging. In dem sie großzügig Trinkgeld verteilte, hofiert und mit »gnädige Frau« angesprochen wurde. Sie prahlte mit ihren Gewinnen, die sie stets unterschiedlich bezifferte, ihr Vermögen hat nie jemand zu Gesicht bekommen.

      Sie hat in jeder Umgebung sehr rasch verstanden, wie sie sich verhalten musste, um gut anzukommen. Bei einem unserer Gespräche war ich sichtlich müde. Sie schob es auf eine lustvolle, lange Nacht, kicherte dazu und meinte, dafür würde es sich schon lohnen. Im Gegenzug versprach sie, mir meine Arbeit an dem Tag zu erleichtern und ehrlich und offen auf meine Fragen zu antworten. Genau das hat sie nämlich nie getan. Nicht vor und auch nicht nach dem Versprechen. Geschickt wand sie sich um heikle Fragen herum und landete irgendwo anders, meistens in einer amüsanten Banalität. Wenn ich sie ließ.

      Für ihr Kind, ihre Tochter, fand sie stets liebevolle Worte. Sie war besorgt und machte sich Gedanken darüber, was sie ihr mit den Prozessen angetan hatte. Ihr Blick verinnerlichte sich. Sie seufzte. Ihr Gesichtsausdruck wurde weich und unterschied sich nicht von meinem, wenn ich mir Sorgen um meine Kinder mache. Auch Mörderinnen haben eine Mutterseele, die nicht pechschwarz ist. Obwohl Giftmörderinnen stets Sadistinnen sind. Blauensteiner sagte man nach, sie hätte ihren Opfern beim langsamen Sterben zugeschaut. Das würde ganz gut passen. Es gibt ihnen ein Gefühl der Macht, wenn sie jemandem Schmerzen zufügen und das Leid und die Demütigung sehen. Das verschafft ihnen Lust. Das Selbstwertgefühl schwillt an. Sadismus ist natürlich kein weibliches Attribut. Aber die Kombination aus Füttern, Vergiften und dem Beobachten des langsamen Dahinsiechens ist eine typisch weibliche Note von Giftmörderinnen.

      Elfriede Blauensteiner hat die ihr angelasteten Morde vehement bestritten. Vieles konnte man auch nicht beweisen. Aber man hat sie verurteilt. Wegen dreifachen Mordes. Zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Sie starb am 16. November 2003 im Gefängnis an den Folgen eines Gehirntumors.

       Liebe, Sex und Eifersucht

      Der Bereich der sadistischen Sexualstraftaten ist kaum von Frauen besetzt. Sehr selten sind sie Komplizinnen perverser Männer und helfen ihnen, zu Opfern zu kommen und sie sogar zu töten. Frauen eignen sich gut als Lockvögel, weil man ihnen eher vertraut. Kinder gehen arglos mit ihnen mit. Die Komplizin des belgischen Kinderschänders Marc Dutroux soll die Opfer gemeinsam mit ihm gequält haben, und gemeinsam ließen sie sie verhungern. Vielleicht stimmt es, dass sie nur in Abhängigkeit zu ihm handelte und gar nicht anders konnte. Aber manche Frauen weisen wohl auch eine perverse Lust auf, insgeheim erregen sie sich an den Schreien der Gepeinigten.

      Wenn es um Eifersucht geht, stehen Frauen Männern um nichts nach, manchmal ist sie bei ihnen sogar stärker ausgeprägt. Und nicht selten wird die Realität krankhaft zurechtgebogen. Zum Beispiel wenn eine Frau davon überzeugt ist, dass der Angebetete


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